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AlfL

Umsatzsteuer bei Lesungen – Realsatire!

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Hallo Alle!

 

Vollkommen ergriffen von so viel Phantasie und Realsatire aus dem Bundesfinanzhof, kam ich nicht umhin, dieses hier allen mitzuteilen. Diese Information ist zwar kaum zu begreifen, aber leider seriös; ich habe sie von meinem Steuerberater, und die Quelle ist besagter Bundesfinanzhof – also kein Witz! Dort heißt es allen Ernstes:

 

Autorenlesung kann theaterähnlich sein und damit dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 % unterliegen
19 % oder 7 %, das ist hier – frei nach Hamlet – die Frage. Das bloße Vorlesen eines Autors aus seinem Buch vor Publikum stellt weder eine Theatervorführung noch eine den Theatervorführungen vergleichbare Darbietung eines ausübenden Künstlers dar. Ebenso wie das bloße Abspielen eines Tonträgers kein Konzert ist. Hier greift der Regelsteuersatz von 19 %. Verändert aber der Autor zum Ausdruck besonderer Situationen oder zur Darstellung
unterschiedlich handelnder Personen seine Stimme und ruft durch Mimik, Körperhaltung und Bewegung beim Publikum Emotionen hervor, kann die Lesung theaterähnlich sein und damit dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 % unterliegen. Für eine Theaterähnlichkeit sprechen auch unterbrechende Erläuterungen, Zwischenbemerkungen und Erzählen von Geschichten außerhalb des Buches.

(Quelle: Stb. Bauer / Bundesfinanzhof)

 

Ich frage mich zwei Dinge: a) Welcher Beamte denkt sich so etwas aus (vor allem der Vergleich mit Vorlesen/Tonband, resp. Theater/Liveband hat mich sehr berührt!) und b) wer überprüft das und wie? Werden nun Theaterdarstellungsbewertungsbeamte in jede Autorenlesung geschickt? Muss ich zusammen mit meiner Steuererklärung einen Videobeweis meiner Fähigkeiten einschicken oder einen Zuhörer als Zeugen benennen? Dieser schwammige Quatsch impliziert doch, dass, wenn ich einen guten Tag im Sinne einer glaubwürdigen Charakterinterpretation habe und die Stimmen meiner Figuren überzeugend treffe, dann zahle ich 7%, ansonsten 19% und wenn ich total unengagiert lese, umgekehrt? Auf jeden Fall impliziert er einige Gerichtsprozesse, wo es genau um diese Fragen geht.

 

Andereseits: Vielleicht ist das auch ein subtiler Anreiz in Zusammenarbeit mit dem Kultusministerium, um die Güte von Lesungen flächendeckend zu steigern? Wer weiß …

 

Es grüßt kopfschüttelnd

 

der Alf

Bearbeitet von AlfL

"Man muss noch Chaos in sich haben,

um einen tanzenden Stern zu gebären."

Friedrich Nietzsche

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Hallo, Alf.

 

Nun, es gibt viele Regelungen, die kaum nachprüfbar sind. Die gesamte Gastronomie, vor allem die Schnellgastronomie, ist, was die Umsatzabrechnung anbetrifft, praktisch nicht zu überwachen. Wer verlangt am Imbiss schon einen Beleg? Also nehmen Steuerfahnder Testkäufe vor, durchwühlen den Müll und zählen Pappteller und solche Sachen. Das machen die tatsächlich. Natürlich tun sie es nur stichprobenartig. Will sagen: Dass eine Regelung schwer zu überprüfen ist, wie etwa jene, dass man auf einer nächtlichen, absolut menschenleeren Straße dennoch an einer roten Ampel anhalten muss, ändert nichts daran, dass sie gilt. Anders gesagt: Nur weil keiner da ist, der mich eines Vergehens überführen könnte, darf und sollte ich es trotzdem nicht begehen. Okay, die Realität sieht vielleicht ein wenig anders aus ...

