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ClaudiaB

Sprache und Denken

Empfohlene Beiträge

... oder Denken und Sprache, was war zuerst?

 

Dieser Thread ist ein Zweitthread, entstanden aus den "Vorsilben."

 

Ich fragte danach, wie die Sprache in die Köpfe kam und wie Laute - vielleicht, so stelle ich es mir vor - zu Gedanken wurden und wie diese Gedanken dann (vom Denkenden selbst) wahrgenommen wurden. Wie hat sich die Wahrnehmung der Gedanken eventuell nach und nach verändert?

Gedanken als Götterstimmen zum Beispiel, als Eingebungen. Heute glaubt man, bzw weiß man, meint man zu wissen, jeder Gedanke sei von einem selbst.

 

Darauf antwortete Manfred - und es ist einfach toll, dass er sein Experten-oder Fach- oder Professorenwissen mit uns teilt, ebenso wie Angelika, the goddess of grammar, ihr Wissen mit uns teilt - so einiges Hochinteressantes (nachzulesen im Vorsilbenthread)

Ich zitiere jetzt einmal einen Auszug, an dem sich wiederum meine weiteren Fragen anschließen.

 

 

Und tatsächlich gab es die wildesten Spekulationen über den Ursprung der Sprache. Da sind die Spekulationen von Johann Gottfried Herder (1772) noch harmlos. Er glaubte zum Beispiel, dass Sprache aus Lautmalerei entstanden ist. Natürlich hatte er keine empirische Evidenz und wusste noch nichts darüber, wie die Evolution der Hominiden abgelaufen ist,  dass sich unsere Line von der der Schimpansen vor ca. 5 Millionen Jahren getrennt hatte, wie der Mensch von Afrika aus den Planeten in verschieden Wellen besiedelt hat. Er wusste noch nichts von DNA und  davon, dass die DNA des modernen Menschen „entschlüsselt“ wurde, ebenso die des Neandertalers, dass man die DNA dieser beiden Menschenarten vergleichen kann und daraus viele Schlussfolgerungen ziehen kann.

 

Und - hatte er denn ansatzweise recht mit seinen Spekulationen?
(Ich kann mir vorstellen, dass für Lautmalerei, wie man es ja aus Kindersprache kennt, gar keine Zeit war. Man musste bestimmte Plätze/Aktionen benennen, sich sprachlich verständigen brachte vermutlich auf der Jagd viele Vorteile. Wo? Da! Dorthin ... rennt das Mammut. Und interessant wäre auch, wie sich Schimpansensprache von unserer Sprache unterscheidet bzw wo die Grenzen der Schimpansen liegen, die ja menschliche Sprache lernen können.

 

 

 

Zu allererst muss man aber für sich klären, was man eigentlich mit  „Sprache“ und „Denken“ meint, wenn man nach ihrem Ursprung sucht. Geht man davon aus, dass auch die nicht-menschlichen Tiere über Sprache und Denken verfügen, dann betrachtet man „Sprache“ und „Denken“ viel allgemeiner als wenn man sich auf die Eigenschaften bezieht, die spezifisch für Menschen sind.

Ja, ich denke, darauf müssen wir uns einigen.

 

 

Eine ganz besondere Eigenschaft der menschlichen Sprache, besteht darin, dass man einen einzelnen Sachverhalt oder einen Gedanken auf sehr viele verschiedene Weisen ausdrücken kann. Es ist ja eben dieses Potenzial, das uns als Spezies von anderen unterscheidet – neben anderen Eigenschaften. 

 

Ja - und wie kommt der Gedanke aber in den Kopf ... ich weiß, das ist jetzt dazwischengeblökt. :) Das klingt ja, als wäre der Gedanke zunächst ganz simpel - bevor er Sprache wird. Der Ausdruck oder das Ausdrücken erfolgt ja schon im Gehirn. Oder? Wo ist the missing link zwischen dem "Gedanken" der vielleicht noch Impuls ist oder Bedeutungsstruktur, wie du sagst, und seiner Versprachlichung im Gehirn?

 

 

 

Anders gesagt: eine Bedeutungsstruktur und viele verschiedene lexikalische, grammatische und textuelle Ausdrucksmittel. Dieses Eins-zu-viele erlaubt es dem Individuum, über die reine Informationsvermittlung sich als Person, Mitglied einer Gruppe, Anhänger einer Überzeugung auszudrücken. Das ist ein zentraler Aspekt von Kultur. Das Gegenüber kann trotz der vielen Ausdrucksweisen die Nachricht wieder auf eine eindeutige Informationsstruktur zurück führen. Und die große Frage ist: wo kommt denn diese Fähigkeit her?

 

Ja, wo denn????

 

Neugierig ohne Ende hoffe ich auf weitere Interessierte und eine rege Diskussion. Und danke jetzt schon einmal für Gedanken und Antworten.

Liebe Grüße

Claudia

Bearbeitet von ClaudiaB

Baronsky&Brendler: Liebe würde helfen  Ein Staffelroman 
Februar 21, Kampa

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Ich fürchte, zu einem echten Ende werden wir nicht gelangen, liebe Claudia. Diese Frage zu Zusammenhängen von  Sprache und Denken (aber auch zum Ursprung der beiden getrennt voneinander) sind so faszinierend, dass immer wieder darum gestritten wurde. Die Ergebnisse, die ich kenne, sind sämtlich negativ:

 

Nein, keine Lautmalerei (Herder hatte es sich noch ganz naiv vorgestellt, dass der Mensch im Wald steht und "wispern" murmelt, weil das Geräusch der Bäume im Wind so kling oder Tierlaute nachmacht). Ding-Dong- oder Wau-Wau-Theorie nennt man das heute  :) .

 

Nein, kein plötzlicher Zuwachs an Sprache, höchstwahrscheinlich gab es was Vorgrammatisches an Benennungslauten, einem "da" oder "wir" oder "die" entsprechen, und mit dem mag man über lange Zeit hinweg ganz zufrieden gewesen sein – "man" – wer war das eigentlich? Wissen wir auch nicht wirklich.

 

Göttliche Eingebung – das muss jeder selbst entscheiden, ich habs nicht so mit dem Göttlichen, aber als Metapher mag es vielleicht taugen (wobei ich natürlich auch nicht genau sagen kann wofür).

 

Was wir beobachten können, sind Spracherwerb bei Kindern (da weiß Manfred sicher jede Menge dazu) oder so was wie Kreolisierungs- oder Pidginisierungsprozesse. Wo Sprache zurückgebeamt wird auf das Notwendigste und sich von da aus dann wieder vorwärtsbewegt – die Kinder von Pidginsprechern geben sich jedenfalls eine rudimentäre Grammatik. Sprache kann sich vorwärts wie rückwärts entwickeln. (Ich hab dieses Jahr in Russland dazu einen Vortrag gehalten, wenn ihr wollt, kann ich später noch die Beispiele dazu raussuchen).

 

Eins allein kann ich positiv bestätigen: Es muss Gedanken geben können unabhängig von Sprache. Das weiß jeder, der übersetzt und genau weiß, was er da im Originaltext vor sich hat, für die Übertragung in die andere Sprache da aber keine Worte findet. 

 

Eine Empfehlung noch zum Thema; Dieter E. Zimmer, So kommt der Mensch zur Sprache, Heyne.

 

Servus derweil, ich werde erst am Abend wieder reinschauen können,

Angelika

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

Alicia jagt eine Mandarinente. dtv premium März 2018. Die Grammatik der Rennpferde. dtv premium Mai 2016

www.angelika-jodl.de

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Stopp, noch was, bevor ich gehe: Zur Frage, was ist Denken?

 

Das kann man, glaube ich schon beantworten, aber nicht in einem Satz, sondern dazu muss man das Denken zerlegen in seine verschiedenen Formen und Funktionen (wie es Onkel Hegel gemacht hat):

 

Erinnern

Träumen

Wenn-Dann-Schlüsse Ziehen

Vergleichen

Urteilen

Reflektieren

 

Mindestens die ersten drei schaffen alle höheren Säuger. Urteilen und Nachdenken dürfte was spezifisch Menschliches sein.

