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(Anna)

Stein, Frey und Kollegen

Empfohlene Beiträge

Spinner,

 

danke für den sachlichen, bündelnden Beitrag. Du hast natürlich recht, der Ratgebermarkt ist in erster Linie ein Markt für Ratgeberleser. Und ein großer Teil derer, die Schreibratgeber lesen, werden aus Mangel an Begabung oder aus Lesefaulheit oder einfach aus dem Grund, daß ihnen das Staunen fehlt, von dem Petra geschrieben hat, keinen anständigen Roman zu Papier bringen.

 

Ich will trotzdem zum Schluß nochmal sagen: Jeder Autor tut gut daran, Rat anzunehmen. Ob der von seinem Lektor stammt, von den Lesern, oder von Stephen King ("Das Leben und das Schreiben"). Schlechte Ratschläge abzulehen, muß er als Autor ebenfalls lernen. Mein Lektor hat mir mitunter schlecht geraten, und ich habe gelernt, ihn nicht zu vergöttern. (Meistens hat er allerdings Recht.) Und Stephen King schreibt, er plane seine Romane nicht. Das nehme ich ihm nicht ab.

 

Was mich störte und dazu antrieb, diese Lawine loszutreten, war der Eindruck, einige hier seien der Auffassung, das Schreiben müsse allein "von innen" kommen.

 

Richtig - allerdings setzt er sich auch nicht mit Handbüchern über Tonarten' date=' Synkopen oder sonstwas in die Kammer; das alles hat er nämlich auf ganz andere Weise gelernt.[/quote']

 

Den größten Teil davon hat er von anderen Musikern face-to-face beigebracht gekriegt, da gebe ich dir recht. Allerdings nicht, indem sie ihm stundenlang Musik vorspielten, sondern im Gespräch über das Technische. Und wir reden im Bereich der Literatur ja als Alternative zu den Ratgebern vom Lesen. Ich liebe das Lesen und lerne da eine Menge, nur gibt es Aha-Effekte, die sich statt in drei Jahren in drei Minuten erleben lassen.  ;)

 

In der Antike und im Mittelalter gehörte Musik zu den mathematischen Disziplinen. Das Quadrivium bestand aus Geometrie, Arithmetik, Musik und Astronomie. Laien würden nie auf die Idee kommen, wieviele Regeln in einem Musikstück Beachtung finden ... Ein Beispiel: Zählt man die Anzahl der Takte in einem beliebigen Lied, lassen sie sich fast immer durch vier teilen. Einer, der gerade mal Noten lesen kann und etwas komponieren will, würde sich wundern, warum es so merkwürdig unvollständig klingt, weil er solche Gesetzmäßigkeiten nicht beachtet.

 

Natürlich kann man Gesetzmäßigkeiten auch brechen. Manchmal will man diesen unvollständigen Eindruck ja gerade erzielen. Am besten ist es, wenn man bewußt eine Regel bricht und nicht aus Versehen, finde ich. Das setzt also ihre Kenntnis voraus.

 

Und genauso hat Deine Ex-Freundin sich vermutlich mit den Alten Meistern direkt auseinandergesetzt - und nicht mit irgendwelchen Handbüchern über diese Meister :s21

 

Ein Beispiel: Sie hat sich bei den Alten Meistern abgeguckt, daß sie Farbtöne erzeugten, indem sie mehrere Farbschichten übereinander malten. Rot sieht anders aus, wenn darunter eine Schicht Blau liegt, und unter dem Blau eine Schicht Grün. Man merkt es fast nicht, aber doch hat das Rot einen anderen Charakter. Zweites Beispiel: Sie hat die Rezepturen für die ... oh, wie hieß das doch gleich! ... sorry ... für diese "Lack"-Schicht imitiert, die als letztes auf das Bild aufgetragen wird, weil die offenbar einen ganz entscheidenden Einfluß auf das fertige Bild hat.

 

Beides Sachen, die man nicht durch bloßes Betrachten herausfindet.

 

Trotzdem: Friede!  :s17

 

Denn ihr habt recht: Keiner wird mit dem Wissen um Farbschichten oder "Lack"-rezepturen Bilder malen, die den Betrachter anrühren und begeistern, wenn er nicht begabt ist, den Blick für ein gutes Bild besitzt (geschult an vielen, vielen anderen Bildern) und einfach den ganzen Tag vor der Leinwand steht und malt.

 

Insofern, Spinner, sagst du vollkommen berechtigt, daß wir im Grunde dieselbe Auffassung vertreten.

 

Herzlich,

 

Titus

Was hat Putin 1985-1990 in Dresden gemacht? Einige Einblicke und ein Trailer zum aktuellen Roman "Der letzte Auftrag", gedreht vor der ehemaligen KGB-Villa dort.

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Das hast du klasse beschrieben, Titus!

 

Ich sag es mal auf meine Art ;)

 

Ratgeber nützen keinem, der kein Talent hat.

 

ALLE Schreibratgeber haben dieselbe Basis: durchkomponierter Plot; Figuren, die dem Autor so lebendig sind, dass er nicht mal jede Facette ihres Charakters in den Roman einbringen muss; Dialoge, die um ein Vielfaches besser - schlagfertiger, geistreicher, zynischer - sind als das alltägliche Geplänkel.

 

Und diese Ratgeber richten sich nicht an Leute, die die Leser entblöden wollen, sondern an Autoren, die viele Leute unterhalten wollen und dafür Geld verdienen wollen.

 

Zu Letzteren zähle ich mich. Ich bin zu wenig selbstverliebt, um eine intellektuelle message vom sprachlichen Kunstwerk in die Welt hinaus zu schicken.

 

Ich habe Talent zu schreiben. Ich verdiene mit dem Schreiben meinen Lebensunterhalt. Und ich mache es genau so, wie Titus es beschreibt: Ich nehme Rat an. Denn ich bin noch lange nicht unverbesserlich.

 

Der Rat von Frey, die Dialoge so schlagfertig zu schreiben, wie man sich das im reallife wünscht, hat mich massiv beeinflusst. In meinen Romanen gibt es niemals mehr überflüssig dahin geplappertes Zeug.

 

Und wer von Euch Veröffentlichten jetzt ruft: Ist doch klar! Das wissen wir schon lange! ... Der möge bitte seine Romane genau auf diesen Aspekt überprüfen - und vielleicht auch, wenn Ratgeber grundsätzlich in die grüne Tonne gehen, Sysais Romane lesen.

