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Alf

Vom "Beat" zum "Akthöhepunkt" - Literaturtipps?

Empfohlene Beiträge

Hallo miteinander,

 

ich arbeite gerade "Story" von Robert McGee durch, und nutze das gewonnene Wissen auch dazu, um meinen aktuellen Roman zu plotten. Natürlich ist das ein Ratgeber für Drehbuchschreiber, und doch erscheint es mir, als ob ein Großteil auch für Romanautoren eine entscheidende Unterstützung ist.

 

Das Aktschema, zum Beispiel. Immer wenn ich davon gehört habe, dachte ich mir "Bäh! Formelhaft! Machen wir mal lieber nicht." McGee jedoch beschreibt auf so bestechende Weise, wie ein gut genutzte Aktschema das Gegenteil von formelhafter Vorhersehbarkeit bedeutet, dass ich mich unbedingt näher damit beschäftigen möchte. Auch habe ich mir meine Lieblingsfilme unter der "Aktstruktur"-Brille angesehen, und konnte auf diese Art endlich eine Sprache dafür finden, warum ich zum Beispiel "Der weiße Hai" so abgöttisch liebe (und mir die Nägel abkaue, obwohl ich doch GENAU weiß, was wann passiert.)

 

Allerdings wird in "Story" eher abstrakt über die Aktstruktur gesprochen, unterlegt mit ein paar wenigen Beispielen. Gibt es denn Werke, die tiefer in die Materie eintauchen und gleichzeitig die zeitgenössischen Strömungen der Dramaturgie berücksichtigen? (Was ich damit meine: Weniger die Klassiker von Aristoteles und Co, sondern moderne Betrachtungen der Methode) Toll fände ich es auch, wenn man irgendwo Analysen von Film- und Romanklassikern finden könnte, die ein Werk tatsächlich auf seine Aktstruktur hin untersucht, auf Plots, Subplots, deren Höhepunkte und Wendepunkte. Gibt es sowas?

 

Fragt, begierig darauf, noch tiefer in diese faszinierende Welt einzutauchen,

 

der Alf :)

 

Ciao!

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Sebastian Niedlich

Ich glaube, zu verschiedenen Schreibratgebern wurde hier schon öfter was geschrieben. Gerade was Drehbücher angeht, ist in den letzten Jahren viel auf den Markt gekommen und kann natürlich auch auf "normale" Bücher angewendet werden. Trotzdem muss man auch diese ganzen Bücher hinterfragen, weil da doch zu sehr "formelhaft" gedacht wird. Ich persönlich finde es allerdings immer anregend mal einen Blick hinein zu werfen. Die Inspiration schlägt trotzdem zu.

 

Hier mal ein paar Favoriten von mir:

 

"The Writer's Journey" oder zu deutsch "Die Odyssee des Drehbuchschreibers" von Christopher Vogler ist meiner Meinung nach das eine Buch zu dem ganzen Thema, das man gelesen haben sollte. Er orientiert sich sehr stark an Joseph Campbells "Der Heros in tausend Gestalten", ist aber wesentlich leichter verständlich und bringt auch ein paar Beispiele aus der Filmwelt.

 

"Making A Good Script Great" oder zu deutsch "Das Geheimnis guter Drehbücher" von Linda Seger dreht sich auch wieder hauptsächlich um Drehbücher, aber auch dort wird darauf eingegangen, warum manche Filme so gut funktionieren.

 

"Save The Cat!" und die Fortsetzungen "Save The Cat Strikes Back" & "Save The Cat Goes To The Movies" von Blake Snyder drehen sich ebenfalls hauptsächlich um Filme. Vorsicht! Die Bücher sind SEHR umstritten und manche sagen, dass sie Hollywood noch blöder gemacht hätten. Ich finde, dass man gerade bei diesen Büchern nur Teile für sich in Anspruch nehmen sollte, aber - wie schon erwähnt - sie sind als Anregung gut zu gebrauchen. Gerade das letzte Buch "STC goes to the movies" beinhaltet nichts anderes als Analysen bekannter Filme im Hinblick auf die von Blake Snyder vorgeschlagenen Strukturen. Also wahrscheinlich am ehesten das Buch, was Du suchst. Aber natürlich sollte man dazu wenigstens das erste Buch gelesen haben, um zu wissen, von was er eigentlich spricht.