 

Ein bisschen absurd ist es, zugegeben, dennoch. Zumal die Regelung ja alles andere als präzise ist: Wenn ich die Betonung nur ganz leicht verändere, während ich eine Figur sprechen lasse, also in der Lesung einen Dialog wiedergebe - ist das dann schon Theater oder noch nicht? Wenn ich vorher erzähle, wie ich zum Schreiben gekommen bin - reicht das? Oder muss ich die Leidens- und Lebensgeschichte meiner Großmutter berichten, die einen Füllfederhalter im Darm aus Schlesien nach Berlin geschmuggelt hat, und dieser Füllfederhalter war mein wichtigster Impulsgeber? Man weiß es nicht. Ich würde meine Lesungen für "theatralisch" halten. Aber ich habe meines Wissens auch noch nie vor Finanzbeamten gelesen.

 

In den meisten Fällen dürfte das aber vergleichsweise irrelevant sein, weil die Umsatzsteuer ein durchlaufender Posten ist. Eine Buchhandlung nimmt mehr Umsatzsteuer ein, als sie ausgibt, also spielen die 12 Prozent Differenz im Honorarfall wahrscheinlich keine Rolle. Umgekehrt dürfte es nur äußerst selten zu einer Überprüfung kommen, die dann tatsächlich darin bestehen müsste, den Veranstalter und ggf. auch noch ein paar Gäste zu befragen.

 

Herzlich,

Tom

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Lieber Tom,

 

das mit dem Füllfederhalter Deiner Großmutter tut mir leid. Sie muss Höllenqualen ausgestanden haben … Aber zurück zum Thema. Ich fürchte mich nicht vor einer Kontrolle und wäre eher gespannt, wie man meine Lesungen bewerten würde (die ich auch für durchweg theatralisch i.S.d. Bundesfinanzhofes halte). Die Regelung mit Imbiss und Gastro ist zar genau so wenig nachvollziehbar, aber wenigstesn keine Auslegungssache, sondern klar defieniert, so blödsinnig sie auch ist. Nur bei uns Autoren, wie Du es schön beschreibst, ist das absolut subjektiv nach dieser Vorschrift. Und, klar, die Ust. ist durchlaufend, nur im Zweifelsfall finde ich, ergibt sich schon ein Unterschied, ob eine Lesung für den Veranstalter bei einem Eintrittspreis von, sagen wir mal 9,00 €, beinahe 1,00 € mehr Ertrag abwirft pro Ticket oder nicht. Bei 50 Karten ist das für einen Buchladen u.U. schon der Empfangssekt, der damit bezahlt ist.

 

So oder so: Humbug!

 

Viele Grüße

 

 

Alf

"Man muss noch Chaos in sich haben,

um einen tanzenden Stern zu gebären."

Friedrich Nietzsche

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Einmal erlebte ich einen Autoren in einem Buchkaufhaus bei seiner leiernden, monotonen, angelaschten Lesung:  eindeutig 19%!

Nach meinen Lesungen erscheinen hingegen Presseberichte, die im Nachhinein auch Nichtteilnehmern suggerieren: Wow, da hat aber jemand eine Superperfomance abgeliefert!  7%, ganz klar!

 

Davon abgesehen: In welches Genre soll man Steuerrecht denn sonst einordnen wenn nicht in Realsatire?

MAROKKO-SAGA: Das Leuchten der Purpurinseln,  Die Perlen der Wüste,  Das Lied der Dünen; Die Wolkenfrauen

Neu seit März 2020: Thea C. Grefe, Eine Prise Marrakesch

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Vielleicht ist für die Einordnung auch die Größe und Platzierung des Wasserglases von Bedeutung.

Und "Krawehl, Krawehl" zu Beginn der Lesung würde ebenfalls bei der Zuordnung helfen.

 

Dann weiß auch ein kunstferner Paragraphenreiter Bescheid!

 

Ansonsten habe ich aber auch schon Lesungen aus dem 19%-Sektor gehört, die gibt es wirklich ...

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Oh, da gibt es viele schöne Beispiele.