 

Gruß,

 

Tin

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Es ist einfach schade, wenn manche denken, Ratgeber versuchen das A und O zu vermitteln, Ratgeber würden von sich behaupten: Wenn du mich liest, kannst du schreiben wie ein Schriftsteller. Du bist ein gemachter Mann.

 

Mich regt es deshalb auf, dass viele so denken, weil ich diese Erfahrung mit meinem eigenen Buch gemacht habe. Ich hatte mal eine Beschwerde-Mail von einem Leser bekommen, der behauptete, er hätte mein Buch auswendig gekonnt und dennoch eine 4 in der Prüfung geschrieben. Er gab meinem Buch die Schuld für seine schlechte Note. Da denke ich nur, wie naiv sind manche Menschen. Denken wirklich manche Menschen, wenn sie ein Grundlagenlernbuch lesen, sie hätte dann die Weisheit mit dem Löffel gefressen. Abgesehen davon, dass es wohl kaum möglich ist, 400 Seiten auswendig zu können. Wenn ich alles in einem Buch unterbringen würde, was man über den Beruf wissen muss, würden 30000 Seiten nicht reichen und trotzdem kann ich dann keine Erfahrungswerte und kein Talent lehren.

 

Und diese Aussage von dem meinen Leser, erinnert mich stark an manche Aussagen gegenüber Ratgeber. Ratgeber werden zur Hilfestellung geschrieben, aber nicht um einen gemachten Mann aus jemanden zu machen!

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Super Tin!

Der möge bitte seine Romane genau auf diesen Aspekt überprüfen - und vielleicht auch' date=' wenn Ratgeber grundsätzlich in die grüne Tonne gehen, Sysais Romane lesen.[/quote']

Ja, sysai ist ein Vorbild in so vielem. Umso brillianter, das Autorenduo, dass es solche Preziosen ganz ohne Ratgeber schafft! :-X

 

Eigentlich sind wir alle einer Meinung...

 

@Minka: Es ehrt dich, dass du so denkst, aber die Marketingabteilung und die Macher der Bücher denken anders und transportieren diese Versprechen dementsprechend. Das ist beim Schreibratgeber nicht anders als beim Psychoratgeber. Geh im Ernstfall immer davon aus, dass die Menschen mit dem Ratgeber in der Hand ihr Leben leben wollen. :-/

 

@Marco: Nächstes Jahr erscheint von mir eine Parodie auf einen Ratgeber, reicht dir das? ;-)

 

Schöne Grüße,

Petra

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Ich bin zu wenig selbstverliebt' date=' um eine intellektuelle message vom sprachlichen Kunstwerk in die Welt hinaus zu schicken.[/quote']

Diese Gleichsetzung will mir einfach nicht in den Kopf. http://www.mysmilie.de/smilies/verwirrt/7.gif

 

Staunende Sonntagsgrüße,

 

Iris

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Und hast du noch nie gesehen, wie Kunststudenten im Hörsaal/Seminarraum/ihrer Schreibstube hocken und Wälzer darüber lesen, in denen andere kluge Leute die technik der großen Meister erklären??

Ein guter Künstler, ob Schreiberling, Maler, Musiker Schauspieler, oder was auch immer, lernt seine Kunst immer aus einer Kombination von Theorie und Praxis...

Von klugen Leuten gerne. Leider sind meine Erfahrungen auf der Basis der US-Schreibgurus durchwegs Nullnummern. Da wird eine Reißbrettideologie gepredigt, die zwar für Mainstreampublikationen funktionieren mag. Wenn man allerdings auch etwas vermitteln möchte, was über die sogenannte "reine Unterhaltung" hinausgeht -- mit anderen Worten: wenn man nicht nur trivial sein möchte, dann helfen sie einem einen feuchten Dreck. Dann hilft einem zusätzlich zur Lektüre der großen Vorbilder nur der Weg über die verpönte Fachliteratur zu besagten großen Vorbildern -- ganz gleich, wer das ist!

 

Ich habe das Glück gehabt, mit der Klassischen Philologie eine Sprach - und Literaturwissenschaft zu studieren, die nicht komplett vernagelt ist mit einer Fülle von modernen und postmodernen Schwafeltheorien; bei "uns" ist die intensive Beschäftigung mit dem Handwerk des Schriftstellers (Sprache, Stil, Erzählweise, Dramaturgie, Quellen, Themen, Intention, Publikum/Zielgruppe, Publikationsbedingungen etc.) das A und O der Auseinandersetzung mit dem Text.

Dieses Studium war eine phantastische Voraussetzung für einen hochreflektierten Umgang mit poetischen Techniken und ihrer Anwendung. Hinzukommt noch die Beschäftigung mit einer Dramentheorie, die -- wenn auch in verkürzter und tw. entstellter Form -- z.B. in Hollywood und in nahezu sämtlichen US-Creative-Writing-Klassen immer noch eifrig angewendet und zitiert wird: Aristoteles Poetik.

Im Unterschied zu den Amis hilft mir, daß ich diese Theorie der poetischen Handlung (ob es sich ums Märchenerzählen, um Pantomime, um Romane oder um Theaterstücke/Film handelt, ist dabei völlig gleichgültig), eingebettet in ein ganzes System (Handlungstheorie, Psychologie, Rhetorik etc.) kenne und seine Umsetzung.

 

Was den Begriff "Schreiben" angeht, möchte ich für mich dieses Verb/Hauptwort in diesem Kontext lieber durch Begriffe wie "poetische Techniken" etc. ersetzen, da das "Schreiben" m.A.n. eigentlich nur noch die (schriftliche) Fixierung der Geschichte, besser gesagt: eines poetischen Stoffes ist. Alle entscheidenden Dinge ist bereits zuvor schon entwickelt worden -- aber um diese entscheidenden Dinge geht es in all diesen Handbüchern doch?

 

Ich bezweifle nicht, daß es Autoren gibt, die mit Stein und Frey bestens bedient sind, auch nicht, daß es Autoren gibt, die damit zufrieden sind zu unterhalten. Vermutlich überschneiden sich beide Gruppen sehr stark.

Mir persönlich geben diese Reißbretttheorien nichts. Aber für mich ist Unterhaltung auch nicht Zweck des Erzählens, sondern Mittel zum Zweck.

