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Sylvia Kaml

Zu lange Beschreibungen am Anfang?

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Mich beschäftigt zur Zeit etwas, bei dem ich sehr gerne Eure Meinungen und Erfahrungen hören würde.

 

Normalerweise schreibe ich immer recht flott und nutze relativ wenig blumige Umschreibungen oder Ausführungen. Meine Bücher fangen mitten im Geschehen an und bleiben dort auch die meiste Zeit. Sie sind auch eher kurz gehalten.

Ob das Gut ist oder Schlecht sei dahingestellt. ;)

 

Nun aber folgendes Problem:

Ich habe nun einen Roman überarbeitet, der schon lange in meiner Schublade vor sich hin staubte. Der Geschichte würde ich heute gerne nochmal eine Chance geben, doch sie hat ein Problem: der Anfang besteht beinahe nur aus Erzählung. Das gesamte erste Kapitel über wird bis auf einen kurzen Part wörtlicher Rede lediglich berichtet. Nicht allzu lange danach ist erneut eine Episode, in der die Protagonistin monatelang alleine durch die Gegend zieht und keinen anderen Menschen zu Gesicht bekommt. Auch hier ist dadurch nur Erzählung und keine Interaktion.

Der Rest des Buches ist so wie meine anderen: viel Interaktion, viel Erlebnis und ein flotter Erzählstil bis hin zum Ende.

 

Jetzt das eigentliche Problem: werden die Leser bzw. auch die Verlage einen falschen Eindruck von dem Buch bekommen, wenn man nur den Anfang liest? (Leseprobe am Exposé bzw. Blick ins Buch)

Ist es grundsätzlich ein Problem, wenn man zu Beginn viel erzählen lässt? Wirkt das ermüdend und langweilig? Sollte ich versuchen, einige Szenen (Erinnerungen etc.) am Anfang als wörtliche Rede hineinzudrücken oder würde das gekünstelt wirken?

Wie geht es Euch als Leser? Sollte man direkt in der Handlung stehen oder ist eine längere Einführung am Anfang kein Problem? Gemäß dem Fall, ich würde es einigermaßend spannend hinbekommen.

 

Das nagt gerade unheimlich an mir :-?

 

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Ich finde, es kommt sehr darauf an, wie die Beschreibungen geschrieben sind, wie die Erzählung geschrieben ist. Auch Beschreibungen können spannend sein.

 

Sicherlich zieht es einen meistens mehr in ein Buch hinein, wenn es gleich mit einem Dialog, mit Aktion, mit etwas Überraschendem anfängt. Aber ich persönlich liebe gute Beschreibungen sehr, das ist wie ein warmes Bad, in das man eintaucht, um sich zu entspannen. Da passiert ja auch nichts, es ist aber trotzdem unheimlich schön. Wenn die Autorin mir dieses angenehme Gefühl vermitteln kann, kann sie meinetwegen das ganze Buch über in Beschreibungen schwelgen. :)

 

Die Verlage werden es gut finden, wenn sie auf so etwas stehen, wenn sie z.B. viel Fantasy veröffentlichen, wo am Anfang ein langer Prolog steht, der erst einmal alles erklärt, was vor 1000 Jahren passiert ist. Ein Verlag, der eher Krimis verlegt, bei denen der erste Tote auf der ersten Seite in seinem Blut liegen muss, wird solche langen Beschreibungen eher ablehnen.

 

Ich reagiere als Leserin rein auf den Stil. Ob es mich reinzieht oder nicht. Wenn das der Fall ist, fällt mir der Beschreibungscharakter gar nicht auf. Eine langweilige Beschreibung, die in mir keine Emotionen weckt, führt dazu, dass ich das Buch zuklappe und nicht weiterlese. Ich würde also sagen, man kann nicht alle Beschreibungen und "ob oder nicht" über einen Kamm scheren.

 

Ich schreibe aktuell an drei Büchern gleichzeitig, und obwohl ich normalerweise gleich ins Geschehen hineinspringe, habe ich hier auch eine Geschichte dabei, die zuerst fast nur aus Beschreibung und Erzählung besteht. Weil ich das Gefühl habe, diese Geschichte (etwas historisch angehaucht, spielt so um 1850) braucht das einfach.

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Hach ... ich liebe ja die Romane von John Steinbeck. Mein liebster ist "Jenseits von Eden". Er beginnt mit einer seitenlangen Beschreibung des kalifornischen Salinas-Tals. Das Tal, wie es so aussieht und was da so wächst. Das Tal, wie es sich im Wechsel der Jahreszeiten verändert. Das Tal und seine Bäche. Das Tal im Wandel der Geschichte.

Das komplette erste Kapitel besteht aus nichts anderem als diesen Beschreibungen.

Einfach großartig!

Einer meiner liebsten Romananfänge.

 

Aber ich gebe zu, dass heute in den Lektoraten (und auch vom Leser?) vermutlich meistens eher andere Maßstäbe angelegt werden.

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Ich erinnere mich an ein Star Trek Feature, dass ich vor gefühlten 100 Jahren im Kino besucht hatte.

Da wurden alle Star Trek Filme in einer ganzen Nach gezeigt (waren damals erst 7 oder 8?). Dennoch konnte man die Entwicklung genau erkennen. Bei den ersten Teilen zogen sich alleine die Credits James-Bond-Film-artig in die Länge und die erste Szene schien nie enden zu wollen. Bei den letzten Filmen Jahre später: gleich am Anfang *crash, bumm, bang*, ein special Effekt jagt den nächsten und Dialoge so kurz und knapp wie möglich. Die ehemals philosophischen Gespräche wurden gerade einmal so lang, dass sie noch auf eine Computer meme passten.

