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Sabine

Der Protagonist als Täter

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Was wäre mit Amnesie? Wenn die Tat die Täterin selbst dermaßen schockt, dass sie abgespalten und so verdrängt wird wie z.B. das Unfallgeschehen. (Eine Kollegin fuhr als junge Frau mit dem Motorrad gegen einen Betonpfeiler und hatte danach sehr zu kämpfen, wieder gehen zu können. Sie erinnert sich bis heute nur daran, diese Fahrt angetreten zu haben, nicht jedoch an den Unfall selbst).

Man kann sich selbst täuschen und schützen, ohne dass man gleich krank sein muss.

 

Ich habe vor ein paar Jahren  eine Kurzgeschichte geschrieben, in dem die Ich-Erzählerin gemordet hat, am Schluss allerdings und man erfuhr ihre Gedanken durch Tagebucheinträge. Da steht natürlich nicht immer alles drin, somit nimmt der Leser auch Lücken in Kauf. Am Ende gesteht die Täterin, indem sie frei erzählt, dass es einen Zeugen zu beseitigen gibt.Ob ihr das gelingen wird, bleibt offen, weil der Zeuge auch ein indirekter Mittäter ist.

Derzeit in Schreibpause... mit immer wieder Versuchen, dieses Sumpfloch zu verlassen

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Genauso eine Geschichte habe ich gelesen.  Deck: Viviane von Élisabeth Fauville: Élisabeth will wissen, wer ihren Psychoanalytiker getötet hat. Sie verliert sich in Straßen, recherchiert, lauert den Verdächtigen auf, sie fragt und forscht, das Baby immer im Arm. Sie selbst hat ein Alibi, hat sich mit der Mutter getroffen. Dann entdeckt die Polizei, dass ihre Mutter seit acht Jahren tot ist. Zum Ende kommt heraus, die Protagonistin ist der Möder.

Ich fand das Buch sehr gut, zeigt die Hintergründe der psychischen Erkrankung, blättert ganz langsam auf, irgendetwas stimmt nicht mit der Frau. Baff, am Ende: Sie ist die Täterin. Tolles Buch, gerade weil es anders ist, gerade weil es anspricht, worüber man sonst nicht reden mag. Ich weiß aber von anderen, dass sie sauer waren ... deswegen. Man kann es nicht allen recht machen. Ich liebe solche Bücher!

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Die einzige Schwierigkeit bei einem Prota als Täter liegt in der Leseridentifikation mit der Protagonistin. Da sollte der Autor immer wissen, wie das funktioniert. Eine Entschuldigung für böse Taten ist dann immer der leichteste Weg und deshalb auch ein gefährlicher. Der Leser muss diese Entschuldigung ja nicht unbedingt annehmen. "Ach nee, schon wieder eine unglückliche Kindheit."

 

Übrigens, das Parfüm habe ich nicht bis zum Ende gelesen. Ich bin vor Langeweile weggestorben, weil der Protagonist mich nie einfangen konnte. So etwas passiert halt und soll keine Kritik an der Qualität des Buches sein.

 

Liebe Grüße

Wolf

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Filmtipp: Zu vielem, was in diesem Thread diskutiert wurde, ist "Shutter Island" von Martin Scorsese sehr aufschlussreich. Kommt heute auf RTL 2.

 

Gutes Beispiel. Bei der Geschichte bleibt ordentlich was hängen, gerade weil ... (will nicht spoilern ;))

 

 

Gestern hab ich mir mit dem Wissen um die Auflösung "Shutter Island" zum zweiten Mal angesehen und dann erst merkt man, wie raffiniert den ganzen Film hindurch praktisch jeder einzelne Satz daraufhin konstruiert ist, beide Varianten der Geschichte zu bedienen: die, die man vor sich zu haben glaubt, und die, die sich am Ende als die wirkliche entpuppt. Toll gemacht!

Bearbeitet von AndreasS
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Gestern hab ich mir mit dem Wissen um die Auflösung "Shutter Island" zum zweiten Mal angesehen und dann erst merkt man, wie raffiniert den ganzen Film hindurch praktisch jeder einzelne Satz daraufhin konstruiert ist, beide Varianten der Geschichte zu bedienen: die, die man vor sich zu haben glaubt, und die, die sich am Ende als die wirkliche entpuppt. Toll gemacht!

 

 

Das ist auch der Grund, warum ich mir damals Sixth sense zwei Mal im Kino angesehen habe. 

Aber bei Shutter Island ist es ja nicht so, dass der Protagonist der Täter ist (soweit ich das in Erinnerung habe), weshalb das Publikum nicht verärgert ist, wenn es am Ende die Wahrheit erfährt.