 

Fleißige Sonntagsgrüße,

 

Iris

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Liebe Iris,

Von klugen Leuten gerne. Leider sind meine Erfahrungen auf der Basis der US-Schreibgurus durchwegs Nullnummern.

Im Unterschied zu den Amis hilft mir, daß ich diese Theorie der poetischen Handlung (ob es sich ums Märchenerzählen, um Pantomime, um Romane oder um Theaterstücke/Film handelt, ist dabei völlig gleichgültig), eingebettet in ein ganzes System (Handlungstheorie, Psychologie, Rhetorik etc.) kenne und seine Umsetzung.

Wenn Kurt noch hier wäre, hätte er dich für dieses Posting wahrscheinlich geküsst. Weil er schon so lange schweigt, mach ich das halt einfach :-*

 

Ich wusste doch, da war noch dieser fantastische, fabelhafte Schreibratgeber... vom guten alten Aristoteles. Ich hab tatsächlich viele Schreibratgeber gelesen... von lang schon Verwesten... Kürzlich war ich fast versucht gewesen, einen Link zu Jud Löw Baruchs Stilistik-Essay zu posten, wunderbar aktuell, der Mann aus dem 18. Jahrhundert. Aber nachdem hier keiner mehr seine Sätze lesen kann, weil sie mehr als zehn Worte haben ;-)...

 

Deinen letzten Satz liebe ich!

 

Schöne Grüße,

Petra

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Hallo, Petra!

 

Wenn Kurt noch hier wäre' date=' hätte er dich für dieses Posting wahrscheinlich geküsst.[/quote']

Huch! Was soll mein Mann bloß davon halten?! :o

 

Ich wusste doch, da war noch dieser fantastische, fabelhafte Schreibratgeber... vom guten alten Aristoteles.

Bloß daß die Poetik alleine etwas dünn ist und einen vor zigtausend unbeantwortete Fragen stellt. Sie baut nämlich auf Teile von De anima, die kurze (Vorlesungsmit)Schrift zu einer philosophischen Psychologie, und vor allem auf der Rhetorik auf.

 

Kürzlich war ich fast versucht gewesen, einen Link zu Jud Löw Baruchs Stilistik-Essay zu posten, wunderbar aktuell, der Mann aus dem 18. Jahrhundert. Aber nachdem hier keiner mehr seine Sätze lesen kann, weil sie mehr als zehn Worte haben ;-)...

Bloß nicht! Poste ihn! Ich für meinen Teil bin keine Unterzeichnerin des »Hamburger Dogmas«, auch wenn ich mehrere Forderungen für grundsätzlich richtig halte. ;D

 

Deinen letzten Satz liebe ich!

Womit wir bei Schillers literatur- und tragödientheoretischen Schriften (Link ungültig) (Link ungültig) wären! ;D

 

Total verbildete und ebenso sprach- wie selbstverliebte Grüße :s19

Iris :s17

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Liebe Iris,

 

als Germanistenkollege möchte ich deine Sprach- und Selbstverliebtheit natürlich nicht bremsen, habe dennoch einige Anmerkungen bezüglich deines links:

 

Womit wir bei Schillers literatur- und tragödientheoretischen Schriften (Link ungültig) (Link ungültig) wären! ;D

 

Natürlich ist hier alles viel hübscher, weil sprachlich veraltet dargelegt, was die Autorenzunft schön in ihrem Elfenbeinturm hält! Habe den Artikel ob seines Ausmaßes an Länge auch nur im vorbeifliegen überschaut. Doch insbesondere am sich nahenden Ende deuchten mir einige Erläuterungen zur Thrahagöhödie, welche ich inhaltlich ebenso bei Frey vorzufinden mag! Lasse sie mich ausführen:

 

Schiller:

Die Tragödie ist zweitens Nachahmung einer Reihe von Begebenheiten, einer Handlung

Frey:

Eine Geschichte ist eine Schilderung von folgenschweren Ereignissen, an denen bemerkenswerte menschliche Figuren beteiligt sind, die sich infolge dieser Ereignisse verändern.

 

Schiller:

Die Tragödie ist drittens Nachahmung einer vollständigen Handlung.

Frey:

In einer gut konstruierten Geschichte sind die Ereignisse kausal miteinander verknüpft. [...] Höhepunkt und Lösung sollten den Roman zu einem Ganzen machen.

 

Schiller:

Die Tragödie ist viertens poetische Nachahmung einer mitleidswürdigen Handlung...

Frey:

Leser verlangen, dass Homo Fictus schöner oder häßlicher, rüder oder vornehmer, rachsüchtiger oder barmherziger, [...] ist als wirkliche Menschen. Homo Fictus hat von allem mehr.

 

Schiller:

Die Tragödie ist fünftens Nachahmung einer Handlung, welche uns Menschen im Zustand des Leidens zeigt.

Frey:

Die Kunst, einen spannenden Roman zu schreiben, besteht darin, den Leser durch einen sich entwickelnden Konflikt zu fesseln.

 

Schiller:

Der tragische Dichter gibt also mit Recht den gemischten Charakteren den Vorzug, und das Ideal seines Helden liegt in gleicher Entfernung zwischen dem ganz Verwerflichen und dem Vollkommenen.

Frey:

Abgerundete Figuren sind schwer festzulegen. Sie haben Komplexe Motive, widersprüchliche Wünsche, sind leidenschaftlich und ehrgeizig. [...]Wenn ihre Figuren keinen inneren Konflikt austragen, wird ihr Buch zum Melodram.

 

Und so weiter, und so fort...

 

So sehr ich ältere Poetiken auch verehre, ist doch das wesentliche, was diese einem lehren, in modernerem Sprachgebrauch auch in modernen 'Poetiken' und Ästhetiken nachzulesen.

Hier nehmen sich Schiller und Frey nix!

Zumal insbesondere im Bereich der Ästhetik der moderne Roman leider nix mehr mit der Ästhetik der Aufklärung, der Romantik, des Naturalismus oder des Fin de siècle zu tun hat...

 

Ich gebe hiermit zu bedenken, dass schon Walter Ong 1987 festgestellt hat, dass eben zu Homers Zeiten der heute nicht mehr wegzudenkende 'runde' Charakter undenkbar war. Aufgrund damaliger Erzählarten (nämlich zumeist Oral) waren 'flache' Charaktere das nonplusultra.

