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(RainerR)

Erzählperspektive, wechselnde

Empfohlene Beiträge

Liebe Erfahrene,

 

für einen Krimi von rund 400 Seiten möchte ich unbedingt einzelne Akteure im inneren Monolog vorstellen. Nun sind dem aber Grenzen gesetzt, sowohl hinsichtlich meiner Fähigkeit zur sprachlichen und damit sozialen und psychologischen Differenzierung als auch bei der Aufnahmefähigkeit des Lesers.

 

Wäre es vorstellbar, diese Perspektive nur den wichtigsten Akteuren (maximal 6?) einzuräumen und alles andere auktorial zu erzählen? Hat jemand  Erfahrung in dieser Richtung?

 

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Hallo, Rainer,

 

um dir hier etwas Hilfreiches sagen zu können, müsste ich dein Projekt besser kennen. Als erstes frage ich mich: Warum möchtest du so viele Figuren gleich am Anfang "vorstellen"? Warum unbedingt in einem inneren Monolog? Und wie soll dieser Monolog konkret aussehen? Warum willst du alles andere auktorial erzählen (denn damit führst du ja noch eine Erzählinstanz ein, die unter Umständen einen ganz anderen Ton und einen ganz andere Blick auf die Geschichte hat)?

 

Generell glaube ich, als Autor darf man alles - und wenn es gut gemacht und für den Roman wichtig ist, dann wird es auch funktionieren. Vielleicht nicht für alle, aber dessen muss man sich als Autor dann bewusst sein.t

 

Ich kenne viele Geschichten, die aus multiplen Perspektiven geschrieben sind (ein Projekt von mir, das ist später angehen möchte, nutzt dieses Stilmittel auf einer Zeitebene auch). Aber ich kenne keinen Roman, bei dem dieses Stilmittel nur für die Vorstellung einer Figur und für ihren inneren Monolog benutzt wird. Muss natürlich nichts heißen. Aber an deiner Stelle würde ich in mich gehen und diese Punkte genau hinterfragen: Wie? Warum? Was bringt das dem Roman? Kann man das anders lösen? Wenn ja, wird es besser oder schlechter? Oft muss man einige Sachen einfach ausprobieren, dann weiß man, ob das im Text funktioniert.

 

Viele Grüße,
Olga

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Danke, Olga. Asche auf mein Haupt! Mit "vorstellen" meinte ich nicht einführen,sondern darstellen. Im Manuskript laufen drei Stränge zusammen: eine Drogenfahndung des LKA, eine Mordermittlung der Kripo und eine Verschwörung auf hoher politischer Ebene. Ich will einen Mann vom LKA, eine Frau von der Kripo, die Chefin der Verschwörer und zwei andere Personen selbst reden lassen. Nun überlege ich, ob ich gar keinen weiteren Erzähler brauche.

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Wer sind denn die zwei anderen Figuren und warum müssen sie selbst reden? Drei Perspektiven - der Mann, die Frau und die Chefin - das klingt auf jeden Fall gut, damit deckst du deine drei Stränge auch schon ab. Würde ich auch so machen.

Aber was verstehst du unter einem "inneren Monolog"? Und warum brauchst du noch einen auktorialen Erzähler dazu?

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Den inneren Monolog verstehe ich so, wie er Wikipedia erklärt wird. Die beiden anderen Personen sind Schlüsselfiguren, bei denen sich zwei oder alle drei Stränge berühren.

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Ich frage mich ähnlich wie Olga, ob du tatsächlich innere Monologe meinst. Darin wird ja der "Bewusstseinsstrom" einer Figur abgebildet, d.h. die Texte sind gewöhnlich sprunghaft und assoziativ, nicht ordentlich durcherzählt, und das Darstellen äußerer Handlung ist auch nicht ganz einfach. Über längere Strecken durchgehalten kenne ich das nur aus sehr literarischen Texten.

 

Meinst du vielleicht, dass du mehrere Ich-Erzähler verwenden möchtest?

 

Okay, edit: Ich sehe gerade, dass Wikipedia inneren Monolg und Bewusstseinsstrom voneinander unterscheidet, also um nicht weitere Verwirrung zu stiften: Nach der Wikipedia-Definition sind innere Monologe nicht sprunghaft und assoziativ, aber sie geben dennoch das innere Erleben einer Figur wieder, sie erzählen nicht die Geschichte. Darum bleibt für mich die Frage, ob du Ich-Erzähler meinst.

