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eva v.

"Verwandtes Leistungsschutzrecht für Verleger" - Rechtsverlust für Autoren?

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Das Leistungsschutzrecht für Presseverleger, über das wir hier im Forum schon vor Jahren diskutierten und das gegen alle Warnungen von Fachverbänden und führenden Urheberrechtlern geschaffen wurde, lief bisher in Deutschland ins Leere.

 

Das auf Betreiben von Presselobbyisten im Koalitionsvertrag verankerte und 2013 verabschiedete Leistungsschutzrecht wurde häufig als Google-Gesetz bezeichnet, weil es den Presseverlegern darum ging, von Google Geld für die dort in den Suchmaschinen und News-Anrissen gezeigten Links und Textschnipsel (Snippets) zu bekommen. Google hat daraufhin erklärt, wenn es für die üblichen Textschnipsel nun auf einmal zahlen solle, werde es sie eben so weit kürzen, dass es wieder kostenlos ist (das Gesetz sieht vor, dass "kürzeste Texte" keinem Leistungsschutzrecht unterliegen; allerdings weiß keiner, wie lang das sein darf).

Mit Googles Kürzungsvorschlag waren die Presseverleger nicht einverstanden. Sie wollen, dass Google die Schnipsel in derselben Länge wie immer anzeigt - aber dafür zahlt. Google sollte für das Zeigen von Links und Snippets eine kostenpflichtige Zwangslizenz erwerben. Diesem Ansinnen wurde bisher in sämtlichen Verfahren vor Behörden und Gerichten eine Abfuhr erteilt. Aktuell ist das Verfahren beim OLG, aber es ist abzusehen, dass da auch nichts anderes rauskommt.

Einstweilen zeigt Google Links und Schnipsel weiterhin in der bisher üblichen Länge, weil die meisten Pesseverleger ihnen dafür in aller Eile eine "kostenlose Lizenz" erteilt haben - sie waren ja nie wirklich daran interessiert, von ihrem Verbotsrecht Gebrauch zu machen. Denn sie verdienten und verdienen mit und über Google bzw. die damit einhergehenden Klickraten sehr viel Geld. Es ging ihnen bei dem Gesetz lediglich um mehr Geld.

 

Insoweit ist immer noch nicht klar, worin genau überhaupt der Schutzbereich dieses ominösen Rechts bestehen soll. Seit Jahren befassen sich Ämter und Gerichte mit dieser Frage, und vermutlich dauert es noch weitere Jahre, bis darüber Klarheit besteht. Nach verbreiteter Expertenmeinung gibt es für das Gesetz praktisch keinen Anwendungsbereich.

 

Damit haben sich die Verleger wie erwartet nicht abgefunden, sondern frühzeitig auch entsprechende Initiativen in Brüssel angestoßen, um dort auf rechtlich übergeordneter Basis Veränderungen zu erwirken, die dann auch auf nationaler Ebene legislativ umgesetzt werden können und im Zeitalter des Internet bessere Marktchancen versprechen.

 

Die mittlerweile laufenden Konsultationen drehen sich allerdings nicht mehr nur allein um ein Leistungsschutzrecht von Presseverlegern, sondern es geht jetzt um ein "verwandtes Schutzrecht" für alle Verleger, also auch Buchverleger.

 

Worin genau solche "verwandten Schutzrechte von Verlagen" bestehen sollen, liegt im Dunkeln. Keiner scheint es zu wissen, aber es liegt nahe, dass es auf eine Art "Leistungsschutzrecht XXL" hinauslaufen soll (so jedenfalls bezeichnet es der Verfasser des unten verlinkten Artikels).

An der Stelle kommen zwingend die Rechte von Autoren ins Spiel. Denn ausgehend von der unumstößlichen Prämisse, dass sich Urheberrechte nicht beliebig vermehren und ausdehnen lassen, könnte die in Brüssel angepeilte Schaffung eines "verwandten Schutzrechtes für Verleger" zu einer tiefgreifenden Aufweichung und Beschneidung von Autorenrechten führen.

 

Dazu ein lesenswerter Artikel: http://leistungsschutzrecht.info/news/2016-06-10/leistungsschutzrecht-xxl-zu-den-pl-nen-der-kommission-f-r-ein-allgemeines-verwandtes-schutzrecht-f-r

 

LG,

eva v.

Bearbeitet von eva v.
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Sehr interessant und lesenswert. Danke, Eva! Einige der in dem Artikel angesprochenen Fragen hatte ich mir auch schon gestellt. (Im Sinne von: Genau welche Leistungen der Verlage sollten und könnten eigentlich geschützt werden, und wie wäre das überhaupt möglich?)

"Lady Annes Geheimnis", 2019, Lübbe Verlag

Mein Blog: Marthas Schreibtisch

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Unlängst wurde der Entwurf der EU-Kommission zur neuen Urheberrechts-Richtlinie inklusive Leistungsschutzrecht für Presseverleger (das bekanntlich schon in Deutschland nicht funktioniert hat) in der Öffentlichkeit bekannt. Hier dazu ein Interview mit dem Urheberrechtler Till Kreutzer: 

https://irights.info/artikel/europaeisches-leistungsschutzrecht-das-absehbare-chaos-ist-grenzenlos/28063

 

Anders als von den üblichen Lobbyisten behauptet, tangiert das Leistungschutzrecht für Presseverleger nicht nur kommerzielle Seitenbetreiber (auch Autorenblogs können nach der europäischen Variante des LSR betroffen sein, ferner Foren aller Art, auch dieses hier, Autorenseiten auf Facebook sowieso), sondern es geht auch die privaten Endverbraucher an. Sitzen wir beim Benutzen einer Suchmaschine bald alle vor sog. Naked-Link-Seiten ohne Textanriss, und das rückwirkend für 20 Jahre? Verschwinden alle Snippets in allen Archiven von Suchseiten aller Art? Werden Seiten wie z. B. Wikipedia demnächst zu Geisterplattformen mit inhaltsleeren Verweisungen, abgeschnitten von für uns relevanten Informationen und von öffentlichem Wissen und bisher allgemein frei zugänglichen Daten? Wird das Internet in der uns heute bekannten Form dann überhaupt noch zur Verfügung stehen, mit kostenlosen Links inkl. Textanrissen zur Eingrenzung von Suchvorgängen oder Auswahl von Fundstellen? 

 

Fakt ist, die EU-Variante des Leistungsschutzrechts für Presseverleger legt gegenüber der bisher schon in Deutschland  nicht funktionierenden Fassung noch eins drauf und deutet bereits vom Wortlaut her ein Worst-case-Szenario an, das namhafte Experten als echte Bedrohung der Informationsfreiheit betrachten. Obwohl das EU-Parlament in seinen Arbeitspapieren für eine neue Urheberrechtsrichtlinie die Aufnahme eines Leistungsschutzrechts für Presseverleger bereits vor Jahren abgelehnt hatte, ist es über die Kommission (via Herrn Oettinger) jetzt doch auf einmal im Entwurf gelandet. Noch muss es durch die Gremien, ohne die Zustimmung von Rat und Parlament kann nichts daraus werden, aber man sieht, was auf Druck einer mächtigen Lobby alles möglich ist. 

 

Auch EU-Politiker haben bereits parteienübergreifend die Gefahren der sog. Linksteuer erkannt und machen dagegen mobil, indem sie zum Teilen ihrer Save-the-Link-Initiative aufrufen:

 

LG,

eva v.

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