Soll heissen: Die Anforderungen ans Erzählen ändern sich, und das sollte man bei der Auswahl seiner Poetik bedenken!

 

Und wer eben nicht studiert hat, wird mit der altbackenen Ausdrucksweise auch nichts zu tun haben wollen, und solche Werke folglich auch nicht lesen. Und wer sie sich doch anschaut, wird vermutlich eher darauf schimpfen, dass sich wieder irgendwelche Über-Intellektuellen in kryptischen Welt, Zeit und FAZ-Artikeln verschanzen und den Durchschnittsbürger aussen vor lassen.

 

Ach ja, das Schreiben als poetische Technik oder Fixierung eines poetischen Stoffes:

Nicht jeder hat Germansitik studiert und differenziert so fein, von daher ist der Begriff des Schreibens durchaus eine legitime Übersetzung von 'poetischer Technik', zumal 'Poetik' nichts anderes als eine Theorie ist, das letztendliche S/schreiben hingegen jedoch sehr real, und damit noch ein bisschen was anderes...!

 

Nichts desto trotz ein sehr schöner Link, den jeder Autor gelesen haben sollte! (Auch wenn ich mir sicher bin, dass viele Leute einfach nur schreiben, ohne sich durch diesen Wortwust durchkämpfen zu wollen!)

 

Gruß, Marco!

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Liebe Iris,

 

Dein Beitrag war eine Wucht!!!

 

Zumindest für mich der fulminante Schlußpunkt unter diese Diskussion :D

 

Gruß

Jan

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Hallo, Marco!

 

als Germanistenkollege möchte ich deine Sprach- und Selbstverliebtheit natürlich nicht bremsen' date='[/quote']

I beg to differ, ich bin keineswegs Germanistin -- ein paar Vorlesungen und (meist fächerübergreifende) Seminare machen noch keine solche aus mir --, sondern -- viiiiiel schlimmer!!! -- Altphilologin. :s21

Und deshalb einige gelegentlich stirnrunzelnde Anmerkungen meinerseits zu deinen Anmerkungen.

 

Doch insbesondere am sich nahenden Ende deuchten mir einige Erläuterungen zur Thrahagöhödie, welche ich inhaltlich ebenso bei Frey vorzufinden mag!

Das bestreite ich ja gar nicht. Frey ist ebenso wie Egli, Stein und andere "Schiller light" bzw."Aristoteles ultralight" -- knappe 0,1% matière grasse.

 

Ich bestreite auch nicht, daß viele Autoren ohne eine fundierte poetische Theorie auskommen und einfach drauflos erzählen, wie sie glauben ihnen der Griffel "von Natur aus" gewachsen ist. Jedem Tierchen sein Pläsierchen. Mir geht 's da nun mal anders, und ich erwarte naiverweise, daß das ebenso respektiert wird. ;D

 

Ich gebe hiermit zu bedenken, dass schon Walter Ong 1987 festgestellt hat, dass eben zu Homers Zeiten der heute nicht mehr wegzudenkende 'runde' Charakter undenkbar war. Aufgrund damaliger Erzählarten (nämlich zumeist Oral) waren 'flache' Charaktere das nonplusultra.

Soll heissen: Die Anforderungen ans Erzählen ändern sich, und das sollte man bei der Auswahl seiner Poetik bedenken!

Das muß ich wirklich komplett zitieren, denn es ist -- das mal von der graduierten Fachfrau -- Quark weit jenseits des Verfallsdatums. ;D

Die auf Meister Hegel fußende und bei Snell und Schadewaldt hübsch ausformulierte Theorie vom "archaischen Menschen" ist eine Kopfgeburt der Moderne, Hirnriß, der längst nur noch von alten, äußerst konservativen oder naiv-positivistisch arbeitenden Philologen vertreten wird. Bis sowas aus den Sachbüchern und aus der Basisliteratur angrenzender Fachgebiete verschwunden ist, vergehen sicherlich noch ein paar Studierendengenerationen -- was es allerdings nicht richtiger macht: Diese Theorie war ein totes Gleis und während einige noch immer den Prellbock anheulen, sind andere anderswohin rangiert. ;D

Ich empfehle die exzellenten und weitgehend sogar lesbaren Arbeiten von Wolfgang Bernard (Rostock), Arbogast Schmitt (Marburg), Rainer Thiel (Jena), Jörg Schulte-Altedorneburg (Berlin), Gyburg Radke (Harvard/Marburg), Stefan Büttner (Konstanz) u.a.

 

Und wer eben nicht studiert hat, wird mit der altbackenen Ausdrucksweise auch nichts zu tun haben wollen, und solche Werke folglich auch nicht lesen. Und wer sie sich doch anschaut, wird vermutlich eher darauf schimpfen, dass sich wieder irgendwelche Über-Intellektuellen in kryptischen Welt, Zeit und FAZ-Artikeln verschanzen und den Durchschnittsbürger aussen vor lassen.

Ach, und deshalb sollen "die Studierten" sich einen Maulkorb verpassen lassen? :o

 

Kritikasternde Grüße, :s21

Iris :s17

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Heyho Iris!

 

I beg to differ' date=' ich bin keineswegs Germanistin -- ein paar Vorlesungen und (meist fächerübergreifende) Seminare machen noch keine solche aus mir --, sondern -- viiiiiel schlimmer!!! -- Altphilologin. :s21[/quote']

In that case: Ich verbeuge mich in untertänigster Entschuldigung! ;)

Aber immerhin biste Philologin!  :s04

 

Das bestreite ich ja gar nicht. Frey ist ebenso wie Egli, Stein und andere "Schiller light" bzw."Aristoteles ultralight" -- knappe 0,1% matière grasse.

Mal meine Meinung an die Wand gestrahlt: Für den Großteil der Leser (nämlich eben jene, die das Feuilleton überspringen) sind sogar 0,01% komplett ausreichend, daher sind m.E. auch nur 0,01%, oder eben ein Egli, Frey, Stein, auf Seiten des Autoren nötig. Mehr schadet allerdings nie...

 

Ich bestreite auch nicht, daß viele Autoren ohne eine fundierte poetische Theorie auskommen und einfach drauflos erzählen, wie sie glauben ihnen der Griffel "von Natur aus" gewachsen ist. Jedem Tierchen sein Pläsierchen. Mir geht 's da nun mal anders, und ich erwarte naiverweise, daß das ebenso respektiert wird. ;D

Wird es, wird es.  ;D Mir selbst stehen meine durch die vornehmlich germanistische Philologie entstellten Ansprüche ebenfalls sehr hoch an...