 

Und jenseits allem, was wir über Körpersprache bei Tieren (und Menschen) wissen, gibt es auch die Theorie, dass das Bellen der Hunde aus dem Versuch entstanden ist, die menschliche Sprache nachzumachen.Wölfe, von denen der Hund zweifelsfrei abstammt, bellen nicht, diese Eigenschaft entwickelt sich erst im Lauf der Domestizierung. Finde ich eine sehr hübsche Hypothese.Vielleicht kann Elli dazu was sagen?

 

So, jetzt bin ich aber wirklich weg.

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

Alicia jagt eine Mandarinente. dtv premium März 2018. Die Grammatik der Rennpferde. dtv premium Mai 2016

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Den Punkt mit den Hunden finde ich sehr interessant, weil ich sofort an etwas denken musste:

 

Unsere Hündin "spricht" viel, das heißt, sie macht sich nicht nur über Körpersprache, sondern über Laute bemerkbar. Vorerst hat sie in verschiedensten Variationen gefiept - ein "ich bin auch noch hier!" (wenn sie hinter mir steht und denkt, ich sehe sie nicht) klingt anders als ein "wo sollen wir jetzt langgehen?" an der Weggabelung. Bellen kam nach einer Weile, da hat sie sicherlich gemerkt, dass die Reaktion entsprechend groß war. Und sie "maunzt" auch, das hat mit der Zeit zugenommen, so empfinde ich es. Lustig war es, als ich einmal nach Hause kam und sie wie immer mit "Hallo, Maus!" begrüßt habe, und sie als Antwort gemaunzt hat - es klang, als hätte sie auch "Maus" gesagt.  ;D

Da Hunde uns Menschen sehr genau studieren und sehr gut darin sind, Gesichtsausdrücke zu deuten, könnte ich mir gut vorstellen, dass die Theorie bzgl. Bellen einen wahren Kern hat.

"Felix", FVA 2015,  jetzt als Kindle eBook // Ab 12.7.2021: "Liebe braucht nur zwei Herzen", Penguin Verlag // Sommer 2022: "Wenn dein Herz woanders wohnt", Penguin Verlag

www.judithwilms.com

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Wie schön, dass Claudia und andere sich für die Dinge hinter der Sprache interessieren. Ich kann mal versuchen, einige Fragen aufzugreifen, und sicher können andere das ergänzen/ kommentieren/ korrigieren.  Wie gesagt, man kann beim heutigen Kenntnisstand Claudias Fragen zur zum Teil beantworten. Vielleicht fange ich mal an dieser Stelle an:

 

„Ich fragte danach, wie die Sprache in die Köpfe kam und wie Laute - vielleicht, so stelle ich es mir vor - zu Gedanken wurden und wie diese Gedanken dann (vom Denkenden selbst) wahrgenommen wurden. Wie hat sich die Wahrnehmung der Gedanken eventuell nach und nach verändert?“

 

Die „Götterstimmen“ lasse ich jetzt erst mal weg. Vielleicht später mehr dazu.

 

Zuerst mal zur „Sprache“. Wir sind ja gewohnt, uns Sprache als etwas vorzustellen, das auf Lauten basiert: gesprochene Sprache, selbst geschriebene Sprache, die man ja (in unserem Schriftsystem) in Laute übersetzen kann. Das ist aber nicht zwingend so. Die verschiedenen Gebärdensprachen der Welt kommen völlig ohne Laute aus und können dasselbe ausdrücken wie gesprochene Sprache. Das ist eine andere Sprachmodalität und aktiviert dieselben Prozesse im Geist und Gehirn – abgesehen von der „Artikulation“, die einmal über die Lautproduktion und einmal gestisch abläuft.

 

Wenn man sich anschaut, was in beiden Fällen beim „Sprechen“ passiert, wird auch etwas klarer, was mit Sprache verbunden ist. In beiden Modalitäten (beim Sprechen und beim Gebärden – so heißt das)  beginnt die Sprachproduktion damit, dass ein relativ bewusst arbeitendes Modul des Geistes eine „Geschichte“ ins Bewusstsein ruft und diese stückchenweise an andere Module abgibt, die automatisch und vorwiegend unbewusst ablaufen. Die vor-sprachlichen Stückchen der Geschichte sind konzeptuell/ semantisch, und ein automatisch arbeitendes Sprachmodul schickt diese konzeptuellen Stückchen ins mentale Lexikon, nimmt dabei grammatische Information mit und baut so laufend den gesprochenen oder gebärdeten Output auf, während sich die SprecherIn weiter die Geschichte ins Bewusstsein ruft. Das alles läuft rasant schnell ab. Etwa drei Wörter pro Sekunde oder die entsprechende Anzahl von Gebärden, die natürlich auch grammatische Elemente enthalten.

 

Man kann also schon einmal die vor-sprachliche Geschichte von der artikulierten Geschichte unterscheiden. Bei bilingualen Menschen kann dann dieselbe Geschichte ganz unterschiedlich versprachlicht werden, aber auch einsprachige Menschen können dieselbe Geschichte völlig anders versprachlichen. Daher wird sie einmal als interessant/ spannend ... und einmal als uninteressant/langweilig ... wahrgenommen.

 

Man kann sich dieselbe Geschichte auch selbst im Kopf erzählen (ohne die Lippen zu bewegen). Dann hört man gewissermaßen seine eigene Stimme oder mit mehr Phantasie auch die Stimme vorgestellter Personen – ohne dass man dabei die klassischen „Stimmen hört“, die dann eher behandlungswürdig sind.

 

Die Geschichte selbst im Kopf zu erzählen entspricht dem „inneren Monolog“. Im Alltagsverständnis vieler Menschen ist der innere Monolog dasselbe wie „Denken“. Man stellt sich Denken als einen bewussten, manchmal angestrengten Vorgang vor, in dem man seine Gedanken unter seine bewusste Kontrolle bringt. In der Kognitionsforschung ist dies aber nur ein kleiner Ausschnitt davon, was man Denken nennt. Denken kann auch völlig automatisch und unbewusst ablaufen. (https://de.wikipedia.org/wiki/Denken)

 

Ein klassisches Beispiel ist das Autofahren. Abgesehen von den automatisierten Bewegungen beim Schalten, die hoffentlich mit der Umdrehung des Motors und er Bewegung des Wagens synchronisiert sind, läuft auch das Manövrieren im Verkehr weitgehend unbewusst und automatisch ab. Man schaut in den Spiegel und über die Schulter und beschleunigt oder bremst, schätzt die eigene Geschwindigkeit im Verhältnis zu der der anderen, beachtet Hindernisse, Straßenverhältnisse, Verkehrsregen, Verkehrszeichen und kann bei Bedarf einige dieser kognitiven Prozesse auch bewusst steuern, es sei denn man ist zu sehr mit dem Kaffee, dem Navi, dem Handy, dem Streit oder der Radiosendung beschäftigt.

 

Sowohl Sprache als auch Denken haben also bewusste und unbewusste Anteile, und ich habe den Eindruck, dass man im Alltagsverständnis vor allem an die bewussten Anteile denkt und sie vergleicht. Wenn man das Verhältnis von Sprache und Denken untersucht, lohnt es sich aber, auch die unbewussten Anteile anzuschauen und zu untersuchen, wo sie her kommen. Ein besonderes Merkmal der Spezies Mensch ist ja, unser hoher Grad an bewusstem Denkvermögen, das nicht erst vor kurzem entstanden ist. Davon zeugen z. B. klare Indizien von präzisen astronomischen und akustischen „Berechnungen“, die lange vor der Entwicklung von Schrift datiert werden können.

 

 

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Neben der Sprachverarbeitung in Geist und Gehirn können uns auch weitere Aspekte der Sprache Hinweise zur Beantwortung von Claudias Fragen geben.

