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ClaudiaB

Vorsilben

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Ok, dann kann ich jetzt also Kippis, Sisu und Tattaattaa. Obwohl ich nicht weiß, was das heißt. Aber es ist ja viel aufregender, sich das auszumalen ... Ich glaub, mit diesen drei Worten komm ich ganz gut durchs Land.

 

 

Abgeärgert ist herrlich, Hannah! Wie kreativ man mit diesen kleinen, wuseligen Tierchen doch umgehen kann ... und ich lehn mich jetzt mal weit aus dem Fenster: verloren worden, warum soll das in diesem Kontext jetzt keine Vorsilbe sein?

 

Manfred: Ich will wirklich mehr wissen, auch wenn ich hier rumblödele, schreib nachher ne PN. :)

Baronsky&Brendler: Liebe würde helfen  Ein Staffelroman 
Februar 21, Kampa

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Abgeärgert ist herrlich, Hannah! Wie kreativ man mit diesen kleinen, wuseligen Tierchen doch umgehen kann ... und ich lehn mich jetzt mal weit aus dem Fenster: verloren worden, warum soll das in diesem Kontext jetzt keine Vorsilbe sein?

 

Ja, natürlich ist ver auch hier eine Vorsilbe, was soll es denn sonst sein? Ungewöhnlich ist hier nicht die Vorsilbe (oder gelahrt: das Präfix), sondern das Vorgangspassiv, ausgedrückt durch worden mit Partizip.

 

Normalerweise verliert man etwas aktiv: Ich hab mein Geld, Herz, Handtuch verloren. Der Terminus aktiv ist hier nur grammatikalisch zu verstehen, denn im Grunde ist bei diesem Verb das Subjekt, das etwas verliert, kein stolz herumwirtschaftendes Agens, sondern zu einer ähnlichen Opferhaltung verdammt, wie der Briefträger, der im Passiv vom Hund gebissen wird. Entsprechend sinnlos hört sich eine Umformung ins Passiv an, wie sie ansonsten problemlos möglich ist:

 

AKTIV                                           PASSIV

Der Hund beißt den Briefträger.   Der Briefträger wird vom Hund gebissen.

Ich verliere meinen Schlüssel.     * Der Schlüssel wird von mir verloren???? – Das unterstellt einen Willen zum Verlieren, was selten vorkommt (und in Hannahs Satz die Ironie stiftet.

 

Möglich ist aber das sogenannte Zustandspassiv, dem Schlüssel kann man es schon ansehen, dass er mal verloren wurde, So wie er da (nicht mehr) herumliegt ist er verloren.

 

Angelika

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

Alicia jagt eine Mandarinente. dtv premium März 2018. Die Grammatik der Rennpferde. dtv premium Mai 2016

www.angelika-jodl.de

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Ich hab die gute alte Vorsilbe nicht deshalb zu den finno-urgischen Stämmen auf die Reise geschickt, um mal einen Elch über die Hauptstraße zu treiben, sondern um mit euch die „Verschiedenheiten des menschlichen Sprachbaus“ zu be-wundern, wie es Wilhelm von Humboldt formulierte, als Herr Mozart schon drei Jahrzehnte nicht mehr zum Komponieren erwachte.  

 

Nein, Eva, die Dinger, die in den Beispielen vorne stehen, sind ganz verschiedene Nomen oder Verben, keine Vorsilben/ Präfixe, und „-ttaa“ ist eine Endung/ ein Suffix.

 

Das funktioniert so:

Pala (Stück) à paloi-ttaa; (cause something to be in pieces)

Sula (Schmelzen)à sula-ttaa, (cause something to melt)

Muru (Krümel)à muren-ttaa; (cause something to be in crumbs)

 

Wenn man jetzt für einen Augenblick genauer hinschaut, sieht man, dass diese Endung dieselbe Bedeutung vermittelt wie die Vorsilbe „zer-“, nur auf einem anderen Weg. Und das ist das Schöne an der menschlichen Sprache.  Man sieht das deutlich am Beispiel von „(Butter) zer-lassen“. Man könnte auch sagen „(Butter) schmelzen lassen“, und genau das ist die Bedeutung des finnischen „-ttaa“ in „sulattaa“. Es ist das sogenannte Kausativmorphem, das im Deutschen u.a. durch ein Verb ausgedrückt wird.

 

Also: gleicher Gedanke in verschiedenen Kulturen, aber viele Wege ihn auszudrücken. So kommt eine spezifische Sicht in die einzelne Sprache. Daher sagen mache, dass die (jeweilige) Sprache Trägerin der Kultur ist.

 

Und nee, „Tattattataa“ kam nur bei den Sprachimitationen von Hape Kerkeling vor - auch in der Rolle des Elchs in der Hauptstraße. 

 

Jetzt aber zurück zum Deutschen.