 

Diese Theorie war ein totes Gleis und während einige noch immer den Prellbock anheulen, sind andere anderswohin rangiert. ;D

Es wird sich wie mit allen Theorien verhalten: Sie haben ihre Freunde, welche Sie weiterverfolgen, und sie haben ihre Feinde, welche sie aufs tote Gleis schieben und der Meinung sind, den heiligen Gral woanders gefunden zu haben, und dort ihrerseits für manch andere auf dem toten Gleis stehen...

Luhmanns Systemtheorie gehört zu solchen. Obwohl immer wieder als überholt und tot bezeichnet, erfreut sie sich größter Lebendigkeit, udn wird es auch noch viele Generationen... Totgesagte leben eben länger!

Wie es neuerdings so schön in diesem Forum heisst: Jedem das Seine, mir mein Pläsierchen!   :s21

 

Ach, und deshalb sollen "die Studierten" sich einen Maulkorb verpassen lassen? :o

Es gibt Tage, wo ich es mir in der Tat wünschte, doch täte ich mir damit ins eigene Fleisch schneiden!  ::)

Allerdings gestehe ich, dass ich mir von vielen Seiten, und das betrifft eben auch und vor allem die Darstellung von Poetiken, wünschte, die Studierten würden eine Sprache für alle finden, und nicht nur für sich selbst...  :s14

 

Mal im Ernst: Die Leute kaufen einen Frey, weil sie ihn verstehen, einen Aristoteles nicht! Die Erwähnung des Aristoteles im Frey erzeugt das Phantom von literarischem Anspruch.

Was denkst du wäre, wenn jemand mal eine lesbare Version des Aristoteles/Hegel/Schiller herausbrächte?

Die Studierten bräuchten nicht knitteln, dass die nicht-Studierten so schlechte Ratgeber lesen, und die nicht-Studierten bräuchten nicht knitteln, dass sie es nicht mögen, wenn die Studierten auf sie herabsehen...!  Allerdings würden die Studierten dann knitteln, dass sie den nicht-Studierten nichts mehr voraus haben! 8)

 

Gar nicht so kritisierende Grüße,

Marco!  :s17

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Und wer eben nicht studiert hat, wird mit der altbackenen Ausdrucksweise auch nichts zu tun haben wollen, und solche Werke folglich auch nicht lesen. Und wer sie sich doch anschaut, wird vermutlich eher darauf schimpfen, dass sich wieder irgendwelche Über-Intellektuellen in kryptischen Welt, Zeit und FAZ-Artikeln verschanzen und den Durchschnittsbürger aussen vor lassen.

Marco,

auch wenn ich dir jetzt zu nahe trete: Schiller war in meiner Jugend noch Allgemeinbildungsgut für Hinz und Kunz im ehemaligen Land der Dichter und Denker.

Allerdings wundert mich jetzt so langsam nichts mehr... wenn Leute Wörter und Sätze nicht mehr verstehen, die über das Rechtschreibprogramm von Microsoft hinausgehen.

 

Entsetzte Grüße,

Petra, bald wieder Bildungsbürgerin mit Wollust

 

PS: Kompliment, Iris. Ich tauche grade aus Internetrecherchen hier auf, habe drei Stunden literarisch-philosophische Schriften jüdischer Schriftsteller hinter mir, die das literarische Deutschland einst so erzählerisch-inhaltlich-unterhaltsam fruchtbar machten... es ist wie ein Kulturschock, dann plötzlich zu erfahren, ein Frey sei der heutigen Generation zumutbarer und lebensgerechter als ein Schiller.

Shame.

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In that case: Ich verbeuge mich in untertänigster Entschuldigung! ;)

Grundgütiger! :o Bloß nicht! http://www.mysmilie.de/smilies/lieb/24.gif

 

Aber immerhin biste Philologin! :s04

Ja, und das noch immer voller Enthusiasmus. :-)

 

Es wird sich wie mit allen Theorien verhalten: Sie haben ihre Freunde, welche Sie weiterverfolgen, und sie haben ihre Feinde, welche sie aufs tote Gleis schieben und der Meinung sind, den heiligen Gral woanders gefunden zu haben, und dort ihrerseits für manch andere auf dem toten Gleis stehen...

Die Anhänger der klassischen geistesgeschichtlichen Theorie haben allerdings das riesige Problem, daß sie die vorhandenen Texte philologisch (ich möchte hier eigentlich liebe "misologisch" schreiben) nach allen Regeln der Kunst vergewaltigen müssen, damit ihre Thesen tragen. Bei Übersetzungen merkt 's der Laie nicht, aber ich habe z.B. enorme Probleme gehabt, im Originaltext der Antigone des Sophokles den tragischen Konflikt bei der trotzköpfig-sturen Titelheldin erkennen zu können (klassisch-geistesgeschichtliches Argument: "Sophokles verfügte noch nicht über die nötige Intelligenz, um einen Konflikt in einem Menschen zeigen zu können, dafür mußte er die Positionen auf die beiden Schwestern Antigone und Ismene verteilen." http://www.cosgan.de/images/smilie/frech/e040.gif).

 

Luhmanns Systemtheorie gehört zu solchen.

Oh, die findet doch in allen empirischen Wissenschaften rege Anwendung ... ;-)

 

Allerdings gestehe ich, dass ich mir von vielen Seiten, und das betrifft eben auch und vor allem die Darstellung von Poetiken, wünschte, die Studierten würden eine Sprache für alle finden, und nicht nur für sich selbst... :s14

Das ist die Aufgabe der Sachbuchautoren -- die aber werden nicht bemüht, da verlagsseitig kein ausreichender Absatz prognostiziert wird.

Das Thema wird allerdings wirklich überstrapaziert. Was die -- wie dein Beispiel zeigt -- sich gerne selbst geißelnden Akademiker gewaltig unterschätzen, ist die Trägheit der meisten Menschen; da wird unbesehen die Unlesbarkeit akademischer Publikationen beschimpft, und alle plappern es nach, weil das so ein wunderbar plausibles Argument dafür liefert, seine Nase erst gar nicht hineinzustecken. Willy Sanders, Verfasser von Gutes Deutsch und Was die Wörter uns verraten, hat ein wirklich schön und witzig lesbares Buch zum Thema geschrieben: Sprachkritikastereien und was der ' Fachler' dazu sagt -- leider ist es inzwischen vergriffen, aber es gibt ausreichend antiquarische Exemplare im Handel.

