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DirkH

Einen Roman zweimal schreiben

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Einen Roman schreiben und dann überarbeiten, überarbeiten, überarbeiten – ist eine der gängigen Möglichkeiten, einen Text auf Vordermann zu bringen. Derzeit denke ich darüber nach, eine andere Methode auszuprobieren, und suche Autoren, die damit Erfahrung haben.

 

Es geht darum, einen Roman komplett noch einmal zu schreiben. So, als würde man eine Geschichte zum zweiten Mal erzählen. Die Figuren haben sich bei der Arbeit an der ersten Version herausgebildet. Die Handlung steht (aber man kann schwache Stellen weglassen oder verbessern). Ich könnte mir vorstellen, dass so eine Herangehensweise ihren Reiz hat. Wenn ich es richtig erinnere, schreibt John Irving seine Romane so (aber ich kann mich irren). 

 

Der Vorteil, den ich meine, erkennen zu können, ist der, dass man schwache Stellen beim zweiten Erzählen fast automatisch weglässt. Überdies entfällt das lästige Suchen nach Querverbindungen, wenn man eine Stelle inhaltlich verändert (der Mann schlägt den Hund mit dem Gurt, aber in der neuen Version hat der Mann gar keinen Gurt mehr, was jetzt?). Auf der andere Seite kostet es natürlich viel Mühe, den ganzen Kram nochmal zu schreiben. 

 

Ich bin unentschieden. Wie seht Ihr das?

 

 

Sagt Abraham zu Bebraham: Kann ich mal dein Cebraham?

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Oh, ich weiß nicht. in Dan Simmons "Hyperion" sagt eine der Figuren den weisen Satz: "Man vollendet ein Werk nicht - man gibt es auf." Und aus meinem rein subjektiven Gefühl heraus glaube ich, dass ein solcher "Zweitversuch" der Griff nach ein bisschen mehr Perfektion ist. Persönlich glaube ich, dass man damit viel zerstören kann. Der Drang eine Geschichte zu erzählen ist weg, da ist keine Leidenschaft mehr, keine Schmetterlinge im Bauch, wenn man beim Schreiben spürt, dass sich gerade etwas anbahnt, das man als Autor überhaupt nicht vorgesehen hatte ... Wahrscheinlich wird sich das Autorenhirn bei einem Zweitversuch neue, unbekannte Abzweigungen in der Geschichte suchen - aber ob die besser sind? Für den Autoren vielleicht, weil er (oder sie), die "alte Geschichte" ja schon in- und auswendig kennt, aber das muss für die Leser nicht gelten :)

 

Ich selbst habe vor kurzem einen alten Roman von 2005 komplett neu überarbeitet. Da ist unglaublich viel rausgeflogen, ganze Passagen wurden entfernt und durch neue Dinge ersetzt, aber das Skelett ist stehen geblieben. Ich bin mir sicher: Hätte ich versucht, die ganze Story komplett neu zu schreiben, würden sich die soliden Stellen, die ich habe stehen lassen, wie ein schaler Neuaufguss lesen. Bei manchen Passagen war das auch so, da bin ich mit meiner Überarbeitungswut zu weit gegangen, und habe dann doch wieder auf den alten Text zurück gegriffen, weil das neu Geschriebene einfach nur schal war.

 

Natürlich ist das nur mein rein subjektives Gefühl dazu ;)

 

Ciao!

 

Alf.

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Bisher habe ich noch keinen ganzen Roman  neu geschrieben sondern nur größere Passagen, auch mehrere Kapitel, mit denen ich unzufrieden war. Das Neue war immer besser als das Alte. Ich wünsche mir, die Zeit zu haben,  wirklich einen kompletten Roman neu zu schreiben anhand der existierenden Figuren und einem groben Plot. Ich glaube der schwierigste Moment ist der, auf die Löschen-Taste zu drücken, und das Manuskript in den Orkus zu schicken. 

 

LG

Martin

_________________________________________________

www.martinconrath.de

Jede Art des Schreibens ist erlaubt - nur nicht die langweilige (Voltaire)

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Es könnte ein echter "Augenöffner" für dein Schreiben sein, dich auf eine höhere handwerkliche Ebene heben. Und zwar für deine gesamte schriftstellerische Zukunft. Ich habe es im Fandom gemacht. Die Story war eigentlich im Kasten, doch ich hatte mich während des Schreibens weiterentwickelt und sah nun, wie ich den gleichen Stoff um vieles besser würde umsetzen können. Dieses "Experiment" hat mich aus dem typischen Fandom-Schreiblevel herausgehoben.