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Ich würde diesen Thread gern noch ein bisschen erweitern. Habe nämlich bei mir eine Präpositionenunsicherheit festgestellt und denke darüber nach, ob sie a) mit meiner Blödheit b) mit der vielseitigen Verwendbarkeit von Präpositionen c) mangelnder Vermittlung im damaligen und späteren Unterricht und Studium d) der Geschichte der Sprache zu tun hat. Vielleicht mit allem zusammen? Wir hatten anderswo schon einmal die Frage: Geht jemand auf die Party oder zur Party. Jetzt habe ich das Problem mit: bei der Ausstellung, zur Ausstellung, auf seiner Ausstellung. Und mir fällt auf, dass es mir öfter so geht, dass mir mehreres, je nach Bedeutung, richtig erscheint. Dazu kommt Angelikas und mein Gespräch bei, während, auf unserer Lesung - mein Part bestand hier aus Fragen, wohlgemerkt! - über die Geschichte der Präpositionen. Was war dem Menschen der Jungsteinzeit oder sonstiger Steinzeit am wichtigsten, vermutlich oder sicher das Wo. Und mich würde natürlich - Manfred!!!! - sehr interessieren, was die Forschung dazu sagt, über die Herkunft und die Flexibilität von Präpositionen. So wie mich ja überhaupt interessiert, wie die Sprache in die Köpfe kam und wie Laute - vielleicht, so stelle ich es mir vor - zu Gedanken wurden und wie diese Gedanken dann wahrgenommen wurden, wie sich die Wahrnehmung der Gedanken eventuell nach und nach verändert hat. Götterstimmen zB, Eingebungen. Heute glaubt man, bzw weiß man, meint man zu wissen jeder Gedanke sei von einem selbst.

Wir hatten das mit den Gedanken und wie nahe die Gedanken der Sprache sind übrigens schon einmal in einem alten Thread, als ich wissen wollte, ob man im Dialekt denkt und ob man das einschalten oder abschalten kann, falls man Dialekt spricht. Also ob man als Dialektsprecher auch hochdeutsch denken kann (falls man viel hochdeutsch hört).

Fragen über Fragen und vollchaotisch. Sorry. Vielleicht kann trotzdem jemand etwas damit anfangen und mag darüber diskutieren oder mich und andere belehren, bzw erhellen?

Liebe Grüße

Claudia

Baronsky&Brendler: Liebe würde helfen  Ein Staffelroman 
Februar 21, Kampa

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Ohne Manfred vorwegkommen zu wollen– der hat sicher viel zu sagen, wenns um Spracherwerb geht – dies die Theorie, die ich vor einiger Zeit mal gelesen habe und die mich in der Annahme bestärkt, dass Köpfe (also unsere Köpfe) sich zusammen mit der Sprache gebildet haben.

 

Es geht los irgendwann vor 600.000 (?) Jahren in der Savanne. Da kommen Vierbeiner von den Bäumen runter, gehen auf zwei Beinen und müssen schnell rennen können wegen der anderen Tiere. Deshalb weniger Fell am Leib, wegen schwitz und Luftwiderstand (man denke an den Schwimmer Mark Spitz, der sich den ganzen Körper hat glattrasieren lassen). Folge daraus: Die Babys können sich nicht mehr Fell festklammern, also trägt die Mutter sie auf dem Arm. Auf dem linken Arm, denn so hört das Baby ihren Herzschlag und das wirkt beruhigend. Folge: Die rechte Hand ist frei zu weiterem Gebrauch und  entwickelt so bestimmte Fertigkeiten, wird immer geschickter. Durch eine neuronale Verknüpfung auf der Diagonalen profitiert davon die linke Gehirnhälfte und es bildet sich da ein Sprachenzentrum aus.

 

Das ist alles zu kurz, ich weiß. Was auf alle Fälle dazukommen muss, ist der soziale Verband in dem die sprechenden Wesen leben. Bei Tieren gibt es ja auch Sprachen – halt nicht über Laute, sondern Körperhaltung und Mimik. Auch sicher entstanden im Verein mit dem Sozialverband: gemeinsames Jagen, gemeinsame Kinderaufzucht. Tiere ist jetzt eine Abstraktion, gilt sicher nicht für alle. Keine Ahnung, wie die Sandviper lebt und ob sie spricht, aber Hunde, Pferde, Katzen haben eine Sprache. Wölfe auch, das weiß Elli hier.

 

Kurze Unterbrechung: Aus der Küche dringen Signale, in denen es irgendwie um Futter geht.

Ciao derweilen, Angelika

Bearbeitet von Angelika Jo

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

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Hm, da habt Ihr ja ein riesen Fass aufgemacht. Da steckt die ganze Sehnsucht nach unserem Ursprung drin, die ich natürlich mit Euch teile. Wie kommt die Sprache in den Kopf, wie das Denken?