 

Fröhliche Grüße,

Iris

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Hallo, Petra!

 

Allerdings wundert mich jetzt so langsam nichts mehr... wenn Leute Wörter und Sätze nicht mehr verstehen' date=' die über das Rechtschreibprogramm von Microsoft hinausgehen.[/quote']

Letzteres habe ich deaktiviert, da es mir auf jeder Seite mindestens zweimal Sätze unterringelt und auf Mausklick hin krude Alternativvorschläge macht. ::)

 

Ich tauche grade aus Internetrecherchen hier auf, habe drei Stunden literarisch-philosophische Schriften jüdischer Schriftsteller hinter mir, die das literarische Deutschland einst so erzählerisch-inhaltlich-unterhaltsam fruchtbar machten...

Her mit den Links! http://www.mysmilie.de/smilies/boese/img/018.gif

 

es ist wie ein Kulturschock, dann plötzlich zu erfahren, ein Frey sei der heutigen Generation zumutbarer und lebensgerechter als ein Schiller.

Shame.

Gemeinhin schmeichelt sich das "understatement" -- ich fürchte allerdings, daß es sich eher um die Folgen der fundamentalistischen Marktreligion handelt. ;D

Da fällt mir schon wieder ein Buch ein: Niemand zu Hause, Essays und Aufsätze des Wiener Germanistun und Kulturwissenschaftlers Wolfgang Müller-Funk (Rezension auf diepresse.com (Link ungültig) (Link ungültig))

 

Defätistische Grüße :s22

Iris :s17

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Hallo Iris,

feine bereichernde Links und Tipps, danke!

Wegen meiner Links empfehle ich, bei (Link ungültig) einzutauchen und im unendlichen Wissensmeer herumzusurfen (am besten erst mal via Suchschiff), innerhalb des Teichs und in alle Weltrichtungen.

Warnung: Wenn man sich mal in die spannenden Untiefen von Originaltexten und Quellen vorgekämpft hat, ist es zu spät, Kaffee zu machen...

Aber wir sind vom Thema abgekommen, dort gibt es keine Schreibratgeber, jedenfalls nicht solche ;-)

 

Viel Vergnügen,

Petra

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Hallo, Petra!

 

Wegen meiner Links empfehle ich' date=' bei [i'](Link ungültig)[/i] einzutauchen und im unendlichen Wissensmeer herumzusurfen (am besten erst mal via Suchschiff), innerhalb des Teichs und in alle Weltrichtungen.

Tja, so sieht das aus nach wenigen Minuten hagalil.org: http://www.mysmilie.de/smilies/verschiedene/2/44.gif

Wie komme ich da je wieder weg?

 

Vergeistigte Grüße, :s12

Iris :s17

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Marco,

auch wenn ich dir jetzt zu nahe trete: Schiller war in meiner Jugend noch Allgemeinbildungsgut für Hinz und Kunz im ehemaligen Land der Dichter und Denker.

Allerdings wundert mich jetzt so langsam nichts mehr... wenn Leute Wörter und Sätze nicht mehr verstehen, die über das Rechtschreibprogramm von Microsoft hinausgehen.

Keine Sorge Petra, du tritts nicht. Ich selbst wurde noch von Schillers Räubern, Don Carlos (gar wunderbar auch die Parodie von Tankred Dorst) und Maria Stuart unterhalten.

Nichts desto trotz, in Zeiten von SMS, Fernsehsendungen von 25 Minuten Länge und der Nachrichtenaufnahme über kürzeste Online-Nachrichten, in einer Zeit der florierenden Hörbücher und in der die Leute ihre 'Krimis' in Form von Sendungen wie 'Das Geständnis' konsumieren,  ist die durchschnittliche Aufmerksamkeitsspanne der Durchschnittsbevölkerung nach unten gerutscht.

Du als Journalistin solltest das wissen, dort wird neuerdings immer der kurze Stil geprägt, und meiner Generation beigebracht. Schachtelsätze heisst es da, unter anderem von Herrn Wolf, gehören ins Feuilleton - nicht umsonst verkauft sich die BILD wie, nun die BILD!

 

Das hat nicht mal was mit Bildungslücken zu tun, sondern mit Lesegwohnheiten. Heute Jugendliche sind, und ich zitiere hier etwa zwei Dutzend fünfzehnjährige, mit denen ich die Diskussion schon hatte, stolz darauf, noch niemals ein Buch gelesen zu haben!

Ich glaube, Ed hatte dazu mal etwas gesagt.

Die Bildungslücken kommen erst später!

 

Und auch hier gilt: Über den Verfall der Sprache wurde schon zu Zeiten Schillers und Goethes lamentiert! Es gab ein Zitat, dass ich leider nicht zur Hand habe, ich werde einmal suchen gehen...

 

Es ist also weder verwunderlich, noch eigentlich verwerflich, dass die Leute mit einem Satz wie "Die tragische Kunst wird also die Natur in denjenigen Handlungen nachahmen, welche den mitleidenden Affekt vorzüglich zu erwecken vermögen. " von Schiller nichts anfangen können, sondern lieber hören wollen: "Schreibt einen Roman über Dinge, die Menschen bewegen!"

 

Schon die Reaktionen anderer Autoren hier im Forum auf manch verlinkten Zeitungsartikel zeigt doch, dass die Sprache der selbsternannten Hochphilologen nicht massentauglich ist!

 

Solche Texte zu lesen magst du noch in der Schule gelernt haben - auch heute gibt es humanistische Gymnasien, die das lehren. Aber prinzipiell lernt unsere Generation das, wenn überhaupt, an der Universität, und auch dort gibt es genügend Menschen, welche die alten Redewendungen nicht kapieren.

 

Ein Autor hat also zwei Möglichkeiten: Er hängt einem hundert- oder zweihundert Jahre alten Schreibstil nach, verwendet ihn, und freut sich, das nur ein kleiner Kreis Eingeweihter ihn versteht;

oder er passt sich den modernen Lesegewohnheiten an, und versucht auf diese Art wenigstens einen Teil der sich aufbauenden Bildungslücken zu schließen! ( Ich beziehe das nach wie vor auf Ratgeber und moderne Poetiken...!)