Eine andere Methode wäre halt, die Erfahrungen, die du während des Schreibens dieses Romans gemacht hast, auf das nächste Projekt zu übertragen. Macht aber nur Sinn, wenn ein neues Projekt mindestens ebenso viel Potential hätte. Vielleicht könntest du sogar etliche Elemente des jetzigen Stoffs (überarbeitet) in ein neues Projekt einfließen lassen. So könntest du ebenfalls aus Alt Neu machen.

 

Liebe Grüße
Ramona

Bearbeitet von Ramona

Inspiration exists, but it has to find us working! (Pablo Picasso)

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Moin,

 

ich hatte mal einen Roman in Frankreich angesiedelt. Die Verlegerin wollte aber nicht Frankreich, also musste ich alles auf Italien umfrickeln. Aus Franzosen wurden Italiener, also haben sich auch die Figuren, Namen alles geändert. Gewisse "französische Szenen" mussten raus und durch italienische ersetzt werden. Geht das in die von dir angedachte Richtung?

 

Ich kann nur sagen, es war viel Arbeit. Der Plot hat tatsächlich keine Schwierigkeiten mehr gemacht, da war alles klar. Trotzdem habe ich mich gefühlt, als hätte ich mir viel unnütze Arbeit gemacht.

 

Besten Gruß von BirgitJ

"Das Geheimnis der Baumeisterin" Aufbau 2021; "Die Maitresse", Aufbau 2020; "Das Erbe der Porzellanmalerin", Aufbau 2019; "Das Geheimnis der Zuckerbäckerin", Aufbau 2018; "Das Geheimnis der Porzellanmalerin" Aufbau 2017; "Der Duft des Teufels" Aufbau 2017; "Luther und der Pesttote" Aufbau 2016; "Die Tochter von Rungholt" Aufbau 2014
http://www.bjasmund.de

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Ich habe das gemacht. Die erste Fassung habe ich mit Absicht sehr schnell runtergeschrieben, um meinen inneren Zensor auszuschalten und endlich mal in den "Flow" zu kommen. Ich bin sonst eine sehr pingelige Schreiberin, die wenige Worte am Tag schafft, immer gleich überarbeitet und sich daher verhakt.

Nach der ersten Fassung, 50 000 Wörter, habe ich von vorne neu angefangen und in Ruhe und pingelig neu geschrieben. Sehr wenige Szenen wurde vollständig übernommen, eigentlich nur eine große, die das Herzstück des ganzen Romans darstellt und es bis in die finale Fassung geschafft hat. Die finale Fassung hat jetzt 75 000 Wörter.

Mir hat diese Verfahrensweise sehr geholfen. Der gewünschte Effekt trat ein - ich kam v.a. den Personen viel näher. Natürlich geht das nur, wenn man genügend Zeit hat. Ich kann mir auch gut vorstellen, es wieder zu machen - zumindest, es so zu planen. Sollte die Fassung besser sein als gedacht, könnte ich sie auch nur überarbeiten.

Ich habe vor vielen Jahren auch mal am NaNoWriMo mitgemacht, und es hatte den gleichen Effekt - ich kam mehr ins Erleben und musste nur noch aufschreiben, was ich erlebte.

 

Wenn du damit liebäugelst - probier es einfach aus!!

 

MartinC: Niemand muss auf "löschen" drücken ;)  Ich hebe mir längere Passagen, die ich streiche, immer in einer extra-Datei auf, manchmal brauche ich den Text an anderer Stelle noch. Und neue Fassungen speichere ich sowieso immer in einer neuen Datei.

 

LG Ulrike

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Ich habe einmal versucht, einen Roman neu zu schreiben (ich hatte ihn allerdings vorher nie ganz beendet). Es ging mir so, wie Alf es gesagt hat: die Luft war raus, die Figuren funktionierten in der neuen Geschichte nicht, und irgendwie war das Thema einfach für mich vorbei. Ich hatte mich einfach weiterenwickelt, der Roman passte insgesamt nicht mehr. Ich habe dann etwas Neues angefangen (bin gerade dran), wobei die Hauptfigur ähnlich tickt und heißt, aber die Geschichte an sich eine ganz andere ist. 

Frisch erschienen: "Letzte Meile"

www.mariaknissel.de

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Danke für Eure Einschätzungen. Entgegen den Erfahrungen von Maria und Alf geht es mir genau andersherum: Wenn die Geschichte beendet ist, fällt es mir schwer, mich von den Figuren zu trennen. Das gilt auch für Orte und Ereignisse, die ich während des Schreibens intensiv "erlebt"  habe. Das ist aber wohl eine äußerst individuelle Erfahrung, und ich kann mir auch gut vorstellen, dass das Luftrausgefühl so etwas nicht zulässt. 