 

Bands zum Beispiel können sich unter gewissen Umständen von der Ausländersteuer befreien lassen.

Allerdings nicht, wenn sie Jazz spielen, weil Jazzer als Solisten gelten, auch wenn sie zu fünft auf der Bühne stehen :-)

 

Sabine

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Ich habe mich auch vor längerer Zeit mit dem Thema auseinandergesetzt und mich in Abstimmung mit meinem Steuerberater für 19 Prozent entschieden, schon um potenziellen Ärger zu vermeiden. Interessanterweise gab es Diskussionen höchstens mal mit öffentlichen Einrichtungen, die ja nun ausgerechnet von Steuergeldern leben.

Alf, geht es bei deinem Thema um das Eintrittsgeld, das die Veranstalter vom Publikum nehmen oder um die Gage für den Autor bzw. die Autorin? Ich glaube, es war schon öfter Thema im Forum, aber mich würde interessieren, wie ihr es aktuell haltet: 19 oder 7 Prozent? Über ein reines Vorlesen gehen meine Lesungen auf jeden Fall hinaus. Wenn also "unterbrechende Erläuterungen" oder auch ein moderiertes Gespräch 7 Prozent rechtfertigen, würde ich evtl. wieder umschwenken.

Frisch erschienen: "Letzte Meile"

www.mariaknissel.de

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Hallo Maria,

 

da Du ernst wirst:

 

Das die öffentlichen Einrichtungen maulen, hängt damit zusammen, dass sie nicht Vorsteuerabzugsberechtigt sind. Für die wird es also bei 19% wirklich teurer.

 

Der Unterschied 7% / 19% hängt - so habe ich es mir mal sagen lassen - mit den vielen schreibenden Kabarettisten und Comediens zusammen.

Die stellen als Bühnenkünstler 7% in Rechnung und es wäre tatsächlich bescheuert, sie auf 19% zu setzen, nur weil sie aus einem Buch zitieren, dass sie selber geschrieben haben.

 

Wir "normalen" Autorinnen und Autoren sollten uns aus meiner Sicht bei den 19% sehen, denn die wenigsten von uns machen wirklich eine Bühnenshow im Sinne von Theater, Kabarett oder Comedy.

 

Nur meine Meinung

 

Sabine

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Christine Spindler

Ich nehme seit einigen Jahren nur 7% - in Absprache mit unserem Finanzamt. War überhaupt kein Problem. Ich musste nur schriftliche darlegen, wie meine Lesungen ablaufen. Nachprüfbar ist das natürlich nicht, aber ich tue mein Bestes, dem auch gerecht zu werden. Und die Schulen, die ja - wie Sabine schon erwähnt hat - nicht vorsteuerbazugsberechtigt sind, freuen sich. Ich denke, bei Lesungen für Kinder ist man generell näher an Kleinkunst dran ;)

 

Liebe Grüße

Christine

Hört mal rein in meinen Podcast: https://anchor.fm/tinazang

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Ich bin dafür, dass man allen Zuhörern zwei Schilder in die Hand drückt: 19% und 7%. Und am Ende der Lesung dürfen sie dann werten und das entsprechende Schildchen hoch halten. Vielleicht strengen sich dann ein paar der Langweiler-Leseautoren ein wenig mehr an. Obwohl - dann denken sie vielleicht die 19% ist die "bessere" Punktzahl.  8-)

Und im Ernst: Ich nehme grundsätzlich 19%, obwohl ich bei meinen Lesungen die Augen rolle und das Multimediaprogramm abspule. Aber ich habe ehrlich gesagt keine Lust auf Diskussionen und schon gar nicht auf Papierkram mit dem FA.

Ich wüsste gerne, welchen Prozentsatz ein Frank Schätzing für seine "Lesung" nimmt.

 

LG

Elli

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Am besten, man kündigt Lesungen von vornherein in zwei Rubriken an: "19%-Lesungen" und "7%-Lesungen". Dann wäre (nach etwas Verbraucheraufklärung) dem Lesungsbesucher auch von vornherein klar, was ihn erwartet ...