Bearbeitet von BarbaraS
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Danke. Am besten, ich lege mal ein Stückchen Text hin. Lieber wäre es mir, meine Terminologie stimmt nicht, aber der Text geht.

 

„Unser Herr Minister ist ein übler Philister. Geht oft aus dem Büro, dann pisst er.“

Für so etwas muss ich nicht lange überlegen. Das kommt mir einfach. Im Leben gibt es viel Ungereimtes, da freut man sich, wenn ein Reim aufgeht. Ich weiß, neunmalkluge Psychologen rechnen diese Reimsucht zur Witzelsucht, gelehrt „Moria“ genannt, auch „läppische Euphorie“.

Das entspricht dem Trend, immer neue Krankheiten zu erfinden, gegen die man teure, aber mehr oder weniger wirkungslose Medikamente erfindet. Wer sich die Krankheit ausdenkt, macht sich mit einer wissenschaftlichen Veröffentlichung einen Namen, und mit den Medikamenten wird man sogar stinkreich.

Manchmal ist man überarbeitet und braucht ein paar Tage zum Abschalten. Es ist idiotisch, dann von „Burn-Out“ zu reden. Und wer niedergeschlagen ist, ob nach einem Trauerfall oder bloß wegen des schlechten Wetters, der leidet nicht unter Depression und braucht keine Tabletten, sondern Zuspruch und Streicheleinheiten.

Wenn sich ein kluges Kind gegen sozialdemokratischen Unsinn in einer Unterrichtsstunde über Gemeinschaftskunde wehrt und seinem gesunden Bewegungsdrang nachgibt, belässt man es nicht dabei, mit freundlicher Nachsicht von einem „Zappel-Philipp“ zu sprechen. Nein, ein Syndrom muss her, ADHS. Oder eine Störung, eine hyperkinetische.

Alles Unfug! Jedes Kind ist mal unruhig, und es zeugt von der Intelligenz des jungen Menschen, wenn er sich nicht jeden Quatsch anhört.

Mir ist egal, was meine Umgebung von meinen Reimen hält. Niemand muss sie schön finden, und ich will sie auch nicht drucken lassen. Sie helfen mir, meine Erkenntnisse auf den Punkt zu bringen und Stress abzubauen. Wäre es besser, wenn ich diesem unsäglichen Minister ins Gesicht spucke? Na also!

Am Mittwoch voriger Woche saß ich im Vorzimmer dieses Menschen, weil ich ihn für ein Projekt gewinnen wollte, das uns beiden dienen würde, vor allem aber unserem Freistaat, den ich liebte wie ein ungebärdiges Kind. Und dem ich deshalb jemanden wünschte, der ihn mit fester Hand führt. Damit meinte ich nicht den Minister, obwohl ich ihm das einreden musste.

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In Thrillern ist es nicht unüblich, aus mehreren personalen Perspektiven zu erzählen (das schließt ja innere Sichten mit ein), besonders wenn das Geschehen an mehreren Orten gleichzeitig abläuft und erst später die Fäden zusammenfließen. Der Hauptakteur nimmt dabei natürlich den größten Raum ein, aber bei Strangwechsel kann auch aus anderen Sichten erzählt werden. Nur nicht zu viele, das könnte verwirren, und bei Nebenfiguren nicht zu intensiv, denn die interessieren ja nur am Rande.

Bearbeitet von Ulf Schiewe

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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Das ist ein Ich-Erzähler, Rainer. Für mein Gefühl spricht er von Anfang an nicht zu sich selbst, sondern er erklärt sich einem (unsichtbaren, fiktiven) Gegenüber. Und hier wechselte er dann zum ganz klassichen Erzählen:

Am Mittwoch voriger Woche saß ich im Vorzimmer dieses Menschen, weil ich ihn für ein Projekt gewinnen wollte, das uns beiden dienen würde, vor allem aber unserem Freistaat, den ich liebte wie ein ungebärdiges Kind. Und dem ich deshalb jemanden wünschte, der ihn mit fester Hand führt. Damit meinte ich nicht den Minister, obwohl ich ihm das einreden musste.