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Habe vor ein paar Tagen einen amerikanischen Film gesehen, in dem ein Anwalt der Protagonist war, dessen Mandant (Sohn von einer guten Freundin des Protagonisten)

seinen eigenen Vater ermordet haben soll.

 

Die Handlung war gut, die Schauspieler waren gut, die Atmosphäre war gut - aber der Film hat mich überhaupt nicht gepackt, aber ich wusste nicht warum nicht.

 

Am Ende war es mir dann klar: Da der Protagonist selbst der Täter war, hat einen der Film nie wirklich in den Kopf des Protas gucken lassen (weil das ja sonst am Ende völlig unglaubwürdig gewesen wäre, wenn er dann trotzdem der Täter gewesen wäre). So gab es zwar diesbezüglich keine Widersprüche und es war auch alles glaubwürdig,

aber man konnte halt nie mit dem Prota mitfiebern, und darum hat einen das Ganze auch überhaupt nicht gepackt - was sehr schade war, weil die Handlung ansich und die sonstigen Figuren das eigentlich locker hergegeben hätten. Ich liebe zwar überraschende Auflösungen - und die gab es hier -, aber wenn es einem 90 Minuten vorher eigentlich ziemlich egal ist, kann die Auflösung es dann auch nicht mehr rumreißen.

 

Ich halte vom Protagonisten als Täter in den allermeisten Fällen wenig, weil ich da eigentlich nur vier Sorten von kenne:

 

1. Man weiß von Beginn an, dass er der Täter ist: Finde ich persönlich in Krimis und Thrillern völlig langweilig.

2. Man soll es nicht wissen und wird deshalb so weit von den wirklichen Gedanken des Protas weggehalten, dass man überhaupt nicht mitfiebern kann (wie in dem Film).

3. Man soll es nicht wissen, kann aber trotzdem in die (vermeintlichen) Gedanken reingucken: Dann fühle ich mich am Ende komplett verschaukelt, weil dann klar wird, dass das gar nicht die wirklichen Gedanken waren und alles keinen Sinn ergibt.

4. Der Protagonist weiß selbst nicht, dass er der Täter ist, weil er psychisch krank ist (multiple Persönlichkeiten o.ä.). Wenn das gut gemacht ist, finde ich das super,

aber leider kommt man meistens schnell dahinter.

Bearbeitet von MichaelT
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"The White Tiger" von Aravind Adiga ist zwar kein Thriller, aber auch hier ist der Protagonist der Täter, was er recht früh schon bekannt gibt: er hat seinen Master getötet und es tut ihm nicht mal leid. Ich als Leserin schwanke zwischen Sympathie und Antpathie für den Protagonisten Balram, denn einerseits ist seine Handlung aus der Geschichte seiner Herkunft und seiner Darlegung der indischen Gesellschaft sehr verständlich, andererseits agiert er in manchen Fällen sehr skrupellos und egoistisch - aber das muss er wohl, wenn er sein Ziel: aus dem "dunklen Indien" zu entkommen - erreichen will. LG Barbara

Jedenfalls bleibt die Tatsache, dass es im Leben nicht darum geht, Menschen richtig zu verstehen. Leben heißt, die anderen misszuverstehen ... Daran merken wir, dass wir am Leben sind: wir irren uns. (Philip Roth)

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Olivia Kleinknecht

Der Film Ermittlungen gegen einen über jeden Verdacht erhabenen Bürger (Original: Indagine su un cittadino al di sopra di ogni sospetto von Elio Petri aus dem Jahr 1970 verarbeitet dieses Thema faszinierend. Der Protagonist, der seine Geliebte tötet, ist Polizist, und ermittelt dann auch noch ausgerechnet in dem Fall. 

https://de.wikipedia.org/wiki/Ermittlungen_gegen_einen_%C3%BCber_jeden_Verdacht_erhabenen_B%C3%BCrger

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Liebe Sabine,

 

ein spannendes Thema. 

Ich glaube, ich habe nur ein Buch gelesen, bei dem der Ich-Erzähler gleichzeitig der Täter war. Ich erinnere mich nicht mehr an den Titel, an den Autor, ich weiß gar nicht mehr, worum es da ging. Aber ich erinnere mich sehr gut an die maßlose Enttäuschung am Ende des Romans, weil ich mir damals echt verar*t vorkam. Vielleicht war das Buch einfach nur schlecht, wer weiß. Aber wenn ich die grundlegende Konstellation analysiere, so würde ich persönlich keinen unzuverlässigen Ich-Erzähler bei einem Krimi/Thriller nehmen. Als Leserin möchte ich bei dieser Art von Büchern gern miträtseln, den Fäden folgen, den Ermittler quasi selbst spielen. Und ich möchte eine faire Chance haben, Erfolg zu haben. Diese faire Chance bekomme ich bei einem unzuverlässigen Ich-Erzähler wohl eher nicht.