Das ist mit den Büchern ähnlich heute.

 

Danke für die Antworten :)

Ja, ihr habt recht, man muss es natürlich schreiben können *räusper*. Aber wärd ihr irritiert, wenn das Buch dann - nach dem angenehmen Badewannen-Einstieg - flotter werden würde? Wäre das okay oder Stilbruch?

 

 

Mir fällt jetzt natürlich ein, dass man so etwas ja auch durchaus im Exposé erwähnen kann. : :)

Bearbeitet von Sylvia Kaml
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Die Standardlösung ist in solchen Fällen vermutlich, einen "hook" voranzustellen, vielleicht als Prolog. Erst mal den Leser mit was Aufregendem reinziehen - und dann die Salinas-Tal-im-Wandel-der-Geschichte-Nummer :s22

 

Mmmh. Ja, der alte Prolog. Stimmt. Warum eigentlich nicht? ;)

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"Jenseits von Eden" habe ich ebenfalls sehr gern gelesen. Da hätte ein "packender Prolog" gar nicht davorgepasst. Beim "Herrn der Ringe", das ich mehrmals gelesen habe, musste ich über den ewig erzählenden Prolog immer hinwegspringen, während ich den Rest der Bücher verschlungen habe. Es kommt jetzt drauf an, ob dein Buch in irgendein Genre passt, Silvia. Bei einem Krimi zum Beispiel werden solche Beschreibungen, besonders am Anfang, wirklich nicht gern gesehen. Aber mir ist noch ein Lieblingsbuch von mir eingefallen: "Das finstere Tal". Das hat einen kurzen, knackigen Prolog ohne Dialoge, der auf einen Mord hinweist. Dann folgt das erste Kapitel, in dem ein Mann durch ein Hochtal wandert und in ein düsteres Dorf kommt. Nach der Beschreibung seiner Kleidung könnte es 18./19. Jahrhundert sein. Dieser Ton ändert sich auch nicht, die Dialoge kommen später und langsam und sind eher karg. Allmählich wird eine ungeheure Spannung aufgebaut. Das Buch ist sprachlich und inhaltlich einfach super, finde ich, ein Genremix -am Ende kommen sogar noch Western-Elemente hinein - der verfilmt worden ist und das Buch zu einem Dauerbrenner gemacht hat. Wenn deine Beschreibungen und die flotteren Episoden sprachlich und inhaltlich zusammenpassen, ist das o.k., und so ein Buch würde ich auch gern lesen. Ach ja, auch "Die Wand" von Marlen Haushofer ist ein Buch der Beschreibungen, und auch er wurde verfilmt.

 

LG

Christa

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Oder man lässt den Anfang weg, springt in den handlungsreicheren Teil und lässt den Anfang rückblendenartig später einfließen.

Aber ohne die Details zu kennen, weiß ich nicht, ob es zu deiner Geschichte passt.

 

LG Ulrike

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Ja, "Jenseits von Eden" ist das Beispiel, das einem bei dieser Frage immer in den Sinn kommt. Ich habe das Buch als Jugendliche gelesen, aber ich weiß noch genau, wo genau das war und wie sehr mich dieser Anfang begeistert hat.

Aber the times they are a changin und heute gilt nicht nur in Filmen, dass man mit einem Erdbeben (oder was auch immer das war) anfangen und dann langsam steigern sollte. Mir gefällt das auch nicht. Ich habe auch bei einem meiner historischen Romane ewig "meinem" Anfang nachgetrauert, dem aber ein actionreicheres Kapitel vorangestellt werden musste.

 

Sylvia, wäre es nicht eine Möglichkeit, es so zu machen, wie Christa es von "finsteren Tal" beschreibt?

Dass Du dem Anfang, wie er jetzt ist, einen Teaser als Prolog voranstellst, also eine zu diesem Zeitpunkt noch geheimnisvoll wirkende spätere Szene?

 

Liebe Grüße

Uschi

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Sylvia, geht es bei dir um "erzählen" oder um "beschreiben"? Das sind ja zwei unterschiedliche Dinge. Lange Beschreibungen (wie bei John Steinbeck) finde ich persönlich furchtbar, aber erzählen finde ich okay. Auch am Anfang, das kann ein guter Einstieg sein, um in die Geschichte hineinzukommen, gerade, wenn der Plot vielleicht etwas komplexer ist oder die Leser mehr Vorwissen brauchen.

 

Als Alternative zum Prolog fällt mir noch ein - wie du es auch schon vorgeschlagen hast: Erzählen mit vereinzelten, kurzen lebendigen Darstellungen (können Dialoge sein, müssen es aber nicht). Als Beispiel dazu fällt mir gerade nur ein Film ein: Die fabelhafte Welt der Amelie. Da werden anfangs ihre ersten Lebensjahre erzählerisch zusammengefasst, aber immer wieder "gewürzt" mit konkreten Szenen.

 

lg

Maria

Komm wir essen Opa.

SATZZEICHEN können Leben retten.

www.mcpoets.de

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Danke euch allen, mir wurde hier sehr geholfen!

 

Maria: Es geht um erzählen, weniger beschreiben. Daher wäre es theoretisch möglich, mehr wörtliche Rede einzubringen. Aber ich befürchte einfach, es würde zu gezwungen und gequetscht wirken. Es sind ja keine Schlüsselszenen.

Dennoch werde ich den Rat annehmen und ein oder zwei lebendigere Szenen "erzählen".

 

Ich übernehme auf jeden Fall den Vorschlag mit dem Prolog, das passt recht gut. Dann muss ich ohnehin noch einiges überarbeiten :)

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