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Verurteilt - mein Leben als Strafrichter (Robert Pragst)

Empfohlene Beiträge

Nicht nur für Krimiautoren interessant, auch die Vielzahl der beschriebenen Schicksale sind beeindruckend.

 

Robert Pragst wird als Richter auf Probe eingestellt. Und wie er im Buch [[ASIN:342324903X Auf Bewährung: Mein Jahr als Staatsanwalt]] seine Erlebnisse als Staatsanwalt schildert, so schildert er jetzt den Alltag als Richter, erst als Betreuungsrichter, dann als Beisitzer bei einem Strafgericht.

 

Große und kleine Fälle schildert er, auch die juristischen Hintergründe, die er für Laien sehr gut zu erklären weiß. Manches sind berührende Fällen, etwa der der 99jährigen, die eine Betreuung ihres 102 Jahre alten Mannes von Gericht anfordert, weil sie selbst das nicht mehr leisten könne. Manches ist witzig, etwa der eines Mannes mit IQ 140, der jahrelang als Arzt arbeitete, ohne einer zu sein und nun eine Betreuung für sich und seine Finanzen beantragt, weil er sonst sein Geld schon in den ersten Tagen des Monats ausgeben würde. Oder der Fall eines derjenigen, die behaupten, das deutsche Reich existiere weiter und er sei Polizeipräsident von München, der eine Rechtspflegerin bedroht hat und nun energisch gegen sein Betreuungsverfahren vorgeht.

 

Auch die Strafsachen sind selten das große Kino, das wir in den Medien erleben. Betrügerische Anlageberater, Brandstiftung, um Versicherungsgelder zu kassieren, die falschen Abrechnungen in einem Heim für Asylbewerber und einen kleinen Drogendealerring, den ein Kontaktbeamter der Polizei hochgehen lässt. Leider nicht ganz entsprechend der Vorschriften, so dass einzelne Beweise nicht verwendet werden können. Diese Geschichte begleitet das ganze Buch, sie wird Schritt für Schritt verfolgt, wir erleben die Ermittlungen, die Tricks eines Verteidigers, der mit endlosen Fragen die Verhandlung erst platzen lässt, sie dann immer wieder in die Länge zieht, bis er schließlich sein Mandant niederlegt. Die Höhen und Tiefen eines Strafprozesses.

 

Pragst schildert auch die Probleme, etwa die bei einem Deal zwischen Gericht, Verteidiger und Staatsanwalt, der gegen ein Geständniss ein vorher ausgemachtes Strafmaß, meist mit Bewährung beinhaltet. Für das Gericht ist das weniger Arbeit, für den Angeklagten Sicherheit im Strafmaß, aber natürlich bleibt dabei die Frage offen, wieweit sich das mit dem Rechtsempfinden verträgt. Er schildert auch an einem Fall unter welchen Druck ein Gericht geraten kann, wenn aufgrund der Stellung der Angeklagten (Promi) sich das Fernsehen einmischt und oft durch Bilder eine verfälschte Darstellung bis hin zur Vorverurteilung suggeriert.

 

Robert Pragst versteht es, den Gerichtsalltag unterhaltsam und realistisch zu schildern. Wer den Arbeitsalltag eines Richters ungeschminkt kennenlernen möchte, ist mit diesem Buch gut bedient.

 

Einziges Manko: Da das Buch nicht nur die Erlebnisse beim Strafgericht schildert, sondern auch beim Betreuungsgericht und Verkehrsgericht, kann es nicht so in die Tiefe gehen, wie der Untertitel verspricht. Der suggeriert, dass es nur um die Erfahrungen als Strafrichter gehe.

 

 

Leseprobe: (Link ungültig)

 

Verurteilt – mein Jahr als Strafrichter, Sachbuch, Robert Pragst, dtv, Juni 2013

ISBN-13: 978-3423249829, Tb, 217 Seiten, Euro 14,90

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Das Buch gibt einen realistischen Einblick in die richterliche Tätigkeit. Ich war auch mal Proberichter und finde das Buch deswegen interessant. Ob es auch für Krimiautoren interessant ist, würde ich mit einem kleinen Fragzeichen versehen. Es geht in erster Linie eben nicht um spannende Kriminalfälle, sondern um eine ungeschminkte Darstellung des Gerichtsalltags. Und der Alltag eines Probesrichters zwischen Aktenbergen unbedeutender Fälle ist so gar nicht "das große Kino, das wir in den Medien erleben".

 

Der Titel "Verurteilt - Mein Leben als Strafrichter" ist eine Mogelpackung, da der Autor nicht nur seine Erlebnisse als Strafrichter, sondern auch die als Betreuungs- und Verkehrsrichter schildert. Dabei ist ein ständiger Dezernatswechsel für Proberichter normal. Als jederzeit kündbare Richter sind sie das Verschiebematerial der Justiz. Ein auf Lebenszeit ernannter Richter ist nicht so ohne weiteres versetzbar und wüsste sich zu wehren. Ein Kollege von mir brachte es in drei Jahren Probezeit auf 19 verschiedene Dezernate.

 

Beste Grüße

Patrick

"Ich habe nicht geschossen, nur ein bisschen- Absurde Ausreden vor Gericht", Ullstein 2018

"Justiz am Abgrund - Ein Richter klagt an", Langen-Müller 2018

"Jurafakten - Verbotene Süßigkeiten, erlaubte Morde und andere Kuriositäten aus Recht und Gesetz", Ullstein 2019

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