 

Wenn wir einfach einmal ein Wort betrachten, dann kann man schon einiges erkennen. Nehmen wir „Baum“. Das Wort nimmt Bezug auf ein Ding in der Natur, genauer auf eine Pflanze mit bestimmten Eigenschaften. Eine davon ist vermutlich der Stamm, um es von anderen Pflanzen abzugrenzen. Sprachphilosophen fragen sich, ob der Mensch der Natur diese differenzierenden Eigenschaften zuweist oder ob diese Eigenschaften der Natur inne wohnen. Je nach Position ist das „Worten der Welt“ (L. Weisgerber) ein Prozess, der vom Gedanken oder von der Natur ausgeht.  Unabhängig davon, wie man das sieht, wird aber klar, dass ein Wort wie „Baum“ eine symbolische Funktion hat und nicht ein bestimmtes Einzel-Objekt bezeichnet, sondern eine ganze Klasse von Objekten, nicht den bestimmten Baum, sondern den Baum unter den anderen Arten von Pflanzen.

 

Diese symbolische Funktion von Wörtern erfordert eine gewisse Abstraktionsfähigkeit. Daher erwerben Kinder diese Art von Bedeutungszuweisung auch erst nach einiger Vorarbeit. Wenn das Kind Motorroller, Laster, Rasenmäher und Drohnen allesamt „brrrm“ benennt, dann hat es genau diesen symbolische Funktion erworben. Es hat aus einer unendlichen Zahl von Phänomenen aus der Realität einen begrenzten Satz von Merkmalen ausgewählt und zu einer Bedeutungsstruktur gebündelt, zu der Klasse der brrrms, die sich von der Klasse aller piep-pieps grundlegend unterscheidet.

 

Jetzt lasst uns mal wieder „auf den Hund kommen“, um mit Konrad Lorenz zu sprechen. Ich hatte zwar vorgeschlagen, dass wir uns bei der Suche nach Sprache und Denken auf die Spezies Mensch beschränken, aber Elli wurde schon angesprochen, und die Sache mit der symbolischen Funktion ist auch unter einigen nicht-menschlichen Tieren untersucht worden, z.B. bei den Schimpansen und verschiedenen Arten von Vögeln. Es wird nicht wenig überraschen, dass die symbolische Funktion kein Alleinstellungsmerkmal unserer Spezies ist. Einige Affen haben z.B. in Gefangenschaft (also im Zoo, Labor o.ä.)  nach intensivem Training mehrere hundert (menschliche) Wörter gelernt (per Gebärdensprache oder anderen nicht gesprochenen Systemen). In Freiheit kommunizieren diese Wesen natürlich anders. Aber diese Experimente zeigen schon einmal, dass Schimpansen und ihre Verwandten im Prinzip und in Grenzen über die mentalen Fähigkeiten verfügen, Wörtern symbolische Funktion zuzuweisen.

 

Diese Überlappung von mentalen Eigenschaften bei evolutionär verwandten Spezies macht Sinn. Sprache ist offenbar nicht plötzlich über uns gekommen, sondern sie besteht aus vielen Bestandteilen, von denen viele Stück für Stück in der Evolution auftraten.

 

Darüber hinaus gibt es weitere Dinge, die weitere Hinweise auf der Suche nach Sprache und Denken des Menschen geben. Dazu gehört auch das Verständnis des Gegenübers und das Verständnis von Raum und Zeit. Davon später mehr, wenn ihr mögt.

Bearbeitet von Manfred
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Danke !!!! Wie toll, das alles zu erfahren und beantwortet zu bekommen. Und selbst trotzdem spekulieren zu dürfen ...

Erstmal zu Angelika:

 

 

 

Nein, kein plötzlicher Zuwachs an Sprache, höchstwahrscheinlich gab es was Vorgrammatisches an Benennungslauten, einem "da" oder "wir" oder "die" entsprechen, und mit dem mag man über lange Zeit hinweg ganz zufrieden gewesen sein – "man" – wer war das eigentlich? Wissen wir auch nicht wirklich.

Ob es wohl mit Gebärden anfing? (Manfred schreibt ja, Gebärden sind Sprache. Dazu später.) Nur muss man einander ja sehen, um gebärdig sprechen zu können. So stelle ich mir vor, dass man dann bei der Jagd oder über lange Distanzen Laute brauchte und dass diejenigen im Vorteil waren, die sich mit Lauten verständigen konnten. Vermutlich habe ich das irgendwann mal irgendwo gelesen, keine Ahnung, ob die Theorie, falls es eine ist, noch gültig ist.

 

 

 

Göttliche Eingebung – das muss jeder selbst entscheiden, ich habs nicht so mit dem Göttlichen, aber als Metapher mag es vielleicht taugen (wobei ich natürlich auch nicht genau sagen kann wofür).
Das würde ich auch gern gesondert behandeln, es geht mir um eine Theorie, die aber anscheinend, wie Manfred schon sagte, irreführend oder schlicht falsch ist.

 

 

 

Was wir beobachten können, sind Spracherwerb bei Kindern (da weiß Manfred sicher jede Menge dazu) oder so was wie Kreolisierungs- oder Pidginisierungsprozesse. Wo Sprache zurückgebeamt wird auf das Notwendigste und sich von da aus dann wieder vorwärtsbewegt – die Kinder von Pidginsprechern geben sich jedenfalls eine rudimentäre Grammatik. Sprache kann sich vorwärts wie rückwärts entwickeln. (Ich hab dieses Jahr in Russland dazu einen Vortrag gehalten, wenn ihr wollt, kann ich später noch die Beispiele dazu raussuchen).

 

Bitte, finde ich sehr spannend. Ja, klar, Sprache kann absolut zurückgefahren werden. (Siehe diesen lustigen Beitrag eines Comedian über das Bücherlesen, der Link war irgendwo im Kaffeehaus). Und wie schön, dass sie dann wieder komplexer werden kann.

 

 

 

Eins allein kann ich positiv bestätigen: Es muss Gedanken geben können unabhängig von Sprache. Das weiß jeder, der übersetzt und genau weiß, was er da im Originaltext vor sich hat, für die Übertragung in die andere Sprache da aber keine Worte findet.

 

Kenn ich - obwohl keine Übersetzerin. Aber dennoch immer wieder versuchend und wenn es geht im Original lesend. Das ist ein ganz leeres Gefühl. Da laufen dann anscheinend diese unbewussten Prozesse ab, von denen Manfred schreibt, aber das Bewusstsein macht nicht mit.

 

 

 

Eine Empfehlung noch zum Thema; Dieter E. Zimmer, So kommt der Mensch zur Sprache, Heyne.

Danke!

Bearbeitet von ClaudiaB

Baronsky&Brendler: Liebe würde helfen  Ein Staffelroman 
Februar 21, Kampa

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Da Hunde uns Menschen sehr genau studieren und sehr gut darin sind, Gesichtsausdrücke zu deuten, könnte ich mir gut vorstellen, dass die Theorie bzgl. Bellen einen wahren Kern hat.

Das ist ja ein Ding. Aber vorstellbar, ja. Meine Wasserschildkröten haben sich nie an mich angepasst, weder, was das Sprechen betrifft, noch sonst. (Wahrscheinlich hab ich mich eher an sie angepasst.) :)

Baronsky&Brendler: Liebe würde helfen  Ein Staffelroman 
Februar 21, Kampa

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Und jetzt zu Manfred 1. :)

 

Zuerst mal zur „Sprache“. Wir sind ja gewohnt, uns Sprache als etwas vorzustellen, das auf Lauten basiert: gesprochene Sprache, selbst geschriebene Sprache, die man ja (in unserem Schriftsystem) in Laute übersetzen kann. Das ist aber nicht zwingend so. Die verschiedenen Gebärdensprachen der Welt kommen völlig ohne Laute aus und können dasselbe ausdrücken wie gesprochene Sprache. Das ist eine andere Sprachmodalität und aktiviert dieselben Prozesse im Geist und Gehirn – abgesehen von der „Artikulation“, die einmal über die Lautproduktion und einmal gestisch abläuft.

Ja, das ist ein für mich interessanter Gedanke, den ich nachvollziehen kann. Auch wenn ich automatisch und relativ beschränkt bei Sprache zuerst an Laut denke. Dabei sind wir von Sprache ohne Laute umgeben und benutzen sie ja selbst, wenn auch viel rudimentärer als wirkliche Gebärdensprache. Sehr interessant fand ich Berichte und Untersuchungen über Sprache bei Schizophrenen, die auf ein pures Agieren hinausläuft. Zumindest wurde das von einer Schizophrenen genau so beschrieben, dass das Agieren eine eigene Sprache sei.