 

ABER: Ich habe nichts dagegen, wenn der Protagonist der Täter ist. Das ist wirklich eine tolle Wendung! Mein Vorschlag: personal schreiben. Dann war der Erzähler halt nicht dabei, wenn der Protagonist dies oder das getan hat. Vielleicht waren diese Momente aus einer anderen Sicht beschrieben - ich habe als Leser dann alle Informationen, aber ich komme eben nicht darauf, dass der Protagonist der Täter ist. Und ich fühle mich dann nicht verar*t - sonder denke mir WOW. Klar, dass der Protagonist das getan hat, da waren deutliche Hinweise im Text. Ich habe sie nur nicht gemerkt.

 

Ich hoffe, du weißt, was ich meine.

 

Liebe Grüße,

Olga

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Zwar ist der Beitrag schon etwas älter, aber das Thema ist für mich noch immer aktuell.

 

wenn ich die grundlegende Konstellation analysiere, so würde ich persönlich keinen unzuverlässigen Ich-Erzähler bei einem Krimi/Thriller nehmen. Als Leserin möchte ich bei dieser Art von Büchern gern miträtseln, den Fäden folgen, den Ermittler quasi selbst spielen. Und ich möchte eine faire Chance haben, Erfolg zu haben. Diese faire Chance bekomme ich bei einem unzuverlässigen Ich-Erzähler wohl eher nicht.

Das war bisher auch meine Befürchtung, ob sich der Leser dann nicht vergaukelt vorkommt. Doch heute habe ich das Buch "Ich bin böse" von Ali Land fertig gelesen und denke, dass es doch sehr gut funktionieren kann. Das Buch wurde in der Ich-Perspektive geschrieben. Man spürt, dass sie etwas verbirgt, aber man weiß nicht genau was. Das wiederum machte das Buch spannend und zum miträtseln. Hatte sie vielleicht doch ihre Finger mit im Spiel, was genau hat sie getan, was verbirgt sie, ...

Ich glaube sogar, ich wäre nicht einmal enttäuscht gewesen, wenn ich diese Vermutung nicht gespürt hätte, sondern wenn mich die Protagonistin am Ende des Romans damit überrascht hätte. Es wäre ein Schock und würde mir eine Weile zu denken geben, aber genau das ist es ja, was man damit beim Leser bewirken will.

Bearbeitet von Sabine
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Ich habe ein solches Buch geschrieben,und bisher hat sich kein Leser beschwert.

Krimis, Liebe und Mehr.

www.ilonaschmidt.com

Translations, Lektorat & Exposé Coaching

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Mir fällt gerade kein Roman ein, in dem der unzuverlässige Erzähler schlussendlich selbst der Täter war - aber ich kenne einen sehr guten Roman, in dem das gesamte Konzept der Erzählung darauf aufbaut, dass der Erzähler unzuverlässig ist. Und zwar in Peter Straubs Roman "Lost boy lost girl". Straub ist überhaupt sehr gut darin, mit der Erwartungshaltung des Lesers zu spielen und literarisch zu unterlaufen. 

Mich hat der Roman bis zum Schluss in die Irre geführt, bis zum letzten Wort. Erst, als ich nach der letzten Seite abkühlte und einzelne Informationen richtig einordnete, begann ich zu verstehen, was Straub wirklich erzählen wollte. Das Buch ist voller versteckter Hinweise, und erst, wenn man all das hat sacken lassen, legt sich die Konsequenz der Erzählweise wie eine eisige Hand ums Herz.

 

Der Vertrag zwischen Autor und Leser, der in diesem Thread öfters zitiert wurde, besteht meiner Meinung nach in erster Linie darin, die Geschichte bestmöglich zu erzählen. Und da kann man als Schriftsteller einfach alles nutzen, jeden Trick, jeden Kniff, jede literarische Methode, jede Stiltechnik. Am Ende muss ein Roman herauskommen, den man nur so, und nicht anders erzählen kann.

 

Oder, wie ein Kritiker in seiner Rezension zu Gabriel Garcia Marquez´ Buch "Chronik eines angekündigten Todes" anmerkte: Da steht jedes Wort mit voller Berechtigung an seinem Platz.