Mir persönlich gefällt es sehr, wenn Ich-Erzähler ihre ganz eigene Stimme haben, so wie deiner hier, und einen auch mal mit ihren Ansichten zutexten, wie er es zu Anfang macht. Da würde ich höchstens auf die Dosierung achten, vor allem beim Einstieg, damit er nicht wie ein Rundum-Meckerer wirkt, was ihn zumindest in meinen Augen eher langweilig machen würde. Aber das ist natürlich subjektiv, und eigentlich kann man es gar nicht einschätzen, ohne das Projekt besser zu kennen.

 

Die Frage, wie viele unterschiedliche Ich-Erzähler dein Roman verträgt, kannst du eigentlich auch nur selbst beantworten. Wechselnde Stimmen finde ich persönlich sehr reizvoll, andererseits können zu viele Stimmen auch dazu führen, dass der Roman seinen inneren Zusammenhalt verliert. Dazu kommt, dass jeder Ich-Erzähler eigentlich seine eigenen Erzählmotivation und damit auch Erzähllogik braucht (jeder erzählt eine etwas andere Geschichte). Wenn jeder deiner drei Erzählstränge so eine (halbwegs) eigenständige Handlungslogik hat, würde es für mich sehr gut passen, drei Ich-Erzähler auftreten zu lassen. Wenn deine Geschichte dagegen im Wesentlichen auf einem durchlaufenden Spannungsbogen basiert (in den mal eher die eine, mal die andere Figur am stärksten involviert ist), würde ich eher darüber nachdenken, ob du nicht lieber in der dritten Person, personal und multiperspektivisch erzählst, weil es da einfach leichter ist, mit harten Schnitten zu arbeiten.

 

Aber wie gesagt, alles aus dem Bauch heraus und ohne dein Projekt zu kennen …

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"Tannöd" hatte diverse Ich-Erzähler. Aber ich finde das nicht so toll.

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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Danke allen Beantwortern. Ich werde also die drei Stränge mit je einem Ich-Erzähler besetzen und nur einen vierten hinzufügen, der nur an einem wissentlich beteiligt ist und in die anderen hineingerät.

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Das ist ein Ich-Erzähler, Rainer. Für mein Gefühl spricht er von Anfang an nicht zu sich selbst, sondern er erklärt sich einem (unsichtbaren, fiktiven) Gegenüber. Und hier wechselte er dann zum ganz klassichen Erzählen:

Am Mittwoch voriger Woche saß ich im Vorzimmer dieses Menschen, weil ich ihn für ein Projekt gewinnen wollte, das uns beiden dienen würde, vor allem aber unserem Freistaat, den ich liebte wie ein ungebärdiges Kind. Und dem ich deshalb jemanden wünschte, der ihn mit fester Hand führt. Damit meinte ich nicht den Minister, obwohl ich ihm das einreden musste.

Mir persönlich gefällt es sehr, wenn Ich-Erzähler ihre ganz eigene Stimme haben, so wie deiner hier, und einen auch mal mit ihren Ansichten zutexten, wie er es zu Anfang macht. Da würde ich höchstens auf die Dosierung achten, vor allem beim Einstieg, damit er nicht wie ein Rundum-Meckerer wirkt, was ihn zumindest in meinen Augen eher langweilig machen würde. Aber das ist natürlich subjektiv, und eigentlich kann man es gar nicht einschätzen, ohne das Projekt besser zu kennen.

 

Die Frage, wie viele unterschiedliche Ich-Erzähler dein Roman verträgt, kannst du eigentlich auch nur selbst beantworten. Wechselnde Stimmen finde ich persönlich sehr reizvoll, andererseits können zu viele Stimmen auch dazu führen, dass der Roman seinen inneren Zusammenhalt verliert. Dazu kommt, dass jeder Ich-Erzähler eigentlich seine eigenen Erzählmotivation und damit auch Erzähllogik braucht (jeder erzählt eine etwas andere Geschichte). Wenn jeder deiner drei Erzählstränge so eine (halbwegs) eigenständige Handlungslogik hat, würde es für mich sehr gut passen, drei Ich-Erzähler auftreten zu lassen. Wenn deine Geschichte dagegen im Wesentlichen auf einem durchlaufenden Spannungsbogen basiert (in den mal eher die eine, mal die andere Figur am stärksten involviert ist), würde ich eher darüber nachdenken, ob du nicht lieber in der dritten Person, personal und multiperspektivisch erzählst, weil es da einfach leichter ist, mit harten Schnitten zu arbeiten.