 

 

 

Wenn man sich anschaut, was in beiden Fällen beim „Sprechen“ passiert, wird auch etwas klarer, was mit Sprache verbunden ist. In beiden Modalitäten (beim Sprechen und beim Gebärden – so heißt das)  beginnt die Sprachproduktion damit, dass ein relativ bewusst arbeitendes Modul des Geistes eine „Geschichte“ ins Bewusstsein ruft und diese stückchenweise an andere Module abgibt, die automatisch und vorwiegend unbewusst ablaufen.

Die "Geschichte" hat dann, wie ich es verstehe, einen Inhalt, aber keine Sprache. Das relativ bewusst arbeitende Modul hat eigentlich einen noch unausdrückbaren Inhalt. Oder? Dann passiert das, was du beschreibst:

 

 

 

Die vor-sprachlichen Stückchen der Geschichte sind konzeptuell/ semantisch, und ein automatisch arbeitendes Sprachmodul schickt diese konzeptuellen Stückchen ins mentale Lexikon, nimmt dabei grammatische Information mit und baut so laufend den gesprochenen oder gebärdeten Output auf, während sich die SprecherIn weiter die Geschichte ins Bewusstsein ruft. Das alles läuft rasant schnell ab. Etwa drei Wörter pro Sekunde oder die entsprechende Anzahl von Gebärden, die natürlich auch grammatische Elemente enthalten.

 

(Keine Ahnung, ob ich mir das richtig erkläre! bzw das richtig verstehe, was du hier beschreibst.)

 

 

 

Man kann also schon einmal die vor-sprachliche Geschichte von der artikulierten Geschichte unterscheiden. Bei bilingualen Menschen kann dann dieselbe Geschichte ganz unterschiedlich versprachlicht werden, aber auch einsprachige Menschen können dieselbe Geschichte völlig anders versprachlichen. Daher wird sie einmal als interessant/ spannend ... und einmal als uninteressant/langweilig ... wahrgenommen.

Ganz dumm gefragt: Die Wahrnehmung als spannend oder dröge hängt doch auch stark vom Zuhörer ab ... Aber, gut. Nehmen wir einen Zuhörer. Und einen Erzähler, der die selbe "Geschichte" einmal interessant oder langweilig erzählt? Oder verschiedene Erzähler?

 

 

 

Man kann sich dieselbe Geschichte auch selbst im Kopf erzählen (ohne die Lippen zu bewegen). Dann hört man gewissermaßen seine eigene Stimme oder mit mehr Phantasie auch die Stimme vorgestellter Personen – ohne dass man dabei die klassischen „Stimmen hört“, die dann eher behandlungswürdig sind.

Ich empfinde nicht, dass man die eigene Stimme hört, wenn man denkt. Wenn man, meist als Kind, die eigene Stimme das erste Mal hört, wenn sie aufgenommen wurde, erschrickt man ja meist, ich denke, das ist auch heute noch so.  Weil das, was man selbst hört und wie man das eigene Sprechen wahrnimmt, sehr anders ist als das, was man anscheinend objektiv hört. Das Denken unterscheidet sich noch mal davon, finde ich, man hört sich selbst nicht, wie man die eigene Stimme während des Sprechens hört (und schon gar nicht wie auf einer Aufnahme). Es ist irgendwas anderes, die neutralisierte eigene Stimme. Die Gedankenstimme.
Über die klassischen "Stimmen" müssen wir nochmal gesondert diskutieren. Damit habe ich mich sehr intensiv beschäftigt, ich schreibe ja drüber. :) (Kein Sachbuch und NEIN!! auch keine Thriller, in denen ein "schizophrener" Mörder vorkommt.)

 

Danke und liebe Grüße in die Runde

Claudia

Bearbeitet von ClaudiaB

Baronsky&Brendler: Liebe würde helfen  Ein Staffelroman 
Februar 21, Kampa

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Also, zwei Beispiele zu diesem Vor- und Rückwärts in der Sprachentwicklung.

 

1. Entwicklung von Pidginsprachen.

Das passiert regelmäßig, wenn Sprecher verschiedener Sprachen aufeinandertreffen.

 

Merkmale von Pidgin:         - reduzierte Lexik

                                               - reduzierte Grammatik.

Beispiel:         Russenorsk (russisch-norwegisch):

Kak sprek?                Moje niet forsto.

Was sprichst du?       Ich verstehe nicht.

 

2. Nächste Stufe Kreolsprachen

 

Dabei geben sich die Kinder der Pidgin-Sprecher eine neue Grammatik, die ohne Flexion auskommt, stattdessen Partikel benutzt.

 

Beispiel:         Hawaii-Kreol:

                                            He walk – er geht. He bin walk – er ging

 

3. Hin und Her auf dem Balkan

 

Stark betroffen vom Abrieb der Morphologie waren sämtliche Balkansprachen. So haben etwa alle den Infinitiv verloren, Bulgarisch seine sämtlichen (sechs!) Kasus. Was als Neugriechisch innerhalb der Grenzen Griechenlands bis zur Mitte der 80er im 20. Jahrhundert übrig blieb, war eine grammatikalische Rumpfsprache, die so genannte Demotiki, die z.B. ohne ein differenziertes System von Relativpronomen auskommen musste. Erst als die sozialistische PASOK an die Regierung kam, hat es deren Hofzeitung (to bima) geschafft, durch behutsame Einpflege von Elementen aus der synthetischen "Hochsprache" Katharevousa (die kein normaler Mensch sprach), eine Sprache zu schaffen, die auch weiter gehenden intellektuellen Ansprüchen genügte.

Bearbeitet von Angelika Jo

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

Alicia jagt eine Mandarinente. dtv premium März 2018. Die Grammatik der Rennpferde. dtv premium Mai 2016

www.angelika-jodl.de

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Sehr interessant, Manfreds Ausführungen. Was Tiere betrifft, so habe ich kürzlich gelesen, dass ein Forscherteam herauszufinden versucht hat, wie viele menschliche Worte sich ihr Versuchstier, ein Hund, tatsächlich merken kann und auch die Bedeutung versteht. Der Hund konnte sich nach einigem Üben tatsächlich unglaublich viele Wort erkennen und entsprechend reagieren. Angeblich haben sie dann bei 5.000 Worten aufgehört. Das finde ich doch sehr erstaunlich.

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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Darf ich einen kurzen Einwurf von der Seite machen: Zu den Ausführungen von Angelika fällt mir ein Radio-Beitrag zum Thema "Leichte Sprache" ein, den ich kürzlich gehört habe und dessen Inhalt hier als Nebenaspekt vielleicht interessant sein könnte. Folgenden Taz-Beitrag habe ich dazu gefunden (Man kann die Bezahl-option wegklicken, dann erscheint der Artikel): http://www.taz.de/Dolmetscherin-fuer-Leichte-Sprache/!5355791/

 

Ich denke seither immer wieder darüber nach.

 

Eva

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Eins allein kann ich positiv bestätigen: Es muss Gedanken geben können unabhängig von Sprache. Das weiß jeder, der übersetzt und genau weiß, was er da im Originaltext vor sich hat, für die Übertragung in die andere Sprache da aber keine Worte findet. 

 

 

Hm, das würde ich als Übersetzerin nicht so uneingeschränkt bejahen.  Ich übersetze ja nur aus dem Englischen ins Deutsche, d.h. aus einem uns doch recht nahen Kulturkreis, und selbst dort gibt es Begriffe, bei denen sich nicht sofort ein klares Bild in meinem Kopf bildet, auch wenn ich weiß, was sie bedeuten.