 

Natürlich kennen wir nur einen ganz bescheidenen Teil der Geschichte, und Wissenschaftler (also kognitive Linguisten wie ich, Anthropologen, Archäologen, Genetiker, Neurowissenschaftler u.v.am.) wagen sich erst seit wenigen Jahrzehnten wieder an dieses Thema heran. Es war vorher verpönt, weil man ja trotz H.G. Wells keine Zeitmaschine hatte, um vor Ort mal nachzusehen. Im Jahr 1866 sprach die Société de Linguistique de Paris einen Bann für dieses Thema aus. Und tatsächlich gab es die wildesten Spekulationen über den Ursprung der Sprache. Da sind die Spekulationen von Johann Gottfried Herder (1772) noch harmlos. Er glaubte zum Beispiel, dass Sprache aus Lautmalerei entstanden ist. Natürlich hatte er keine empirische Evidenz und wusste noch nichts darüber, wie die Evolution der Hominiden abgelaufen ist,  dass sich unsere Line von der der Schimpansen vor ca. 5 Millionen Jahren getrennt hatte, wie der Mensch von Afrika aus den Planeten in verschieden Wellen besiedelt hat. Er wusste noch nichts von DNA und  davon, dass die DNA des modernen Menschen „entschlüsselt“ wurde, ebenso die des Neandertalers, dass man die DNA dieser beiden Menschenarten vergleichen kann und daraus viele Schlussfolgerungen ziehen kann. Er kannte noch nicht die Erkenntnisse der modernen Archäologie, die auch aus den mikroskopisch kleinen Überresten auf Zähnen, Mahlsteinen, Kratzwerkzeugen u.ä. viele Aussagen über Ernährung, Lebensweise herleiten kann und darüber, dass Flora und Fauna der verschieden Perioden der Menschwerdung ebenso erforscht werden wie das Klima, die Werkzeuge, Behausung, Kleidung, Ernährung und Gesundheit der Menschen in prähistorischer Zeit.

 

Und wie immer gibt es konkurrierende Erklärungsmodelle. Das heißt aber nicht, dass man wild drauf los spekulieren kann. Die Latte liegt heute erheblich höher. Erklärungsmodelle müssen im Einklang mit den vielen Erkenntnissen aus vielen Bereichen der verschiedenen Wissenschaften stehen.

 

Zu allererst muss man aber für sich klären, was man eigentlich mit  „Sprache“ und „Denken“ meint, wenn man nach ihrem Ursprung sucht. Geht man davon aus, dass auch die nicht-menschlichen Tiere über Sprache und Denken verfügen, dann betrachtet man „Sprache“ und „Denken“ viel allgemeiner als wenn man sich auf die Eigenschaften bezieht, die spezifisch für Menschen sind. Natürlich muss jeder Erklärungsansatz mit unseren Erkenntnissen über die Evolution vereinbar sein, und viele Forscher, die sich mit dieser Frage beschäftigen, gehen davon aus, dass sich die menschliche Sprache und das menschliche Denken aus den kommunikativen und kognitiven Fähigkeiten unserer Vorfahren entwickelt haben.

 

Fast alle Forscher gehen aber davon aus, dass die menschliche Sprache und das menschliche Denken einige völlig einzigartige Eigenschaften besitzen, die man bei anderen Tieren nicht findet, und für viele bedeutet die Suche nach dem Ursprung von Sprache und Denken des Menschen die Suche nach dem Ursprung dieser speziellen Eigenschaften. Das bedeutet nicht automatisch, dass wir anderen Tieren überlegen sind, sondern erst einmal nur anders, und um diese Eigen-artigkeit geht es bei der Suche nach dem Ursprung von Sprache und Denken des Menschen.

 

Schon das Verhältnis von Sprache und Denken ist ja Gegenstand einer ganzen Disziplin, der Sprachphilosophie. Diese Frage wird auch in den  Kognitionswissenschaften und in der Kindersprachforschung untersucht. Eine ganz besondere Eigenschaft der menschlichen Sprache, besteht darin, dass man einen einzelnen Sachverhalt oder einen Gedanken auf sehr viele verschiedene Weisen ausdrücken kann. Das mag für Schriftsteller trivial klingen. „Damit ringen wir ja jeden Tag!“ Genau. Es ist ja eben dieses Potenzial, das uns als Spezies von anderen unterscheidet – neben anderen Eigenschaften.

 

Also, ein Gedanke und viele Weisen ihn auszudrücken. Anders gesagt: eine Bedeutungsstruktur und viele verschiedene lexikalische, grammatische und textuelle Ausdrucksmittel. Dieses Eins-zu-viele erlaubt es dem Individuum, über die reine Informationsvermittlung sich als Person, Mitglied einer Gruppe, Anhänger einer Überzeugung auszudrücken. Das ist ein zentraler Aspekt von Kultur. Das Gegenüber kann trotz der vielen Ausdrucksweisen die Nachricht wieder auf eine eindeutige Informationsstruktur zurück führen. Und die große Frage ist: wo kommt denn diese Fähigkeit her?

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Hier nur kurz, später länger: Lieber Manfred, vielen Dank!! Das ist ja spannend. Vielleicht sollten wir einige Fragen rauspicken und in einen neu zu gründenden Thread umziehen ... Ich melde mich dazu später noch mal!!!

Herzliche Grüße

Claudia

Baronsky&Brendler: Liebe würde helfen  Ein Staffelroman 
Februar 21, Kampa

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