 

 http://wuerziworld.de/Smilies/boewu/boewu20.gif

Bearbeitet von AndreasE
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Hallo!

 

Ich halte es auch so, dass ich 19% auf meine Rechnungen schreibe, hatte aber auch schon den Fall, dass der Veranstalter auf 7% bestanden hat. Dieses Risiko bin ich dann eingegangen (@Maria: War übrigens derjenige, auf dessen Veranstaltung wir mal gemeinsam gelesen haben ;-) )

 

@Tom: Was die Eintrittpreise angeht, so wäre das ja nur Dein Problem, wenn Du die Veranstaltung ausrichten würdest. In der Regel gehe ich irgendwo hin,  lese extrem 7%ig, werde bezahlt und fahre wieder. Wie der Veranstalter dann die Eintrittseinnahmen verbucht, weiß ich nicht, ist mir aber auch ehrlich gesagt nicht so wichtig. Sein Problem. Ich denke aber, dass es auch da besondere Regelungen für Veranstalter gibt (siehe Sonderabgaben KSK etc.)

 

Viele Grüße

 

 

Alf

Bearbeitet von AlfL

"Man muss noch Chaos in sich haben,

um einen tanzenden Stern zu gebären."

Friedrich Nietzsche

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Hallo Alf,

 

über steuerliche Satire und Witze könnte mal ein Buch geschrieben werden - fände vermutlich reißenden Absatz, weil jede® seine eigenen Erfahrungen darin wiederfände...

Aber im Ernst: Ich schreibe seit Jahren bei meinen Lesungen 7% ohne jedes Problem. Allerdings steht auf meinen Rechnungen/Quittungen immer "szenische Lesung" - und die mache ich auch, sogar mit kleinen Requisiten, die zum Text passen.

 

Herzlichen Gruß

 

Eberhard

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Ich sehe das nicht so flapsig-satirisch. Für mich ist das ein Teil des Jobs.

 

Da ich von Anfang an vor allem Lesungen in Kooperation mit Musikern gemacht habe, bin ich seit Jahren mit dieser Frage konfrontiert (und habe dazu hier auch Threads gstartet). Für Musiker sind 7 % vollkommen normal. Das führte bei einigen Veranstaltern, vor allem denjenigen aus der Musikbranche (ich bin mit meinem Leseprgramm bei Musikfestvals aufgetreten) anfangs zu Irritationen. Sie sind 7 % gewohnt und wollten auch mir nicht mehr zahlen. Das war schon vor Jahren. Ich habe mich dann beim Finanzamt erkundigt und erfahren, was hier oben in diesem Thread steht. Und finde diesen Finanzamts-Text keineswegs skurril, sondern nachvollziehbar. Ich habe Autoren erlebt, die in gebückter Haltung an einem Tisch sitzen, in ihr Buch starren und mit monotoner Stimme den Text herunterleiern oder nsucheln, als hätten sie gerade lesen gelernt. Dann gibt es andere, die sind in der Lage, mich allein mit ihrem Vortrag so zu begeistern, dass ich reineweg um des Vortrags Willen zu dieser Lesung gehen würden, einfach, weil es eine Freude ist, zuzuhören. Ich finde schon, dass es da einen Unterschied gibt.

 

Den Unterschied macht es vor allem für die Veranstalter. Denn die Differenz von 12 % kann schon ein Betrag sein, der manch einen kleinen Buchhändler abschreckt, den betreffenden Autor zu einer Lesung einzuladen. Die gehen eh schon ein finanzielles Risiko ein, wenn es sich nicht gerade um hallenfüllende Bestsellerautoren handelt.

 

Ich habe vor einiger Zeit ein Sprechtraining bei einer professionellen Stimmtrainerin, die auch Schauspieler trainiert, absolviert. Das wird vom Finanzamt anerkannt und sichert mir die Anerkennung der 7 %.

 

Gruß Eva

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