 

Zum Beispiel das "Rehearsal-Dinner". Das ist in der nordamerikanischen Tradition eine Art Probeessen vor dem Tag der Trauung und diente ursprünglich wohl auch dazu, dass sich die Familien von Braut und Bräutigam kennenlernen. Klar gibt es auch im deutschen Sprachraum mehrtägige Hochzeitsfeiern, in anderen Kulturen sowieso, aber es gibt eben keinen festen deutschen Begriff für diese Art Feier. Das ist das eine Problem beim Übersetzen: Wie beschreibe ich etwas, das es im Deutschen nicht gibt, möglichst knapp und treffend?

Das andere Problem ist das Gefühl, das beim Wort "Rehearsal-Dinner" bei einem Amerikaner ausgelöst wird. Egal ob gut oder schlecht, ich vermute, da läuft ein Automatismus ab, und jeder Nordamerikaner kann sich sofort etwas darunter vorstellen, weil er mit dem Begriff besondere Erlebnisse - ob gut oder schlecht - verbindet. Wenn ich in einer Übersetzung so ein Abendessen beschreibe (oder den englischen Begriff verwende und ihn textimmanent erkläre) werde ich beim deutschen Leser (oder eher der Leserin, weil es meistens irgendwas mit Liebe und so zu tun hat) niemals dieselben intensiven Gefühle hervorrufen wie bei der nordamerikanischen Leserin.

 

Als Übersetzerin kann ich mir und den deutschsprachigen Lesern mit meinen Worten eine Krücke bauen, um das rational nachzuvollziehen, wofür die anderen ein Wort benötigen. Aber dieser Gedanke kommt ja eben nicht ohne Worte aus, sondern mit vielen, wo im Original eines ausreicht. Wenn ich nicht beim Übersetzen auf dieses Wort (und die dahinterstehende Tradition) gestoßen wäre, würde ich ja nicht zu Hause sitzen und denken: Mensch, das gibt bestimmt irgendwie eine Feier am Tag vor der Trauung, bei der sich zwei Familien kennenlernen ... wie könnte das denn mal heißen?

 

Was ich damit sagen will: Ich glaube, dass die Art, wie Menschen leben, ihre Sprache prägt. Unsere Lebenswelt, unsere Gedanken, die Art, wie wir bestimmte Vorstellungen, Traditionen etc. emotional besetzen, hat Auswirkungen auf die Begriffe und die mitschwingende Bedeutung dieser Begriffe. Wenn eine Kultur bestimmte Dinge gar nicht kennt, wird darüber auch nicht nachgedacht, also braucht es auch gar keinen Begriff davon.

 

Ein anderes Beispiel ist die bemerkenswerte Tatsache, dass es im Englischen keinen Begriff für "Guten Appetit" gibt. Und ist die englische Küche nicht geradezu legendär, wie schon Asterix als Legionär erkannte? :-)

 

lg

Maria

Komm wir essen Opa.

SATZZEICHEN können Leben retten.

www.mcpoets.de

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Hallo in die Runde,

 

da ist man mal einen Tag nicht online, und schon gibt es viele interessante Beiträge. Ich möchte mal einige davon kommentieren.

 

Quote ClaudiaB

Wenn man sich anschaut, was in beiden Fällen beim „Sprechen“ passiert, wird auch etwas klarer, was mit Sprache verbunden ist. In beiden Modalitäten (beim Sprechen und beim Gebärden – so heißt das)  beginnt die Sprachproduktion damit, dass ein relativ bewusst arbeitendes Modul des Geistes eine „Geschichte“ ins Bewusstsein ruft und diese stückchenweise an andere Module abgibt, die automatisch und vorwiegend unbewusst ablaufen.

Die "Geschichte" hat dann, wie ich es verstehe, einen Inhalt, aber keine Sprache. Das relativ bewusst arbeitende Modul hat eigentlich einen noch unausdrückbaren Inhalt. Oder? Dann passiert das, was du beschreibst:

Quote

Die vor-sprachlichen Stückchen der Geschichte sind konzeptuell/ semantisch, und ein automatisch arbeitendes Sprachmodul schickt diese konzeptuellen Stückchen ins mentale Lexikon, nimmt dabei grammatische Information mit und baut so laufend den gesprochenen oder gebärdeten Output auf, während sich die SprecherIn weiter die Geschichte ins Bewusstsein ruft. Das alles läuft rasant schnell ab. Etwa drei Wörter pro Sekunde oder die entsprechende Anzahl von Gebärden, die natürlich auch grammatische Elemente enthalten.

 

(Keine Ahnung, ob ich mir das richtig erkläre! bzw das richtig verstehe, was du hier beschreibst.)

 

Ok, das war vielleicht zu technisch. Ich versuche es noch einmal: Du hattest ja richtig zusammengefasst (  :) ), dass "das relativ bewusst arbeitende Modul ... eigentlich einen noch nicht ausdrückbaren Inhalt (hat)". Im nächsten Absatz beschreibe ich, wie dieser Inhalt dann in sprachliche Form gebracht wird, und zwar in Millisekunden, also als sprachliche Höchstleistung. Dieser Vorgang läuft u.a. über das mentale Lexikon ab. Wesentlich ist dabei, dass das Erfinden/ Abrufen der Geschichte zeitgleich mit der Sprachproduktion abläuft.

 

Ich drücke schon mal "Antworten", um nicht gleich von vorn anfangen zu müssen.

 

 

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Quote ClaudiaB

Man kann also schon einmal die vor-sprachliche Geschichte von der artikulierten Geschichte unterscheiden. Bei bilingualen Menschen kann dann dieselbe Geschichte ganz unterschiedlich versprachlicht werden, aber auch einsprachige Menschen können dieselbe Geschichte völlig anders versprachlichen. Daher wird sie einmal als interessant/ spannend ... und einmal als uninteressant/langweilig ... wahrgenommen.

Ganz dumm gefragt: Die Wahrnehmung als spannend oder dröge hängt doch auch stark vom Zuhörer ab ... Aber, gut. Nehmen wir einen Zuhörer. Und einen Erzähler, der die selbe "Geschichte" einmal interessant oder langweilig erzählt? Oder verschiedene Erzähler?

_________________________

 

Ja, klar hängt die Wahrnehmung vom Zuhörer ab. Der Punkt war hier, dass die menschliche Sprache viele Ausdrucksformen für denselben Inhalt bietet, halt die Eins-zu-viele-Relation, von der ich vorher mal gesprochen habe, und das ist ja die Basis für den Sprecher/Schreiber, um auf verschiedene Erwartungen der Hörer/ Leser einzugehen. Das ermöglicht ja gerade Stil, Register usw.

 

Die Sache mit dem vor-sprachlichen Inhalt und seiner Versprachlichung passt auch ganz gut zu dem interessanten Kommentar von MariaP zum Übersetzungsprozess. Übersetzer, Dolmetscher und andere mehrsprachige Menschen beobachten immer wieder, dass man manche Wörter and Vorannahmen nicht ein-zu-eins übersetzen kann. Diese Beobachtung hat in der Vergangenheit zu der (sprachphilosophischen) Frage geführt, ob das Denken, das mit jeder Sprache verbunden ist, überhaupt vergleichbar ist. Diese Fragestellung impliziert natürlich schon einen enge Verbindung von Sprache und Denken. Leo Weisgerber etwa ging davon aus, dass die jeweilige Muttersprache das Instrument ist, mit dem die dazugehörige  Kultur die Welt in eine Ordnung einteilt. Das ist aber eine recht extreme Sichtweise. Unter Psycholinguisten ist eher Annahme verbreitet, dass das vor-sprachliche Denken auf universellen Bedeutungsstrukturen basiert und dass diese im Sprech-/ Schreibprozess auf die Lexik der Einzelsprache bezogen werden. So können ganze Gedankengänge und kulturelle Erfahrungen in einigen Sprache zu einem Wort verdichtet werden, während sie in anderen Sprachen kontextualisiert werden müssen. 

 

Nebenbei zu "Guten Appetit". Bei dinner parties sagte man in Australien immer "enjoy your meal". Aber das gilt wohl eher im privaten Kontext.