 

Aber wie gesagt, alles aus dem Bauch heraus und ohne dein Projekt zu kennen …

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Vielen Dank, die Empfehlung „dritte Person, personal und multiperspektivisch" war genau das Richtige für mich. Ich antworte erst heute, weil ich den gesamten Text umgearbeitet habe.

Im Augenblick sehe ich bei zwei Fragen nicht durch:

1. Wenn die ein Kapitel in dritter Person dominierende Figur einen Hustenanfall vortäuscht, um Zeit für die Beantwortung einer verfänglichen Frage zu gewinnen, möchte ich dem mündigen Leser vertrauen und einfach schreiben: „Er hustete laut und lange, ehe er antwortete.“ Ist das okay?

2. Wichtiger ist für mich dies: Wenn die Figur sich fragt, ob die Gesprächspartnerin lügt, schreibe ich dann: „Er fragte sich, ob sie schon wieder log." Oder einfach: „Log sie etwa schon wieder?" Sollte ich dann in einem Kapitel bei dieser oder jener Distanz bleiben, oder ist ein Wechsel möglich?

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Man kann die Distanz immer wechseln - wenn man weiß, warum :) und was man damit erreichen möchte.

Ein plötzlicher Bruch der bis dahin konstanten Nähe (oder Distanz) irritiert mich persönlich, wenn er keinen Grund hat, ist aber ein schönes Mittel, um die persönliche Betroffenheit/ Emotionalität der betreffenden Figur zu betonen.

Wobei ich das, was du als Beispiel nennst, nicht verwende, um Nähe oder Distanz zu regulieren, sondern, um festzustecken, welcher Art der Gedanke ist. "Log sie etwa?" setze ich als flüchtigen, spontan aufgekommenen Gedanken, während ich die Formulierung mit "fragte sich" dann nutze, wenn die Figur sich den Gedanken bewusst stellt. Das "fragte sich, ob ..." ist quasi die zeit, in der die Figur sich die Frage innerlich formuliert.

(Wobei die meisten Leser so etwas wohl höchstens unterbewusst wahrnehmen.)

 

Aber da hat jeder wohl seinen eigenen Stil.

 

Zu deiner ersten Frage: Natürlich kannst du das so machen. Das zeigt mir, dass der diesen Hustenanfall einfach schnell und ohne eine Überlegung vortäuscht und keinen weiteren Gedanken daran verschwenden muss, wie er sich die benötigte Zeit verschaffen kann. 

 

Liebe Grüße

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Danke sehr, JenniferB. Die Differenzierung zwischen spontanem Gedanken und bewusster Überlegung ist überzeugend. Als Leser habe ich das bestimmt schon oft so empfunden, aber mir nicht bewusst gemacht, so dass ich es beim Schreiben nicht umsetzen konnte. Grüße zurück.

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Großartige Beispiele für geschickte Perspektiven aller Art (Ich, Du, personal, auktorial, er sie es, sie ...) bietet übrigens jeder Thriller von Zoran Drvenkar.

Da findet sich wirklich alles und auf jede Frage - warum macht er jetzt DAS? - gibt es eine Antwort.

 

Kann ich sehr empfehlen.

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Danke und nanu! Auf diesen Namen bin ich in meiner nunmehr 35-jährigen Arbeit als Krimirezensent der "Sächsischen Zeitung" noch nicht gestoßen. Übers Wochenende werde ich dem nachgehen.

 

Nachtrag: "Du bist zu schnell" war interessant wegen der originellen Schilderung einer Psychose. Die wechselnden Ich-Erzähler fand ich sprachlich nicht differenziert - man sollte doch an wenigen Sätzen erkennen, wer da spricht. Ich kann nicht beurteilen, ob die Übersetzung die Unterschiede in der Diktion eingeebnet hat.

Bearbeitet von RainerR
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