 

"20 Masterplots" von Ronald B. Tobias zeigt genau auf, wie verschiedene Plotarten funktionieren. Auch hier ist wieder Vorsicht angebracht. So ein bißchen geistige Mitarbeit ist gefragt und man sollte nicht alles so nehmen, wie es kommt. Aber auch dieses Buch hilft einem vielleicht dabei, aus einer verfahrenen Situation zu kommen.

 

 

Aber ganz egal, was alle sagen: Im Grunde läuft alles auf dasselbe hinaus. Und deswegen hat vor einiger Zeit mal ein Kerl namens Robert Carlson eine Übersicht über sämtliche Story Strukturen online gestellt. Darauf finden sich z.B. auch die bereits angesprochenen Herren McKee, Snyder, Vogler... ich hab das mal hier eingebunden und hoffe es wird ordentlich angezeigt.

 

 

 

 

http://i.imgur.com/FB46JOs.jpg

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Sebastian Niedlich

Der Hinweis sei noch erlaubt:

Das ist bei Romanen natürlich alles so eine Sache. Da Romane momentan mehr und mehr wie nur noch nicht produzierte Filme angelegt werden, haut das mit dieser Struktur natürlich irgendwie hin. Aber wenn man das mal mit Klassikern wie "Robinson Crusoe", "Der Graf von Monte Cristo", "Krieg und Frieden" etc. vergleicht, hinkt das alles etwas.

Die Filmversionen der angesprochenen Klassiker sind natürlich irgendwie in diese Struktur gepresst worden, z.T. weil man ganze Nebenhandlungen oder auch 2/3 der Haupthandlung weggelassen hat. (Mir ist z.B. keine filmische Adaption von "Robinson Crusoe" bekannt, die wirklich das ganze Buch adaptiert. Nur jeweils so ca. 1/3.)

 

Mit anderen Worten: Im Buch kann man natürlich viel mehr herumexperimentieren und die Leser verzeihen das eher, als z.B. im Film.

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Sehr cool, Sebastian!

 

Ich arbeite sehr gerne mit Joachim Hammans "Die Heldenreise im Film". Ist ein wenig dogmatisch, aber damit komme ich klar. Ich habe noch die alte Ausgabe von 2007 und überlege ernsthaft, ob ich mir die teure aktualisierte Neufassung kaufen soll.

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Oh wow, allerbesten Dank!

 

Es ist wahrscheinlich wirklich hilfreich auch ein paar andere Werke zu dem Thema zu lesen, andere Blickwinkel kennen zu lernen, und zu gucken, welche Ideen am besten zu der eigenen Wahrnehmung passen. Außerdem möchte ich nicht nur ein Drehbuch-Buch gelesen haben - es gibt ja nicht umsonst dem Spruch "Wer nur die Chemie versteht, versteht auch die nicht" (Keine Ahnung von wem das Zitat ist, aber das hat mal mein alter Deutschlehrer zu mir gesagt, und seitdem geistert mir das durchs Hirn)

 

Ich finde besonders die Beschränkung auf strukturelle Klarheit gerade ein sehr hilfreiches Tool - ich neige beim Plotten dazu, zu viel zu planen, und wenn dann beim Schreiben alles zum Leben erwacht, muss ich manchmal schon gewaltsam die Schere auspacken, um wildwuchernde Story-Tentakel abzuschneiden. Ich möchte einfach mal im Aktschema plotten (wenn ich dann losschreibe, wird da erfahrungsgemäß eh kaum ein Stein auf dem anderen bleiben).