 

Simplifizierung und Komplexitätszunahme wird an verschiedenen Stellen angesprochen. Dazu lohnt sich auch der Blick auf die Sprachproduktion - wie oben beschrieben, also vor-sprachliche Inhalte, die scheibchenweise in sprachliche Form gebracht werden. Das erklärt zu einen, wie man mitten im Erzählvorgang noch einen Schlenker machen kann, eine andere Wendung hinein bringen kann, den Stil dem Publikum anpassen kann. Zu anderen erklärt es, warum man dieselbe Geschichte auf Tausend Weisen erzählen kann. Eine der möglichen Varianten ist die der Simplifizierung. Sie kann sich auf der Ebene der Wörter abspielen oder auf der Ebene der Grammatik oder – bis zu einem gewissen Grad auf der Ebene der Semantik. Die Einschränkung kommt bei der Semantik hinzu, weil eine allzu vereinfachte Geschichte irgendwann eine andere Geschichte wird.

 

In diesem Zusammenhang stehen auch „Leichte Sprache“ und „Einfache Sprache“, die Eva erwähnte. Diese Varianten des Deutschen werden nach bewussten Regeln lexikalisch, grammatisch und semantisch vereinfacht in der Annahme, dass so dieselben Inhalte transportiert werden wie in nicht vereinfachter Sprache und leichter verstanden werden können, ohne dass die Sprachvariante sozial markiert ist – wie etwa beim Ausländerdeutsch, der simplifizierten Variante, die manchmal gegenüber Ausländern verwendet wird.

 

„Leichte Sprache“ und „Einfache Sprache“ stehen im deutschsprachigen Raum vor allem im Kontext der Inklusion. In Großbritannien und Australien ist das anders. Dort wurde seit Jahrzehnten „plain English“ propagiert und umgesetzt. Dabei geht es darum, verklausuliertes Englisch z.B. bei Verträgen  so umzuformulieren, dass es von Laien verstanden werden kann. Der australische ADAC (dort „NRMA“) ist u.a ein großes Versicherungsunternehmen, und es hat schon vor Jahrzehnten plain Englisch in seinen Verträgen umgesetzt. Viele Regierungsstellen unterstützen diese Bewegung, die also nicht primär im Zusammenhang mit Behinderung gebracht wird, sondern mit den legitimen Interessen von Bürgern und Verbrauchern.

 

Simplifizierung und Spracherwerb laufen etwas anders. Da wird nicht etwas Komplexes simplifiziert, es laufen andere Prozesse ab. Im Fall von Kinderspracherwerb muss die konzeptuelle Ebene, also die vor-sprachlichen Inhalte zusammen mit den Ausdrucksmöglichkeiten aufgebaut werden. Es geht also von einem Anfangspunkt zur vollen Muttersprache (immer komplexer im Laufe des Erwerbsprozesses). Im Zweitspracherwerb ist die konzeptuelle Ebene vorhanden (bis auf die von Maria angesprochenen Fälle). Der Sprachproduktionsprozess muss aber mit den einfachsten Mitteln durchgeführt werden, da die Mittel schrittweise aufgebaut werden (ebenfalls komplexer im Laufe des Erwerbsprozesses). Nur haben Erst- und Zweitspracherwerb schon wegen der vor-sprachlichen Komponente eine unterschiedlich Basis. Aus der Sicht der Muttersprachler simplifizieren also die Spracherwerber ihre Sprache, aus der Innensicht der Lerner wird ihr Sprachsystem aber komplexer.

 

​Bei der Suche nach dem Ursprung von Sprache und Denken geht es aber darum, was die Grundvoraussetzungen für die Entstehung der Einzelteile des Sprachverarbeitungssystems (einschliesslich vorsprachlicher und sprachlicher INHALTE) sind.  Vielleicht komme ich ja noch dazu, etwas über das Verständnis des Gegenübers und das Verständnis von Raum und Zeit zu sagen. Das könnte die Sache vielleicht noch etwas weiter erhellen.

Bearbeitet von Manfred
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Ach, wie schön, die Urfragen der Linguistik hier "daheim" im Forum! Ich puzzele grade mühsam zusammen, was ich noch von Noam Chomsky, John Searle und andere klugen Menschen im Gedächtnis habe, und stelle fest, dass mein Linguistik-Abschluss viel zu lange zurück liegt. Die Vorschreiber sind jedenfalls sehr mutig, wenn sie diese studienfüllenden Themen hier aufgreifen. Ich lese sehr gern mit! Danke dafür!

Nelle

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Hallo zusammen,

 

ich habe da meine eigenen Vorstellungen.

 

Babys und Kleinkinder lernen ihre Muttersprache nicht über Worte, sondern über Klänge und die Kombination von Klängen. Die ersten Worte setzten diese Klänge und Rhythmiken zusammen und ergänzen diese zu einem Sinneszusammenhang. Ich bin mir inzwischen sicher, dass bestimmte Musikstücke nur aus

bestimmten Sprachen zu denken waren.

Bei einem späteren Spracherwerb müssen wir diesen Teil abstrahieren und übertragen an manchen Stellen Sinneszusammenhänge falsch, zumindest aus Sicht von Muttersprachlern. Auch die Verbindung von Klängen und Rhythmiken sind schwierig nachzulernen, wobei Kinder hier viel lautlicher arbeiten und es somit viel leichter haben. 

Wenn jemand davon spricht, dass Heim oder Heimat ein Gefühl ist, dann sind es unsere Sinneszusammenhänge, die sich ergänzen.

 

Jeder der Lust hat dieser Idee mal nachzugehen, sollte es wie Thomas Mann versuchen. Wählt zwei bestimmte Musikstücke und arbeitet die Rhythmik in einen Text zum gleichen Thema. Die Ergebnisse sind wirklich faszinierend... wenn man zu Texten schreiben kann.

 

Gruss

 

Thomas

"Als meine Augen alles // gesehen hatten // kehrten sie zurück // zur weißen Chrysantheme". Matsuo Basho

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Stimmt, Nelle. Die Mutter aller Fragen über die Sprache und uns selbst. Aber die Neugier ist völlig berechtigt. Und wenn man’s wissen will, dann möchte man nicht gleich eine ganze Bibliothek lesen. Halt ein riesen Fass, wie ich oben sagte. Aber vielleicht lohnt es sich, mal einige Aspekte zu beleuchten.

 

Die Sache mag noch so komplex sein. Es schimmert doch immer die Frage durch  „wann und wie entstand Sprache/ Denken?“. Und es gibt darauf ja tatsächlich viele "runde" Antworten. Nur sind die eben allesamt völlig spekulativ. Ich zitiere mal Christian Lehmann dazu: http://www.christianlehmann.eu/ling/elements/index.html?http://www.christianlehmann.eu/ling/elements/ursprung_elementar.php

 

„Die bemerkenswertesten spekulativen Beiträge zum Sprachursprung sind die folgenden:

1   In Platons Dialog Kratylos vertritt der Titelgeber die Ansicht, alle Wörter seien ursprünglich onomatopoetisch motiviert gewesen.

2   J.J. Rousseau vertritt in seinem Essai sur l'origine des langues (1755) eine empiristische Position. Sprache ist die Fortsetzung vormenschlicher Lautäußerungen, besteht also zunächst in Naturlauten und emotiven Interjektionen, die sekundär auch als Reaktion auf Beobachtungsdaten geäußert werden. Erst später werden allgemeine und abstrakte Begriffe gebildet. Grundlage der Sprache und wesentlicher Unterschied zu Tieren ist des Menschen "Wille, frei zu sein".

3   Eine weitere Ansicht wird ebenfalls von Rousseau vertreten, nämlich daß es vor der Lautsprache nur Gestik gegeben habe. Diese These wird 1930 von Richard Paget in dem Sinne umgedeutet, daß die Gesten sich, da andere Körperteile für andere Aufgaben gebraucht wurden, auf Gesten der Sprechwerkzeuge beschränkt hätten.1

4   Von A.R. Luria (1970), einem sowjetischen Psychologen, stammt die Theorie, die ersten Sprachlaute seien zur Steuerung der gemeinsamen Arbeit eingesetzt worden.