 

Bildungsbürgerliche Grüße,

Marco!  :s17

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Liebe Iris!  :)

 

Oh' date=' die findet doch in allen empirischen Wissenschaften rege Anwendung ... ;-)[/quote']

Meine Rede - es gibt aber genügend Wissenschaftler, welche die Theorie als veraltet, überholt, schlicht falsch, oder eben tot bezeichnen.

Leider hab ich mich seit zwei Jahren nicht mehr damit beschäftigt, und kann dir nicht sagen wer, aber ich hatte gut und gerne vier Einleitungsbücher, in denen Autoren zitiert wurden, welche der Systemtheorie ihre Nutzlosigkeit vorwarfen...

 

 

Das Thema wird allerdings wirklich überstrapaziert. Was die -- wie dein Beispiel zeigt -- sich gerne selbst geißelnden Akademiker gewaltig unterschätzen, ist die Trägheit der meisten Menschen; da wird unbesehen die Unlesbarkeit akademischer Publikationen beschimpft, und alle plappern es nach, weil das so ein wunderbar plausibles Argument dafür liefert, seine Nase erst gar nicht hineinzustecken.

Hier verlauf ICH mich jetzt - bist du nun für oder gegen die Aussage, viele Fachbücher seien zu kompliziert, weil von Fachidioten für Fachidioten, verfasst?

Ich glaub, ich weiß nicht, was du mit 'Das Thema' meinst - hier kann ich das Antezedens nicht einordnen! (Kleiner Linguistenscherz! ;))

Ansonsten kann ich nur sagen: Wirklich, wirklich viele Fachbücher sind unnötig schwer zu lesen! Selbst für Fachpublikum - wieviele Soziologen gibt es, die Luhmann wirklich verstehen - und dann versteht ihn doch wieder jeder anders. Das liegt nicht am Inhalt (Okay, bei Luhmann vielleicht schon), sondern an unnötigen Schachtelsätzen mit unnötigen Fremdwörtern, und wirren Bezügen zu Subjekten von vier Seiten vorher.

Da ist die Unlust, sich mit den Texten zu beschäftigen nicht mal eine Ausrede. Möchtest du unbedingt ein Stück Schokolade knabbern, nur weil es süß ist, wenn es mit Galle gefüllt ist?

Ein Lehrer von mir hat es mal sehr schön ausgedrückt: Du solltest alle Fermdwörter kennen, und keines gebrauchen...

 

Die Bücher sehen interessant aus, allerdings habe ich mit Stilratgebern ein generelles Problem: Man muss solange einen suchen, der einem nach den Mund redet, weil jeder von ihnen einen anderen Stil predigt...

Ist eben doch Geschmackssache!  ;D

 

Liebe Grüße,

Marco!  :s17

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(Peter_Dobrovka)

Sich kurz und prägnant auszudrücken ist für mich ein Fortschritt. Aus dem Zeitalter, aus dem ich komme, war es nichts besonderes, seine Gedanken in endlose Schachtelsätze zu fassen und seitenlang zu fabulieren.

Kurze Sätze sind für den Leser leichter verdaulich und erleichtern das Lesen. Dem Autor jedoch machen sie Arbeit.

Für mich ist nicht der Schachtelsatz die weiterentwickelte Lebensform. Das Gegenteil ist der Fall.

Und warum lernt man auch in Schreibkursen und von Ratgebern die Kunst des kurzen Satzes? Sicher nicht, weil die so einfach zu schreiben sind.

 

Lese ich lange Schachtelsätze, weiß ich genau: Der Autor hat sich die Arbeit, einen leicht verständlichen Text zu verfassen, nicht gemacht. Sei es, weil er dazu nicht fähig ist, sei es weil es eben Arbeit ist, oder sei es elitärer Snobismus. Bei mir ist er damit jedoch an der falschen Adresse.

 

Unsere Zeit hat noch einen anderen Wandel mit sich gebracht, nämlich den Zeitmangel. Alles ist schneller, und wer sich dem nicht anpassen kann, geht unter. Wenn ich einen Text lese, möchte ich nicht nur weniger Arbeit damit haben, ich möchte seinen Inhalt auch schnell erfassen können, denn ich habe nicht die Zeit.

Kommt mir der Autor nicht entgegen, muß er schon etwas sehr wichtiges zu sagen haben, damit ich mir die Mühe mache, sich durch seinen Text zu quälen.

 

Von Goethe stammt übrigens ein sehr interessanter Satz:

Entschuldigen sie, daß der Brief so lang geworden ist, ich hatte keine Zeit für einen kürzeren.

 

Peter

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Hallo, Marco!

 

Hier verlauf ICH mich jetzt - bist du nun für oder gegen die Aussage' date=' viele Fachbücher seien zu kompliziert, weil von Fachidioten für Fachidioten, verfasst?[/quote']

Ersetze die "-idioten" durch "-leute" und ich komme klar mit dem Satz. So schön es wäre: Man kann nicht jede wissenschaftliche Erkenntnis auf Anhieb allgemeinverständlich ausdrücken. Wissenschaft ist nun einmal auch ein schier endloser Diskurs und gelegentlich geht es um extrem komplexe Dinge. ;-)

Abgesehen davon gibt es Wissenschaften, bei denen es schlichtweg unmöglich wird, die Dinge allgemeinverständlich zu Papier zu bringen. Die maßgeblichen Werke zur String-Theorie und zur Quanten-Loop-Theorie wurden in den diesbezüglich gern gepriesenen USA verfaßt -- ich gehe jede Wette ein, daß keiner von uns auch nur ansatzweise kapiert, was dabei abgeht! ;D

Unberührt davon gibt es natürlich auch Fachmenschen, die in ihrer Eitelkeit nicht verstanden werden wollen.

 

Ansonsten kann ich nur sagen: Wirklich, wirklich viele Fachbücher sind unnötig schwer zu lesen!

Okay, da bin ich mit meinem Fachgebiet ziemlich verwöhnt. In den Altertumswissenschaften tummeln sich nur sehr wenige abgehobene Theorien, es geht sehr bodenständig zu.

 

Ein Lehrer von mir hat es mal sehr schön ausgedrückt: Du solltest alle Fermdwörter kennen, und keines gebrauchen...