 

Allerdings ist es gar nicht so einfach, ein Gefühl dafür zu bekommen, was denn nun Akt und was Szene und was ein Subplot ist, usw.. Habe gestern "Rosemary´s Baby" gesehen, und versucht die Szenen und Wendepunkte zu identifizieren, Subplots und Akt-Höhepunkte. Das ist wesentlich schwerer, als man sich das beim Lesen der Theorie so vorstellt, und identifizieren konnte ich da nicht so viel. Wahrscheinlich sollte ich das nochmal versuchen und mich dabei mit Zettel und Stift hinsetzen. Allerdings macht der Film so viele Dinge so gut, dass man da wohl eine ganze Doktorarbeit darüber schreiben könnte. Und eigentlich wollte ich lieber an meinem eigenen Buch weiterarbeiten ;D

 

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Ich fand "Fiktionales Schreiben" von Ron Kellermann immer sehr hilfreich. Kellermann orientiert sich auch an Drehbüchern und bringt viele Beispiele klassicher Filme, geht aber auch auf neuere, moderne Filme ein, die die Aktstruktur vordergründig vermissen lassen, und zeigt auf, wie deren Wendungen funktionieren. Insgesamt werden viele Fragen gestellt und sehr eindrücklich zu vermitteln versucht, was "Geschichtenerzählen" bedeutet und damit auch für Kurzgeschichten oder Romane gültig ist.

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Ich kann noch "Dramaturgie des Films - Wie Holywood erzählt" von Michaela Krützen empfehlen.

 

Die Autorin geht nicht vom Drehbuch aus, sondern vom fertigen Film. Ihr Hauptbeispiel ist "Das Schweigen der Lämmer", diesen Film nimmt sie auch sehr genau auseinander (mit Sequenzprotokoll). Daneben bringt sie aber auch noch viele andere Beispiele, viel mehr als bei "Story".

Komm wir essen Opa.

SATZZEICHEN können Leben retten.

www.mcpoets.de

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Grundsätzlich kann man aber die Dramaturgie des Films (trotz mancher Ähnlichkeiten, klar) nicht hundertprozentig auf Romane übertragen. Es sind nun mal unterschiedliche Medien, und Romane zeichnen sich oft gerade dadurch aus, dass sie ihre jeweils ganz eigene Struktur entwickeln. In meinem Roman "Herr aller Dinge" zum Beispiel gibt es zum Beispiel fünf große Handlungsabschnitte; darauf würden sich die ganzen "Story-Strukturen" nur nach der Methode Prokrustes anwenden lassen. Oder, noch weitaus krasser (und ohne mich vergleichen zu wollen), der Roman "Beloved" (deutsch: "Menschenkind") von Toni Morrison: Da rätsle ich immer noch herum, welche Struktur diese Geschichte eigentlich hat – eine Art "spiralförmige", denke ich, die sich um ein zentrales Motiv herum windet bis zum Schluss. So etwas kann man nicht entwerfen mit einer Syd-Field-Brille auf der Nase.

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Ich habe mich immer gegen Plotmodelle gesträubt und sie auch nie bewusst befolgt, weil ich denke, eine Geschichte sollte sich organisch entwickeln. Aber bestimmte Elemente finden sich in den meisten Geschichten, die funktionieren, wieder. Ich denke inzwischen, dass Plotmodelle durchaus hilfreich sein können. Mir sagt vor allem die Sieben-Punkte-Struktur von Dan Wells zu. Das Dreiaktmodell ist mir zu spärlich, ich brauche mehr Struktur.

 

Alf, Dan Wells spricht auf Youtube über sein Modell (habe es selbst noch nicht angesehen):

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Grundsätzlich kann man aber die Dramaturgie des Films (trotz mancher Ähnlichkeiten, klar) nicht hundertprozentig auf Romane übertragen. Es sind nun mal unterschiedliche Medien, und Romane zeichnen sich oft gerade dadurch aus, dass sie ihre jeweils ganz eigene Struktur entwickeln. In meinem Roman "Herr aller Dinge" zum Beispiel gibt es zum Beispiel fünf große Handlungsabschnitte; darauf würden sich die ganzen "Story-Strukturen" nur nach der Methode Prokrustes anwenden lassen. Oder, noch weitaus krasser (und ohne mich vergleichen zu wollen), der Roman "Beloved" (deutsch: "Menschenkind") von Toni Morrison: Da rätsle ich immer noch herum, welche Struktur diese Geschichte eigentlich hat – eine Art "spiralförmige", denke ich, die sich um ein zentrales Motiv herum windet bis zum Schluss. So etwas kann man nicht entwerfen mit einer Syd-Field-Brille auf der Nase.