Solche Theorien wurden schon früh ironisiert, so von dem Sprachwissenschaftler Max Müller um die Mitte des 19. Jh. Daher heißen sie auch, in obiger Reihenfolge, die Wauwau-Theorie, Aua-Theorie, Dada-Theorie und Hauruck-Theorie.

Johann Peter Süßmilch argumentiert ... gegen Rousseau ..., daß alle existierenden Sprachen auf derselben vollkommenen Evolutionsstufe sind, und gibt Beispiele von der Sophistizität sog. primitiver Sprachen.“

 

Man kann es auch noch deutlicher sagen: die Wauwau-Theorie, Aua-Theorie, Dada-Theorie und Hauruck-Theorie sind eigentlich ein Witz – wenn auch unbeabsichtigt. Und wenn man wissenschaftlich bleibt, sind es allesamt – trotz des Namens - eben keine Theorien, sondern schlicht wilde Spekulationen.

 

Wie Lehmann schreibt, mussten Wissenschaftler bis vor kurzem um ihren Ruf fürchten, wenn sie auch nur in die Nähe von Spekulationen über den Ursprung der Sprache kamen. Das hat sich geändert, seit die DNA des modernen Menschen, des Neandertalers, von prähistorischen (modernen) Menschen und von verwandten Primaten analysiert werden konnten und Gensequenzen mit Sprache und Sprachstörungen in Verbindung gebracht werden konnten, seit die Anatomie der o.g. verwandten Primaten präzise mit ihrer Artikulationsfähigkeit in Verbindung gebracht werden konnte, seit mikroskopisch kleine Überreste auf Zähnen und Werkzeugen analysiert werden können ... die Liste der neuen Methoden und Ansätze ist lang, und die Ansätze sind interdisziplinär und oft überraschend.

 

Dies ist der Kontext, in dem die gegenwärtige spannende Diskussion über den Ursprung von Sprache und Denken statt findet. Wie so oft müssen die großen Fragen zuerst einmal in viele kleine Fragen herunter gebrochen werden. Es besteht nach meiner Auffassung keine Hoffnung, dass wir die große Frage „wie und wann entstand Sprache?“ wie in einer Geschichte an einem Stück beantworten können. In den letzten Jahren haben Forscher vieler Disziplinen mit großem Einfallsreichtum viele Aspekte der Entwicklung unserer Spezies und ihrer Verwandten erforscht, die diese Frage eingrenzen. Eine Untersuchungsrichtung besteht zum Beispiel darin, die kognitiven und kommunikativen Fähigkeiten des Menschen mit denen seiner nächsten Verwandten unter den Primaten zu vergleichen und diese mit den Fähigkeiten ihrer Verwandten abzugleichen. Auf diese Weise bekommt man ein Bild davon, wie sich diese Fähigkeiten in der Evolution entwickelt haben und welche Fähigkeiten wir mit anderen Wesen/ Tieren teilen, auf denen wir selbst also aufbauen konnten.

 

Und ein Teil dieser Studien wiederum bezieht sich auf die Frage, wie wir den/ die anderen wahrnehmen. Das Bild, das wir uns von uns selbst und von anderen machen, ist ein entscheidender Bestandteil unseres Bewusstseins. Die Frage zielt also darauf ab, welchen Grad von Bewusstsein wir und unsere Verwandten haben. Dazu gibt es aufschlussreiche Studien, die genaue Unterschiede bei der Entwicklung menschlicher Kinder und zwischen verschiedenen Spezies aufzeigen. Aber ich fürchte, diese Geschichte muss ich ein anderes Mal erzählen, wenn Ihr noch Interesse daran habt.

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Ich versuche es noch einmal: Du hattest ja richtig zusammengefasst (  :) ), dass "das relativ bewusst arbeitende Modul ... eigentlich einen noch nicht ausdrückbaren Inhalt (hat)". Im nächsten Absatz beschreibe ich, wie dieser Inhalt dann in sprachliche Form gebracht wird, und zwar in Millisekunden, also als sprachliche Höchstleistung. Dieser Vorgang läuft u.a. über das mentale Lexikon ab. Wesentlich ist dabei, dass das Erfinden/ Abrufen der Geschichte zeitgleich mit der Sprachproduktion abläuft.

Danke, Manfred! Dann habe ich es doch richtig verstanden.

 

 

Der Punkt war hier, dass die menschliche Sprache viele Ausdrucksformen für denselben Inhalt bietet, halt die Eins-zu-viele-Relation, von der ich vorher mal gesprochen habe, und das ist ja die Basis für den Sprecher/Schreiber, um auf verschiedene Erwartungen der Hörer/ Leser einzugehen. Das ermöglicht ja gerade Stil, Register usw.
Ja, hatte ich eigentlich auch so verstanden, irritiert hat mich nur, dass einerseits als interessant oder andererseits als langweilig empfunden werden kann.

Dass der Sprecher für einen einzigen Inhalt vielfältige sprachliche Ausdrucksmöglichkeiten hat, dass das so angelegt ist bzw sich so entwickelt hat, ist einleuchtend. Und natürlich weiß man auch hier vermutlich nicht, wie es dazu kam. Den Artikel über die "leichte Sprache" fand ich sehr spannend. Einerseits absolut erwünscht, nützlich, auch von einer ganz anderen Klarheit, die Poesiemöglichkeiten gibt - andererseits habe ich den Eindruck, dass bestimmte belletristische Bücher auch schon in "leichter Sprache" geschrieben sind, mehr oder weniger natürlich. Jetzt drücke ich auch erstmal antworten ...

Bearbeitet von ClaudiaB

Baronsky&Brendler: Liebe würde helfen  Ein Staffelroman 
Februar 21, Kampa

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Die Sache mit dem vor-sprachlichen Inhalt und seiner Versprachlichung passt auch ganz gut zu dem interessanten Kommentar von MariaP zum Übersetzungsprozess. Übersetzer, Dolmetscher und andere mehrsprachige Menschen beobachten immer wieder, dass man manche Wörter and Vorannahmen nicht ein-zu-eins übersetzen kann. Diese Beobachtung hat in der Vergangenheit zu der (sprachphilosophischen) Frage geführt, ob das Denken, das mit jeder Sprache verbunden ist, überhaupt vergleichbar ist. Diese Fragestellung impliziert natürlich schon einen enge Verbindung von Sprache und Denken. Leo Weisgerber etwa ging davon aus, dass die jeweilige Muttersprache das Instrument ist, mit dem die dazugehörige  Kultur die Welt in eine Ordnung einteilt.

Ja, ich muss sagen, dass ich das auch so gelesen und immer wieder darüber nachgedacht habe, ob das so ist/sein kann.

 

 

Bei der Suche nach dem Ursprung von Sprache und Denken geht es aber darum, was die Grundvoraussetzungen für die Entstehung der Einzelteile des Sprachverarbeitungssystems (einschliesslich vorsprachlicher und sprachlicher INHALTE) sind.  Vielleicht komme ich ja noch dazu, etwas über das Verständnis des Gegenübers und das Verständnis von Raum und Zeit zu sagen. Das könnte die Sache vielleicht noch etwas weiter erhellen.

Sehr gern! (Über das Gegenüber, als Begriff, als Vorstellung, hab ich mir - aus ganz anderer Sicht - gerade relativ viele Gedanken gemacht, würde auch gern, ganz unwissenschaftlich :), darüber schreiben.)

 

 

Ich bin mir inzwischen sicher, dass bestimmte Musikstücke nur aus

bestimmten Sprachen zu denken waren.

Ja - würde man spontan sagen ... dann aber wieder: Die Epochen. Zb Renaissance, italienisch,  französisch, deutsch, englisch, spanisch, zB. Sprachlich zT doch sehr anders, der Musikvergleich stößt aber auf sehr ähnliche Wendungen, zum Teil Patterns (was man damals nicht so genannt hätte.) klar, Verbreitung in Europa, nachspielen, was man bei Hofe hört - da wird Musik vielleicht zur ganz eigenen Sprache, was ich ja sowieso denke. Sich musizierend verständigen geht auch dann, wenn man kein einziges Wort bzw fast keins gemeinsam hat. Ist Musik eine Sprache, was glaubt/denkt ihr? Und was sagt die Wissenschaft?