 

Liebe Grüße,

Peter

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Ich finde schon, dass es wichtig ist, dass keine Gedanken oder Handlungen der Figur verfälscht werden, nur, um den Leser auf die falsche Fährte zu locken.

Wenn ich am Ende weiß, dass der Protagonist der Täter war, will ich das noch mal durchgehen können, ohne Stellen zu finden, wo ich denke: "Hä, das kann der doch so gar nicht gedacht haben" oder "Das Handeln ist doch jetzt völlig unlogisch."

Das ist nicht einfach, das so zu machen, dass das am Ende alles authentisch und stimmig ist und trotzdem der Leser vorher nicht drauf kommt.

 

Die Alternative wäre, das Anlügen und Täuschen mit in die Handlung einzubauen.

Also, dass z.B. im ersten Kapitel eine Figur ein Buch, ein Manusript, Briefe, E-Mails o.ä. bekommt und der Leser die dann praktisch mit der Figur liest.

Wenn man das dann gut einbaut (also so, dass das wirklich Sinn macht und in die Handlung passt), kann die Figur aus den Texten bewusst täuschen und lügen, weil sie dann nicht den Leser direkt anlügt, sondern die Figur, die die Texte bekommen hat.

Das hab ich schon in der Art gelesen und hat super funktioniert.

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Wenn man sowas schreibt, arbeitet man viel mit Aussparungen. Man erwähnt einfach gewisse Dinge nicht, dadurch hat man auch nicht gelogen.

Zudem lässt sich vieles mit Zweideutigkeiten lösen. Die Figur sagt es dem Leser immer wieder, nur münzt der es jedes Mal falsch. In Alibi hat Agatha Christie das bravourös gemacht.

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Für mich persönlich ist es spannender, wenn der Täter keine irgendwie geartete psychische Störung hat, die ihn die eigene Täterschaft vergessen/nicht bewusst werden lässt. Ich selbst würde beim Schreiben also folgendes beachten:

 

- man braucht einen zusätzlichen auktorialen Erzähler, der emotionslos beschreibt, was er sieht (wie eine Kamera, die alles aufnimmt, aber nichts interpretiert, dadurch "sieht" der Leser nicht alles)

- sobald man sich im Kopf des Täters befindet, ist das Wissen um die Täterschaft da, man muss sie also durch bewusste Zweideutigkeit verschleiern (wie in oben zitiertem Beispiel von Agatha Christie - "... ich tat, was getan werden musste.")

- wenn der Täter bewusst täuscht, dann immer eine Figur im Roman (niemals den Leser), z.B. durch Fehlaussagen, mündliches oder schriftliches Legen falscher Fährten usw.

- gleichzeitig muss der auktoriale Erzähler einen oder mehrere vermeintliche Täter aufbauen

- im Kopf des Täters kann man diese vermeintlichen Täter dann auf die Täterschaft hin prüfen, bis sich später glaubhaft herausstellt, dass es sich hier um Überlegungen gehandelt hat, wie am besten falsche Fährten zu legen wären ("... als Müller hereinkommt, scheint er mir tatsächlich etwas blass um die Nase, und ja, ist er nicht um die fragliche Zeit ebenfalls in der Nähe des Tatorts gesichtet worden? ...", d.h. der Täter könnte Müller nun in Interaktion mit einer anderen Romanfigur fröhlich weiter denunzieren: "... Hat er nicht erst letzte Woche einen heftigen Streit mit seiner Frau gehabt, frage ich in die Runde und ernte betretenes Schweigen ...")

- man darf den Täter nicht zu viel reflektieren, sondern die Situation nur analysieren lassen, das tut er in seinem eigenen Interesse, ohne dass der Leser diese Motivation erkennt (wenn also "Psycho", dann Psychopath - als solcher könnte er das ermordete Hascherl dann noch kräftig bedauern, zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen zu sein)

 

Das wären so meine Überlegungen ...

Bearbeitet von KerstinH
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Wenn man sowas schreibt, arbeitet man viel mit Aussparungen. Man erwähnt einfach gewisse Dinge nicht, dadurch hat man auch nicht gelogen.

 

 

Das finde ich sehr unelegant, um es höflich auszudrücken. 

Genau das kann der geneigte Leser - zu Recht - am Ende in einen Vorwurf packen: einfach Sachen weglassen, damit es am Ende aufgeht. 

Hier ragt die Konstruktion sichtbar wie ein Skelett aus dem Roman hervor. Auf den Effekt gebaut, nicht auf die Glaubwürdigkeit. Das Buch wäre von Beliebigkeit bestimmt. Nicht von erzählerischer Notwendigkeit.