 

Ich bin ganz deiner Meinung, Andreas. Wenn man etwas wirklich Außergewöhnliches schaffen möchte, können Plotmodelle zu sehr einengen. Und bei E-Literatur greifen sie sowieso häufig nicht, weil die Spannung bzw. der Lesegenuss sich aus anderen Dingen speist als der Handlung allein. Dass Klassiker auf uns heute oft zäh wirken, hat aber sicher auch etwas damit zu tun, dass man in der Literatur damals noch keine Plotmodelle nutzte. Mündlich tradierte Erzählformen wie Märchen und Legenden folgen solchen Strukturen schon eher. Man musste ja die Zuhörer in Atem halten!

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Plotmodelle sind übrigens auch keine Kreativitätsanreger; man sollte sie eher als eine Art Ordnungshilfe für Ideen betrachten, so was Ähnliches wie ein alphabetisches Register für Adressen.

 

Bei unserem "44-Stunden-Experiment" (15 Autoren schreiben innerhalb von 44 Stunden einen Roman, komplett mit Handlungsentwicklung, Essen und Schlafen … und dem Text, natürlich) habe ich zu Beginn das 4-geteilte Aktmodell an die Tafel gemalt (Akt I, Akt IIA, Akt IIB, Akt III), und anhanddessen haben wir überlegt, wie die Geschichte gehen soll. Irgendwann waren nur noch 43 Stunden übrig, und wir hatten immer noch keinen Plan. Das fängt ja gut an, habe ich gedacht und gesagt, "OK, lassen wir das, schauen wir uns die Figuren an". (Hausaufgabe war, dass jeder 5 ausgearbeitete Figuren mitbringt.) In Null-Komma-Nichts hatten wir das Figurenensemble zusammengestellt und mehr Ideen angehäuft, was die miteinander erleben könnten, als wir brauchten. Diese Ideen haben wir grob in die Akte einsortiert, erst mal nur den ersten Akt in Szenen unterteilt (also, wann und wo was genau passieren muss), und dann konnte es losgehen mit dem Schreiben.

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Plotmodelle sind übrigens auch keine Kreativitätsanreger; man sollte sie eher als eine Art Ordnungshilfe für Ideen betrachten, so was Ähnliches wie ein alphabetisches Register für Adressen.

 

Bei unserem "44-Stunden-Experiment" (15 Autoren schreiben innerhalb von 44 Stunden einen Roman, komplett mit Handlungsentwicklung, Essen und Schlafen … und dem Text, natürlich) habe ich zu Beginn das 4-geteilte Aktmodell an die Tafel gemalt (Akt I, Akt IIA, Akt IIB, Akt III), und anhanddessen haben wir überlegt, wie die Geschichte gehen soll. Irgendwann waren nur noch 43 Stunden übrig, und wir hatten immer noch keinen Plan. Das fängt ja gut an, habe ich gedacht und gesagt, "OK, lassen wir das, schauen wir uns die Figuren an". (Hausaufgabe war, dass jeder 5 ausgearbeitete Figuren mitbringt.) In Null-Komma-Nichts hatten wir das Figurenensemble zusammengestellt und mehr Ideen angehäuft, was die miteinander erleben könnten, als wir brauchten. Diese Ideen haben wir grob in die Akte einsortiert, erst mal nur den ersten Akt in Szenen unterteilt (also, wann und wo was genau passieren muss), und dann konnte es losgehen mit dem Schreiben.

 

Interessante Erfahrung! :-) Ichmuss auch schon sehr viel über meine Story und die Figuren wissen, bevor ich mit der Planung überhaupt anfangen kann. Und dann geht alles sehr intuitiv. Als ich meinen Plotkurs konzipiert habe, habe ich mir meinen Arbeitsprozess zum ersten Mal bewusst gemacht und ihn formuliert. Dabei habe ich viel darüber gelernt, was mir an einer Geschichte wichtig ist.

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Plotmodelle sind übrigens auch keine Kreativitätsanreger; man sollte sie eher als eine Art Ordnungshilfe für Ideen betrachten, so was Ähnliches wie ein alphabetisches Register für Adressen.

