Ich denke gerade, anlässlich eines Textes zum Thema Sehnsucht, verschärft über Vorsilben nach. Und vielleicht haben ja einige von euch Lust, gemeinsam nachzudenken, ganz im Ernst und vielleicht mit Spaß.
In unser gemeinsamen Lesung hatten Angelika und ich schon die Vorsilben "ent" und "be" in Arbeit - beides kommt in der Zeitenbummlerin vor :"ent"schleunigen, entfreunden und das "be" als Gegenpart, so hatte ich mir das gedacht, als Befruchtung oder Berufung. Ent - als wegnehmen, be als hinzugeben.
Angelika ent - larvt jedoch das "be" in der Lesung als eine sehr besitzergreifende Vorsilbe, bzw als übergriffig, etwas besteigen, besiegen, be ... tatschen, jemanden belehren. Den mit der Vorsilbe "be" versehenen Verben wird so eine stärkere zielgerichtete Wirkung bescheinigt als transitiven Verben (also zb ich liebe dich, packe dich etc). Für mich allerdings hat das "be" immer noch etwas gleichsam von oben Überzuckerndes: Ein Instrumentalstück wird betextet, der Himmel ist besternt ... Ist es nicht seltsam, dass ein Text vertont wird, ein Musikstück aber betextet und nicht vertextet (bei vertextet stell ich mir was Verwickeltes vor)? Und gerade las ich, dass erlebte Ereignisse verträumt werden, im Sinne von: das Hirn arbeitet (verarbeitet) Erlebtes; so ein bisschen, als ob ein Faden vernäht wird.
Das "ver" ist - glaube ich - vielschichtig. In der Lesung erklärt die Godess of Grammar (thanks to AlfL für diesen Begriff!) dass "ver" gleich bedeutend mit "weg von mir" ist. Verlieren, vergessen etc. Reflexiv schließt es eine Fehlleistung ein: Sich verirren, verwählen, verlieben ...
So weit sind wir also damit. Und jetzt komm ich mit dem, was man sich ersehnt.
Was sagt uns die Vorsilbe: "er"?
Kann man sich versehnen? Besehnen? (Das hieße, im Sinne des Übergriffigen, sich in Sehnsucht wälzen, bis man ganz in sie gekleidet wäre ...) Entsehnen?
Wäre "er" ein Gegenpart zu "ver"? Sich etwas nahe Heranholen, das eigentlich weit weg von einem (ver) beziehungsweise unerreichbar ist?
Abgesehen von der Sehnsucht, welche Vorsilben beschäftigen, beglücken, erheitern, entgeistern, verblüffen euch?
Vertrackte Grüße
Claudia