Füge ein "möglichst" hinzu und ich gehe wiederum mit.

 

Die Bücher sehen interessant aus, allerdings habe ich mit Stilratgebern ein generelles Problem: Man muss solange einen suchen, der einem nach den Mund redet, weil jeder von ihnen einen anderen Stil predigt...

Übers Ziel rausgeschossen: Es ging mir nicht um die "Stilratgeber", sondern um das eine Buch mit dem Titel Sprachkritikastereien. ;-)

 

Bildergeraderückende Grüße,

Iris :s17

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Hallo Iris!

 

Ersetze die "-idioten" durch "-leute" und ich komme klar mit dem Satz.

Einigen wir uns darauf, dass es beides gibt? Fachidioten sind jene 'zerstreuten Professoren', die es tatsächlich nicht mehr SCHAFFEN, sich noch verständlich auszudrücken - selbst wenn sie es versuchen! Und davon gibt es jedenfalls an meiner Uni nicht wenige...

 

Wissenschaft ist nun einmal auch ein schier endloser Diskurs und gelegentlich geht es um extrem komplexe Dinge. ;-)

Abgesehen davon gibt es Wissenschaften, bei denen es schlichtweg unmöglich wird, die Dinge allgemeinverständlich zu Papier zu bringen. Die maßgeblichen Werke zur String-Theorie und zur Quanten-Loop-Theorie wurden in den diesbezüglich gern gepriesenen USA verfaßt -- ich gehe jede Wette ein, daß keiner von uns auch nur ansatzweise kapiert, was dabei abgeht! ;D

Prinzipiell stimme ich dir zu, dass wissenschaftliche Themen mit wissenschaftlicher Sprache einfacher, bzw. kürzer ausgedrückt werden können! Und es Themen gibt, die nur schwer, und meist langwierig in Alltagssprache 'übersetzt' werden können.

Dennoch, gerade im Bereich der Astro- und Quantenphysik gibt es schöne Bücher, die relativ leicht verständlich sind. Stephen Hawkings und der verstorbene Carl Sagan sind sehr bekannte Vertreter für populärwissenschaftliche Bücher, welche anschaulich in die komplizierte Welt der Physik führen! :s13

 

Okay, da bin ich mit meinem Fachgebiet ziemlich verwöhnt. In den Altertumswissenschaften tummeln sich nur sehr wenige abgehobene Theorien, es geht sehr bodenständig zu.

Ihr seid mit Alt-Griechisch u.ä. das ihr lernen müsst auch genug ausgelastet! ;)

 

Füge ein "möglichst" hinzu und ich gehe wiederum mit.

Das möglichst versteht sich von selbst - der Satz wurde sowohl von meinem Lehrer als auch von mir bewusst überspitzt eingesetzt!

 

Übers Ziel rausgeschossen: Es ging mir nicht um die "Stilratgeber", sondern um das eine Buch mit dem Titel Sprachkritikastereien. ;-)

In dem Fall möge dich das Quietschen meiner Reifen, dass du aus deinem Fenster hörst, von meiner Einsicht überzeugen! ;D

 

Hoffe, ich hab nichts wieder schief gehängt! ;)

 

Liebe Grüße, Marco! :s17

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Einigen wir uns darauf' date=' dass es beides gibt?[/quote']

Jederzeit. :-)

 

Dennoch, gerade im Bereich der Astro- und Quantenphysik gibt es schöne Bücher, die relativ leicht verständlich sind. Stephen Hawkings und der verstorbene Carl Sagan sind sehr bekannte Vertreter für populärwissenschaftliche Bücher, welche anschaulich in die komplizierte Welt der Physik führen! :s13

Dazu braucht es allerdings auch einen mutigen (d.h. unternehmerisch denkenden) Verlag, der sich die Mühe macht, einen Fachmenschen mit der Aufgabe zu betrauen, sein Fachgebiet anschlaulich, lesbar und verständlich zu erklären -- also: ein Sachbuch zu schreiben, daß diese Bezeichnung wirklich verdient. Das scheitert allerdings meistens an der mangelnden "Risikobereitschaft" der Verlage: Man klammert sich ans "Bewährte".

 

Ihr seid mit Alt-Griechisch u.ä. das ihr lernen müsst auch genug ausgelastet! ;)

Nicht wirklich. Juristendeutsch ist schwieriger. :s21

 

Fröhliche Grüße,

Iris :s17

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Was für ein hochwertiger Gedankenaustausch! Wenn ich mich daran erinnere, dass wir vor kurzem noch über die dramaturgisch sinnvolle Positionierung von verkrustetem Nasenschleim und über die marketingstrategisch hilfreiche Inszenierung eines unverhofften Todesfalls auf dem Messestand eines emporstrebenden Kleinverlegers philosophiert haben, kann ich nur sagen: Klasse! Jetzt stimmt das Niveau! Ich würde mich freuen, wenn du, Iris, öfter dozieren würdest. Die in diesem Thread empfohlene Lektüre habe ich mir bereits besorgt. Ein bisschen Selbstverliebtheit stünde mir vielleicht auch gut zu Gesicht. :s18

Mich wundert nur eines: Dass diejenigen, die sich vor Wut über die Schreibratgeber ein Bein ausreißen und Spucketropfen versprühen, diese offenbar bis zum Erbrechen gelesen haben. Ich kenne alle nur vom Hörensagen – bis auf Frey, den aber auswendig. ;D Habt ihr vielleicht auch die Lustigen Taschenbücher seit 1996 zerlesen und markiert im Bücherregal stehen? Dann könnten wir ja noch so einen anregenden Thread über die Subkultur des Lesens eröffnen. ;)

Spaß muss sein! :D

 

Schmunzelnd,

 

Tin :)

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Habt ihr vielleicht auch die Lustigen Taschenbücher seit 1996 zerlesen und markiert im Bücherregal stehen? Dann könnten wir ja noch so einen anregenden Thread über die Subkultur des Lesens eröffnen.  ;)

Spaß muss sein!  :D

Liebe Tin,

ich will das Niveau nicht noch mehr senken und erzähl dir deshalb hinter vorgehaltener Hand, ganz off-topic, dass ich heute noch meiner fast 20 Jahre alten Sammlung Lustige Taschenbücher in fünf verschiedenen Sprachen nachheule... :

Traurige Grüße,

Petra

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