 

Bei unserem "44-Stunden-Experiment" (15 Autoren schreiben innerhalb von 44 Stunden einen Roman, komplett mit Handlungsentwicklung, Essen und Schlafen … und dem Text, natürlich) habe ich zu Beginn das 4-geteilte Aktmodell an die Tafel gemalt (Akt I, Akt IIA, Akt IIB, Akt III), und anhanddessen haben wir überlegt, wie die Geschichte gehen soll. Irgendwann waren nur noch 43 Stunden übrig, und wir hatten immer noch keinen Plan. Das fängt ja gut an, habe ich gedacht und gesagt, "OK, lassen wir das, schauen wir uns die Figuren an". (Hausaufgabe war, dass jeder 5 ausgearbeitete Figuren mitbringt.) In Null-Komma-Nichts hatten wir das Figurenensemble zusammengestellt und mehr Ideen angehäuft, was die miteinander erleben könnten, als wir brauchten. Diese Ideen haben wir grob in die Akte einsortiert, erst mal nur den ersten Akt in Szenen unterteilt (also, wann und wo was genau passieren muss), und dann konnte es losgehen mit dem Schreiben.

 

Das finde ich sehr nachvollziehbar und stimmig. Man kann die 3-Akt-Struktur ja  nicht losgelöst von den Figuren entwickeln, nur wenn man sich genügend  mit der Figur auseinander gesetzt hat, kann man vernünftig mit diesen Plotmodell arbeiten. Denn die Dramaturgiepunkte dieser Struktur tun ja nichts anderes, als Fragen zur Figur zu stellen. Wenn man den 3-Akter nur hinsichtlich der Akt-Unterteilungen und der Wendepunkte benutzt, ohne sich darüber im Klaren zu sein, wer die Figuren sind, was ihr oder das Thema, ihre Motivation, ihr Want und Need ist, dem wird sie nicht helfen.

 

Nehmen wir mal den Midpoint als Beispiel. Ok, der teilt den 2. Akt in 2 Hälften, stellt einen (optionalen) Wendepunkt dar. Und nun? Wenn man sich hingegen bewusst macht, dass der Midpoint ganz konkret nach dem Want der Figur fragt, sieht die Sache schon ganz anders aus. Diese Frage lautet: Hat sie es erreicht (positiver Midpoint), hat sie es nicht erreicht (negativer Midpoint)? Was, wenn die Figur sich entwickeln soll, muss nun passieren, um diese Veränderung zu bewirken (shift vom Want zum Need) ergo den nächsten Dramaturgiepunkt zu erreichen und den letzten Akt anzusteuern? Je nachdem ob man diese 2. Hälfte des 2. Aktes vom negativen oder positiven Midpoint aus anpeilt, ergeben sich ja andere Wege dorthin.

 

Insofern können solche Modelle durchaus nicht nur Strukturgerüste, sondern auch Kreativitätsanreger sein. Weil man diese Fragen ja beantworten, sprich Lösungen finden  muss.

 

Diese Fragen kann man natürlich auch mit anderen Strukturen beantworten, keine Frage. Letztendlich sind diese Strukturen ja Hilfsangebote, keine Dogmen. Wer womit arbeitet ist Sache der Persönlichkeit des Autors und womit er sich wohl fühlt.

 

LG, Bettina

Bearbeitet von Bettina Wüst

" Winterschwestern" (AT)
Figuren- und Storypsychologie

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Plotmodelle sind übrigens auch keine Kreativitätsanreger; man sollte sie eher als eine Art Ordnungshilfe für Ideen betrachten, so was Ähnliches wie ein alphabetisches Register für Adressen.

 

 

Sind nicht alle Schreibratgeber nur "eine Art Ordnungshilfe"? Um ein Gefühl für die Personen zu bekommen, raten manche Ratgeber, sich genau zu überlegen, was die Protagonisten im Kühlschrank stehen haben. Das funktioniert bei mir z.B. überhaupt nicht.