 

Davon abgesehen gibt es auch noch den Protagonisten als Täter, den man offen führt, was auch einen großen Reiz entfaltet, u. a. da wir - wider Willen? - zu seinen "Komplizen" werden. Von "Nur die Sonne war Zeuge" bis hin zu "Breaking Bad". Wobei interessanterweise "Nur die Sonne war Zeuge" um ein Vielfaches gewagter war als "Breaking Bad".

Aber auch diese Erzählweise folgt durchaus bestimmten Regeln, damit die Nummer aufgeht.

 

Schöne Grüße,

 

Holger

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Wenn man sowas schreibt, arbeitet man viel mit Aussparungen. Man erwähnt einfach gewisse Dinge nicht, dadurch hat man auch nicht gelogen.

 

 

Das finde ich sehr unelegant, um es höflich auszudrücken.

Genau das kann der geneigte Leser - zu Recht - am Ende in einen Vorwurf packen: einfach Sachen weglassen, damit es am Ende aufgeht.

Hier ragt die Konstruktion sichtbar wie ein Skelett aus dem Roman hervor. Auf den Effekt gebaut, nicht auf die Glaubwürdigkeit. Das Buch wäre von Beliebigkeit bestimmt. Nicht von erzählerischer Notwendigkeit.

Vielleicht verstehst du unter Aussparungen was anderes wie ich. Du brauchst nur mal den Film Sixth Sense analysieren, dann siehst du, was da alles ausgespart wird.

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Sixth Sense ist für mich der gelungenste Twistfilm. Ich fand ihn um Längen besser als Fight Club. Lag aber nicht unbedingt an der Wendung, sondern am ganzen Geschehen im Film, das hat mich ziemlich gelangweilt.

Aber auch Fight Club hat ausgespart.

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Fight Club und Sixth Sense machen das quasi auf dieselbe Art.

Nur das die Andeutungen bei Fight Club etwas offensiver sind. Mir war das recht schnell klar, daher war der Film für mich nach einer knappen dreiviertel Stunde "durch" und die Spannung weg.
Bei Sixth Sense hatte ich keinen Schimmer - der hat mich wirklich überrascht.

 

Wenn man den entsprechenden Hinweis übersieht, mag Fight Club handwerklich gelungener wirken - aber auch nur dann. Der geht halt ein einer Stelle ein großes Risiko ein.
Aber prinzipiell funktionieren die sehr ähnlich.

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Aussparung bedeutet ja nichts anderes, als dass man den Leser in eine Richtung schubst und der denkt sich den Rest dazu, ohne dass er sich etwas dabei denkt. In der Regel aus Gewohnheit. Nach dem Motto, vervollständige diesen Satz: Ach du heilige Sch...

Klar, wenn man die Absicht des Autors kennt, dann wird man den Satz bewusst nicht mit dem braunen Wort vervollständigen, aber wenn man nicht darum weiß, tut man es. Bei Sixth Sense fand so eine Vervollständigung direkt nach dem Prolog statt.

Für mich hat das nichts unelegantes, sondern man spielt bewusst mit den Gewohnheiten des Lesers bzw. Zuschauers.

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Liebe Sabine,

 

ich verstehe. Dann nehme ich mal das "unelegant" zurück, weil man das erst beurteilen kann, wenn der jeweilige Text vor einem liegt. Es hängt für mich tatsächlich davon ab, wie diese Aussparungen eingesetzt werden.

 

"The Sixth Sense" fand ich einen schönen Film. Aber die Prämisse war mir durch den Trailer klar: "Ich kann tote Menschen sehen". Also, nahm ich an, ist Bruce Willis tot. War dann ja auch so. Und dann kommt man zu Szenen, in denen Bruce Willis mit seiner Frau an einem Tisch sitzt, wenn ich mich richtig erinnere. Als Zuschauer merkt man, dass diese Szene "hölzern" ist oder "kalt". Man strauchelt, weil man merkt, dass die zwei sich merkwürdig verhalten oder zumindest die Frau. Denn sie reagiert nicht auf ihn.
Und hier wird es für mich "unelegant". Der Charakter von Bruce Willis müsste hier bemerken, dass etwas absolut nicht stimmt. Er kennt seine Frau. Der Film spielt uns aber vor, dass er es darauf beruhen lässt. Und das nehme ich ihm nicht ab.
Warum ist das so? Weil die Regie hier dem Bedürfnis des Effekts folgt und nicht dem Bedürfnis der Figur. 

Schöne Grüße,

Holger

Bearbeitet von Holger
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