 

Ulrika und Ramona: Ihr habt mich dazu ermutigt, das mal auszuprobieren. Bis zum Abgabetermin des aktuellen Manuskripts ist noch Zeit genug. Was dabei herauskommt, berichte ich gern an dieser Stelle gegen Jahresende.

Sagt Abraham zu Bebraham: Kann ich mal dein Cebraham?

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Dir wünsche ich viel Erfolg beim Neuschreiben, Dirk! Bei der Frage, ob ich schon mal einen Roman neu geschrieben habe, kann ich

sagen: Ja, zweimal sogar. Beim ersten, mit dem ich zu einer Agentur gegangen bin, schrieb ich aus dem Stoff von etwa 10-20 Seiten einen vollkommen neuen Roman, der veröffenlicht wurde und mein bisher erfolgreichster war. Im Moment mache ich etwas Ähnliches.

Ich hatte einen Krimi in den Dateien, den ich 2012 abgeschlossen hatte. Damals war ich nicht in der Lage, eine bestimmte Perspektive, die unbedingt nötig war, dort einzubringen. Jetzt, vier Jahre später, gelingt mir das zunehmend besser. Es hat also was auf sich mit dem Weiterentwickeln. In den Dateien habe ich noch ein oder zwei Stoffe, die ich irgendwann ebenfalls durch Neuschreiben auf Vordermann bringen könnte. Weggeworfen habe ich bisher nur das, was nicht mehr recycelt werden kann. ;)

 

Grüße

Christa

Bearbeitet von Christa
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Ich wünsch dir auch gutes Schreiben!

 

Ich kann mir auch gut vorstellen, dass es funktioniert. In einem Fall hätte ich es sehr gern getan, und ich bin sicher, es hätte funktioniert, aber es war nicht genug Zeit dafür. Ich wünsche mir jetzt, ich hätte es getan. Es sind die "Dösenden Möwen", ein Roman über ein Albtraumschiff, eine Parodie. Ich hätte ihm gerne einen Erzähler gegeben, der in jede Figur schlüpfen kann, eine art nordische Gottheit vielleicht, die alles sieht. Wie viel von dieser Erzählerstimme übrig geblieben wäre, weiß ich nicht, aber auf jeden Fall hätte es eine Multiperspektive gegeben. Soweit mein Plan. In der Praxis erwies es sich als schwierig, von Verlagsseite gab es Bedenken, es wäre ja sehr unkonventionell gewesen und am Anfang habe ich auch einfach viel herumprobieren müssen. Also dann: brave zwei Perspektiven, wobei eine davon ein Ich-Erzähler war, der überall ist, alles mitbekommt und es aufschreibt und kommentiert, also ein bisschen Ersatz für die Multiperspektive. Der Verlag wollte ein Prequel als E-Book, meine Lektorin mochte die multiperspektivischen Szenen und meinte, hier könnte ich das Material vielleicht noch verwenden. Also tat ich es, ich glaube 30 oder 50 Seiten. Und die ganze Zeit fühlte ich, dass das jetzt RICHTIG war, das war der Roman, den ich schreiben wollte, ich habe ihn nur vorher so schreiben müssen, um mit der Stoffmenge (es passiert sehr viel und sehr schnell) fertigzuwerden. Ich habe es nicht gemacht, warum auch, der Roman war ja schon draußen. Aber ich bin sicher, es hätte funktioniert, allerdings hätte ich mich mit dieser Art an ein komplett anderes Publikum wenden müssen, da es ja komplexer, auf eine andere Art ironischer wurde. Die "Zielgruppe" fand Multiperspektive zu kompliziert, wie ich an den Reaktionen auf das Prequel merkte. Allerdings war mir das wurscht, denn diese Zielgruppe, die es so einfach haben will, wollte ich da schon nicht mehr bedienen.

Deshalb nochmal Ermutigung: Do it!! Wird bestimmt gut.

Liebe Grüße

Claudia

Baronsky&Brendler: Liebe würde helfen  Ein Staffelroman 
Februar 21, Kampa

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Meinen Krimi "Mordswald" habe ich sogar drei Mal geschrieben - allerdings jedes Mal mit einem zeitlichen Abstand von mehreren Jahren. Und ja, es wurde jedes Mal besser, die endgültige Fassung hatte so gut wie nichts mehr mit der ersten zu tun.

Wenn du genug Zeit - und vor allem auch "Lust" - hast, es ohne großen zeitlichen Abstand zu wagen, kann ich es nur empfehlen. Wichtig ist, denke ich, dass die Story und die Figuten dich immer noch so packen, dass es nicht nur auf öde Fleißarbeit hinausläuft. Aber das scheint ja bei dir der Fall zu sein!

 

Viel Erfolg!

Maria

Komm wir essen Opa.

SATZZEICHEN können Leben retten.

www.mcpoets.de

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