Ich finde es wichtig, sich immer wieder klar zu machen, dass jede Art von Ratgeber oder Modell nicht mehr als eine Anregung ist. Für mich ist es wichtig, viel darüber zu lesen, Einiges mitzunehmen, aber mich auch immer wieder von Dingen zu verabschieden, mit denen ich persönlich nichts anfangen kann.

 

Um zu den Drehbuchratgebern zurückzukommen: Die Plotmodelle für Filme unterscheiden sich natürlich von denen für Bücher; es sind ja auch unterschiedliche Medien mit unterschiedlichen Stärken und Schwächen. Aber vielleicht gibt es doch so etwas wie eine Essenz, zum Beispiel: Eine Story braucht einen Grundkonflikt. Die Protagonistin hat ein Ziel, das sie erreichen will, aber ihr werden ständig Hindernisse in den Weg gelegt. Die Auflösung des Konflikts darf erst am Schluss erfolgen.

Natürlich kann man sich auch ganz von solchen Regeln lösen, in der E-Literatur sind sie, wenn überhaupt, oft ohnehin nur mit der Lupe zu finden. Aber bei U-Literatur ist es m.E. unumgänglich, sich zumindest im Ansatz an solche "Regeln" zu halten. Schon allein, weil die Leser an eine bestimmte Art, Geschichten zu erzählen, gewöhnt ist. Die Kunst besteht darin, die Regeln so gekonnt zu brechen, dass der Leser das Neue spürt, aber sich davon nicht abschrecken, sondern verzaubern lässt.

 

lg

Maria

Komm wir essen Opa.

SATZZEICHEN können Leben retten.

www.mcpoets.de

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Danke, Mascha, für den Dan Wells. Schön anzuhören (auch schön, ihn dabei zu sehen – ein guter Lehrer!).

 

Angelika

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

Alicia jagt eine Mandarinente. dtv premium März 2018. Die Grammatik der Rennpferde. dtv premium Mai 2016

www.angelika-jodl.de

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Hallo allerseits,

 

ich fand das Modell deswegen so nützlich, weil mir "Story" so viele Antworten auf Fragen geliefert hat, von denen ich gar nicht wusste, dass ich sie hatte. Ich wusste nur: "Da macht mir was Probleme, und es hat was mit dem Plot zu tun!", und diese wundervolle Klarheit einer "dogmatischen Struktur-Brille" hat mir dabei geholfen meine Hauptproblemquellen zu benennen:

 

1.) Szenen, die sich trotz vermeintlich höchst dramatischer Rahmenbedingungen furchtbar schal anfühlen, obwohl sie beim Plotten noch so vielversprechend waren.

 

Was habe ich mich mit denen rumgeärgert. Natürlich war mir dann sofort klar, dass diese Szenen raus müssen, und irgendwann haben sich dann auch stimmige und wirklich spannende Alternativen gefunden, aber erst durch das klare Dramaturgie-Modell von McGee ist mir klar geworden, warum die Ursprungsszenen so verflucht öde waren: Wiederholung. Keine Entwicklung. So Zeug wie: "Prota droht ihren Job zu verlieren, was aber fatal wäre, weil sie sonst den bedrohten anderen Figuren nicht mehr helfen kann." Ja, das ist spannend. Wenn ein paar Szenen später wieder "nur" der Job auf dem Spiel steht, dann langweilt einem das die Flöhe aus dem Pelz. Ich habe gelernt: Beim nächsten Mal steht dann nicht nur der Job, sondern z.B. auch die Beziehung auf dem Spiel. Eine Sache, die ich dann instinktiv und mit Trial und Error richtig gemacht habe, kann ich nun in seiner Struktur benennen: Wertladungen, die auf dem Spiel stehen.

 

2.) Nebenfiguren, deren orgiastischer Entwicklungstanz kaum zu bändigen war.

 

Dafür war mir die Unterteilung Hauptplot / Subplot extrem hilfreich. Und die Warnung: Lege Deine Subplots nicht zu komplex an, da sie sonst die Wirkung des Hauptplots verwässern. Zusätzlich war es hilfreich, zu überlegen, welche Funktion Subplots haben können: Die Bedeutung des Hauptplots unterstreichen (Hauptplot: Krieg ist eine Qual. Subplots: Krieg ist auch in dieser Neben-Facette eine Qual) Oder: Die Bedeutung des Hauptplots konterkarrieren (Hauptplot: Krieg ist eine Qual. Subplot: Menschlichkeit findet sich auch in der Hölle des Krieges.) Usw. Usf. Alleine die Idee, dass der Subplot neben "bloßer zusätzlicher Tiefe" noch weitere Funktionen haben kann, hat mich äußerst inspiriert.