 

 

 

Die Frage zielt also darauf ab, welchen Grad von Bewusstsein wir und unsere Verwandten haben. Dazu gibt es aufschlussreiche Studien, die genaue Unterschiede bei der Entwicklung menschlicher Kinder und zwischen verschiedenen Spezies aufzeigen. Aber ich fürchte, diese Geschichte muss ich ein anderes Mal erzählen, wenn Ihr noch Interesse daran habt.

Ja. Finde ich hochinteressant. Andere sicher auch, die hier schon geschrieben haben (oder nicht geschrieben haben und mitlesen).

Danke.

Liebe Grüße

Claudia

Bearbeitet von ClaudiaB

Baronsky&Brendler: Liebe würde helfen  Ein Staffelroman 
Februar 21, Kampa

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Liebe Claudia, zur Geschichte der Entstehung von Einrichtungen aller Art (ich hoffe, die Sprache ist auch darunter) habe ich gerade was Neues auf dem Buchmarkt entdeckt. Möglicherweise bahnbrechend? Es geht dir jedenfalls zu auf dem üblichen Wege.  8-)

 

Angelika (die die Debatte damit nicht unterbrechen wollte, im Gegenteil!)

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

Alicia jagt eine Mandarinente. dtv premium März 2018. Die Grammatik der Rennpferde. dtv premium Mai 2016

www.angelika-jodl.de

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Angelika !!!!!! Danke !!! (Womit verdient? Mit nix!) Bin total gespannt ...

Baronsky&Brendler: Liebe würde helfen  Ein Staffelroman 
Februar 21, Kampa

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Ich bin mir inzwischen sicher, dass bestimmte Musikstücke nur aus

bestimmten Sprachen zu denken waren.

Ja - würde man spontan sagen ... dann aber wieder: Die Epochen. Zb Renaissance, italienisch,  französisch, deutsch, englisch, spanisch, zB. Sprachlich zT doch sehr anders, der Musikvergleich stößt aber auf sehr ähnliche Wendungen, zum Teil Patterns (was man damals nicht so genannt hätte.) klar, Verbreitung in Europa, nachspielen, was man bei Hofe hört - da wird Musik vielleicht zur ganz eigenen Sprache, was ich ja sowieso denke. Sich musizierend verständigen geht auch dann, wenn man kein einziges Wort bzw fast keins gemeinsam hat. Ist Musik eine Sprache, was glaubt/denkt ihr? Und was sagt die Wissenschaft?

 

Die Verbindung zwischen Sprache und Musik ist diesem Kontext sehr interessant. Der Philosoph und Linguist Ray Jackendoff hat diese beiden Bereiche der menschlichen Kognition zusammen mit Fred Lerdahl untersucht und festgestellt, dass sie große Ähnlichkeiten haben - aber auch Unterschiede, dass sich aber musikalische Kognition aus allgemeinen kognitiven Eigenschaften ableitet, die Sprache aber nicht. Hier ein Zitat: 

 

"Jackendoff, together with Fred Lerdahl, has been interested in the human capacity for music and its relationship to the human capacity for language. In particular, music has structure as well as grammar (a means by which sounds are combined into structures). When a listener hears music in an idiom he or she is familiar with, the music is not merely heard as a stream of sounds; rather, the listener constructs an unconscious understanding of the music and is able to understand pieces of music never heard previously. Jackendoff is interested in what cognitive structures or "mental representations" this understanding consists of in the listener's mind, how a listener comes to acquire the musical grammar necessary to understand a particular musical idiom, what innate resources in the human mind make this acquisition possible and, finally, what parts of the human music capacity are governed by general cognitive functions and what parts result from specialized functions geared specifically for music (Jackendoff & Lerdahl, 1983; Lerdahl, 2001). Similar questions have also been raised regarding human language, although there are differences. For instance, it is more likely that humans evolved a specialized language module than having evolved one for music, since even the specialized aspects of music comprehension are tied to more general cognitive functions [1]"

https://en.wikipedia.org/wiki/Ray_Jackendoff

 

Auch zum Thema: 

Language and Music as Cognitive SystemsEdited by Patrick Rebuschat, Martin Rohmeier, John A. Hawkins, and Ian Cross. Oxford UP 2012

https://global.oup.com/academic/product/language-and-music-as-cognitive-systems-9780199553426?cc=us&lang=en&

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Quote ClaudiaB

 

Bei der Suche nach dem Ursprung von Sprache und Denken geht es aber darum, was die Grundvoraussetzungen für die Entstehung der Einzelteile des Sprachverarbeitungssystems (einschliesslich vorsprachlicher und sprachlicher INHALTE) sind.  Vielleicht komme ich ja noch dazu, etwas über das Verständnis des Gegenübers und das Verständnis von Raum und Zeit zu sagen. Das könnte die Sache vielleicht noch etwas weiter erhellen.

Sehr gern! (Über das Gegenüber, als Begriff, als Vorstellung, hab ich mir - aus ganz anderer Sicht - gerade relativ viele Gedanken gemacht, würde auch gern, ganz unwissenschaftlich  :), darüber schreiben.)

 

 

 

Also dann ganz kurz: Das Gegenüber/ die, der andere/ Wahrnehmung des Ich

 

Ihr habt es alle schon gesehen oder erinnert euch vielleicht sogar selbst daran: Ein zwei- bis dreijähriges Kinder beugt den Kopf nach unten, schaut zwischen die eigenen Beine hindurch, und die Welt steht Kopf. Alles falsch rum. Was es sieht, ist absolut, nicht relativ. Oben ist das Oben am eigenen Kopf. Da klebt die Oma am Teppich.

 

Papa zeigt Jan eine Keksdose und fragt, was da wohl drin ist. „Kekse!“ Es sind aber Gummibärchen drin. Jetzt kommt Lisa dazu, und Papa fragt Jan, was Lisa wohl denkt, was in der Keksdose ist.

 

Jetzt die Prüfungsfrage für die angehende Entwicklungspsychologin: Was antwortet Jan? – „Gummibärchen!“ Jan bleibt nämlich bei seiner eigenen Perspektive. Er ist noch nicht in der Lage, die Perspektive einer anderen Person einzunehmen und versteht auch nicht, dass er selbst zuerst dachte, dass in der Keksdose Kekse sind.

 

Kinder entwickeln diese Fähigkeiten in Schritten. Zuerst nehmen sie den anderen wahr, wenn er präsent ist. Danach können sie sich den anderen auch vorstellen und ihn benennen, wenn er nicht da ist. Und schließlich sind sie in der Lage, sich die Vorstellungen der anderen vorzustellen. Diese Fähigkeit nennt man auch theory of mind.

 

Nur mit einer theory of mind kann man die eigenen Vorstellungen und Gedanken von denen anderer unterscheiden, nur mit dieser Fähigkeit kann man über Gedanken nachdenken. Und nur auf dieser Basis kann man das Bild von sich selbst von dem unterscheiden, das man von anderen hat. Es ist also die Basis für eine bewusste Identität und beschreibt einen bestimmten hohen Grad an Bewusstsein, der uns auch als geschäftsfähige Person kennzeichnet.

Diese Sicht vom Selbst und vom anderen spiegelt sich auch in der Weise, in der Sprache Bezug zu Personen herstellt.  Das Ich ist der Normalfall, der andere (du) hat eine gewisse Distanz zum Ich, ist aber präsent. Das Er/Sie hat eine größere Distanz und muss nicht präsent sein. In dieser Distanz-Hierarchie spiegelt sich die kindliche Entwicklung von Sprache und Denken. Sie ist bekannt als „Personendeixis“.

 

Daneben gibt es in Sprache auch deiktische Systeme, die sich auf Raum und Zeit beziehen und die ebenfalls die kindliche Entwicklung widerspiegeln. Aber ich glaube, das reicht erst mal für heute, oder?

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Lieber Manfred,

nur zwischendurch ein kurzes "Danke" eingeworfen. Später mehr!

Herzliche Grüße

Claudia

Baronsky&Brendler: Liebe würde helfen  Ein Staffelroman 
Februar 21, Kampa

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