 

Insofern bin ich entzückt über die ganzen Literaturtipps! Besonders "Wie Hollywood erzählt" mit einer genauen Sequenzanalyse vom Schweigen der Lämmer, wird definitiv auf meinem Lesetischchen landen. Nicht unbedingt nur, um einen tieferen Einblick in das dramaturgische Handwerk dahinter zu bekommen, sondern auch, um diesen großartigen Film noch mehr genießen zu können :) Denn: Bei aller Liebe fürs Schreiben und Lesen - der Film ist ein großartiges großartiges großartiges Medium, das ich in meiner Freizeit beinahe lieber konsumiere als Bücher.

 

So. Und jetzt, liebe Mascha, werde ich mir mal den Dan Wells ansehen :)

 

Vielen Dank Euch und Ciao,

 

Alf.

 

 

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Was ich vorher unterschlagen habe, Alf ... wenn du noch mehr Filme mit der Aktbrille ansehen möchtest, so könnte "Four Screenplays - Studies in the American Screenplay" von Field für dich interessant sein. Analysiert werden z.B. Dance with the Wolves, Silence of the Lambs und Thelma & Louise. Auch Anekdoten rund ums Schreiben und die Drehbuchautoren und deren Arbeitsweise kommen nicht zu kurz.

 

LG, Bettina

" Winterschwestern" (AT)
Figuren- und Storypsychologie

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Was ich vorher unterschlagen habe, Alf ... wenn du noch mehr Filme mit der Aktbrille ansehen möchtest, so könnte "Four Screenplays - Studies in the American Screenplay" von Field für dich interessant sein. Analysiert werden z.B. Dance with the Wolves, Silence of the Lambs und Thelma & Louise. Auch Anekdoten rund ums Schreiben und die Drehbuchautoren und deren Arbeitsweise kommen nicht zu kurz.

 

LG, Bettina

 

Liebe Bettina, vielen Dank! Aaaah, ich sehe schon, wahrscheinlich werde ich meinen Urlaub wieder nur auf der Leseliege im Frühlingsgarten verbringen, mit dem Notizbuch daneben :)

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Sicherlich nicht das, was du dir unter Fachliteratur zu diesem Thema vorgestellt hast, Alf. Aber vielleicht als bereichernde Urlaubslektüre und vor allen Dingen geeignet, für Leser, die qualifiziert zum Thema Film unterhalten werden möchten.

 

Ein wirklich schöner Roman zu diesem Thema ist »Unser allerbestes Jahr«. Im Original treffender betitelt mit »Film Club« von David Gilmour, einem kanadischen Schriftsteller und Fernsehjournalist sowie Filmkritiker.

 

Gilmours 16jähriger Sohn Jesse will die Schule schmeißen. Sein Vater geht darauf ein.

 

Allerdings unter zwei Bedingungen: Erstens keine Drogen, zweitens muss er sich jede Woche drei Filme mit seinem Vater ansehen, der ist nämlich Dokumentarfilmer und Filmkritiker, könnte über jeden Film lange Vorträge halten.

 

Über einen Zeitraum von 3 Jahren sehen die beiden 107 Filme zusammen und sprechen darüber.

 

Er weiß aber sein begeistertes Filmwissen pädagogisch sinnvoll, bisweilen listig einzusetzen und hält seinen Sprössling auf diese Weise drei Jahre bei der Stange. Jesse könnte, meint der Vater – aber die Dialoge über Filmkunst beweisen es - , Jesse könnte selber Filmkritiker werden nach diesem sechs Semester langen "Film Club".

 

Hier ist der Link zu der vollständigen Buchkritik von Deutschlandradio:

http://www.deutschlandradiokultur.de/filmkritik-mit-einem-teenager.950.de.html?dram:article_id=137246

 

Und hier der Link zu der Liste der besprochenen Filme:

http://www.moviepilot.de/liste/filme-aus-unser-allerbestes-jahr-waddehadedudeda

 

Matthias

Bearbeitet von Matthias

Tränen im Mississippi     •     Aaron Grünblatt      •      Amüsante Spaßitüden      •     Völlich Anders Verlach

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Als Ergänzung zu meinem vorigen Post möchte ich an 3 Bücher erinnern, die sich fachlich intensiv mit dem Thema Film auseinandersetzen

 

1. François Truffaut: »Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht?«, Hanser

lt. Times, »das vielleicht aufschlussreichste Film Buch überhaupt«.

Es gründet auf einem 50 Stunden Interview und erläutert, wie Szenen vorbereitet wurden, ein Drehbuch entsteht, welche Probleme die Regie hatte und wie Hitchcock selber seine Arbeit beurteilt.

 

2. Jerry Lewis: »Wie ich Filme mache, The total Film-Maker, Jerry Lewis, der Starkomiker, Drehbuchautor, Regisseur, Produzent, erzählt vom Filmemachen in Hollywood, Hanser

Das Buch gibt die Unterrichtsstunden wider, die Jerry Lewis »als Lehrer für alles, was mit Filmemachen zu tun hat« an der Universität von Südkalifornien hielt.

 

3. Syd Field: Das Handbuch zum Drehbuch, Übungen und Anleitungen zu einem guten Drehbuch, Zweitausendeins

hier ein kurzer Auszug aus Wikipedia:

Fields wichtigster Beitrag zu dem Themengebiet war die Aufteilung eines Drehbuchs in die „Drei-Akt-Struktur“ (im Rückgriff auf Aristoteles).

Bei dieser Aufteilung eines Drehbuchs beginnt ein Drehbuch in der ersten halben Stunde mit Eingangsinformationen zu den Personen und der Hintergrundgeschichte. Danach erreicht die Handlung des Films einen „Plot Point“, der dem Protagonisten des Films ein Ziel vorgibt, welches er erreichen muss. Die Hälfte des Films versucht der Held des Films sein Ziel zu erreichen, den Field auch die “Confrontation Periode” nennt. Das letzte Viertel des Films dient dem Finale des Films, der mit dem Abschluss des Films endet.

 

Mich hat die Lektüre der drei Werke sehr inspiriert. Auch wenn ich keine Drehbücher verfasse, stellten sie einen äußerst interessanten Zugang in die Entwicklung von Drehbüchern und Filmen dar, was man als Autor von Unterhaltungsliteratur schließlich auch zur Umsetzung eigener Geschichten verwenden kann.

Bearbeitet von Matthias

Tränen im Mississippi     •     Aaron Grünblatt      •      Amüsante Spaßitüden      •     Völlich Anders Verlach

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Lieber Matthias,

 

jetzt habe ich doch glatt vergessen, mich für Deine tollen TIpps zu bedanken! "Unser allerbestes Jahr" werde ich mir auf JEDEN Fall ansehen, und "Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht", hatte ich mir schon zu Weihnachten gewünscht, bekommen, aber noch nicht zu lesen begonnen. Bis ich Deinen Post gelesen habe :) Und ich bin begeistert!

 

Und ein Buch über die Arbeit von Jerry Lewis als Dramaturgie-Dozent muss ich einfach lesen ("Der Gangsterschreck" ist noch immer mein allerliebster Klamauk-Film, auch wenn der wohl ebenfalls ein Remake ist, und einen seltsamen "In den Krieg ziehen ist ein höchst erstrebenswertes Ziel"- Subplot drinne hat)

 

Ich sehe es nämlich genau wie Du: Die Beschäftigung mit dem Medium "Film" und "Drehbücher" eröffnet einem wunderbar inspirierende Zugänge zum eigenen belletristischen Arbeiten! Drehbuchautoren und Filmemacher müssen einfach effizient sein - während wir Belletristikautoren viel länger mit ausufernden Plots und Beschreibungen prassen können, ehe uns jemand mal wirklich einen Riegel vorschiebt ;D

 

Besten Dank und CIao,

 

Alf.

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