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(MartinaC)

Wie sollte man Ausrufezeichen einsetzen?

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Liebe Kollegen und solche, die es werden wollen,

 

immer wieder fällt mir auf, dass mit dem guten alten Ausrufezeichen umgegangen wird, als sei es Konfetti und verschönere auf dramatische Weise die Sätze eines Manuskripts. Aber nur durch großflächiges Ausstreuen, versteht sich.

 

Ich möchte heute ein Plädoyer gegen den brutalen Missbrauch unschuldiger Ausrufezeichen halten, wenn’s Recht ist. Spätere Einsprüche werden gern entgegen genommen, wenn auch nicht weiter beachtet.  ;)

 

Wenn ich einen Text lese, möchte ich mich zunächst einmal entspannen. Gerne werde ich ab und zu aus meiner seelischen Ruhe gerissen, durch ein:

 

„Halt! Wer da!“

 

Der eindeutige Zuruf verdient das Ausrufezeichen. Denn wie würde sich das ohne lesen?

 

„Halt. Wer da.“

 

Als habe der Wachmann schwere Depressionen oder hieße Martin Schneider. Es würde also einen falschen Eindruck machen. Gezielt verwendete Ausrufezeichen setzen Highlights im Text, markieren den Zeitpunkt, an dem meine innere Lesestimme sich erheben soll.

 

Nun begegnen mir aber immer wieder solche Texte:

 

„Thomas war ein unmöglicher Kerl! Na warte, dachte sie, dir werde ich es geben! Was hatte er sich nur dabei gedacht? Maria ging schnellen Schrittes die Treppe runter und warf die Tür hinter sich zu!“

 

Nach einem solchen Text muss ich erst mal Pause machen und mich von meiner inneren Stimme erholen, die mich die ganze Zeit angeschrieen hat.

 

Ausrufezeichen brüllen den Leser an! Entgegen einer landläufigen Meinung sind sie nicht dazu da, einen Text oder eine Aussage ganz besonders eindringlich zu gestalten. Sie sind dazu da uns zu signalisieren: jetzt kommt etwas Außergewöhnliches!

 

Ausrufezeichen sind nützlich in der wörtlichen Rede, besonders wenn jemand etwas ausruft. :s21

 

Sie sind völlig entbehrlich im restlichen Text. Wozu sollte der Autor den Leser anschreien? Das kann Aggressionen erzeugen. Ich werde aggressiv, wenn ich ständig von einem Text angebrüllt werde. Meine innere Lesestimme wird müde und ich fange an die Zeichen zu überlesen. Denn lange kann das kein Mensch aushalten, ohne abzustumpfen. :s14

 

Der eigentliche Sinn des Zeichens geht verloren, wenn es in Massen eingesetzt wird. Es soll hier und da die Stimmen erheben, nicht die ganze Zeit wie ein General Befehle erteilen.

 

Ein subtiler Gedanke stößt den Leser mehr an, als ein Befehl.

 

„Sie lief zum Fenster und suchte das Auto. Es stand nicht auf seinem Parkplatz. Langsam drang die Gewissheit in ihr Bewusstsein.

Er hatte sie verlassen.“

 

„Sie lief zum Fenster und suchte das Auto. Es stand nicht auf seinem Parkplatz! Langsam drang die Gewissheit in ihr Bewusstsein! Er hatte sie verlassen!“

 

Das zweite Beispiel klingt viel theatralischer und trivialer. Oh Gott, großes Drama, er hat sie verlassen!

Das erste ist ruhiger, gefälliger, aber wirkt viel intensiver auf mich. Ich kann mir viel besser vorstellen wie traurig der Moment sein muss, während mich das zweite Beispiel durch die Gegend hetzt, ohne mir Zeit zu geben Emotionen zu fühlen.

 

So spricht Wikipedia:

Das Ausrufezeichen „!“ (auch Ausrufungszeichen, Ausrufzeichen oder Rufzeichen) ist ein Satzzeichen, das den Satz abschließt und betont. Es steht nach einem Satz, einer Wortgruppe, einem einzelnen Wort oder einzeln in Klammern (!) um darauf hinzuweisen, dass das zuvor Erwähnte etwas Außergewöhnliches bzw. ein außergewöhnlicher Fall ist.

 

Merke: Betonung des Satzes? Ja.  Aber nur, wenn das Gesagte etwas Außergewöhnliches darstellt.

 

Ausrufezeichen haben demnach einen ganz bestimmten Sinn. Sie zeigen etwas Außergewöhnliches an. Eine Häufung wäre lächerlich, denn unmöglich kann der ganze Text außergewöhnlich sein.  :s21

 

Man verwende sie nicht, weil sie am Ende eines Satzes so schön aussehen. Sie sind etwas besonderes, sinnvolles und sollten Akzente setzen, in Maßen, anstatt durch Masse und unbedachten Einsatz unbedeutend zu werden.  Wo bleibt da das Außergewöhnliche?

 

Liebe Grüße  :s17

Joy  

 

Edit - Titel in aussagekräftige Frage geändert - Thot

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Hallo Joy,

 

Du rennst da glaube ich bei den meisten offene Türen ein. Wer schreibt und gut schreiben will, kann glaube ich, sich ganz gut mit ein bisschen Musikalität behelfen (schad´wenigstens nichts :p). Ich höre auch nicht gerne Fortissimo die ganze Zeit, so ist das auch mit einem Text.

Man will´s dann wie Else Buchschlüter uns so richtig einbleuen: Ruf! Mich! An!

 

TSchüß

 

kathrin

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Hallo Kathrin,

 

hier lesen sehr viele Anfänger mit. Und ich habe schon viele Anfängertexte gelesen. Es soll sich bitte nur der den Schuh anziehen, dem er passt und dem er die Füße wärmt. :s21

 

LG

Joy

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Liebe Joy!

 

danke für diesen Text! Jetzt weiß ich auch, was mich an der neuen Buchserie "Die drei !!!" so massiv stört! Noch VIEL schlimmer sind allerdings mehrere Ausrufezeichen hintereinander!!!

 

Unqualifizierte Grüße!

 

Astrid!

 

;D

 

Aber ganz im Ernst: du hast absolut recht.

Meine Homepage

 

Rabenzeit 1 gibt's als E-book und gedruckt bei Amazon. :)

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Hi Astrid,

 

freut mich bei dir ins Auge getroffen zu haben. :s21 Und glaub mir, du bist nicht die Einzige. Sogar so manche Profis kommen damit durchs Lektorat... manchmal echt erstaunlich.

 

LG

Joy (übrigens absolut unmusikalisch)

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Hi!

Interessantes Thema.

Vor allem in Anfängerzeiten habe ich mit den Dinger nicht gegeizt. Beim Überarbeiten kommen mir oft ältere Texte unter, in denen sich die Leute pausenlos anschreien.

Gabi

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(Peter_Dobrovka)
„Thomas war ein unmöglicher Kerl[red]![/red] Na warte' date=' dachte sie, dir werde ich es geben[green']![/green] Was hatte er sich nur dabei gedacht? Maria ging schnellen Schrittes die Treppe runter und warf die Tür hinter sich zu[red]![/red]“

Hier sollte noch erwähnt werden, daß von den drei Ausrufezeichen nur zwei obsolet sind, das dritte (grüne) ist durchaus berechtigt.

 

Peter

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Vielleicht sollte man dazusetzen, dass auch bei Fragezeichen ein sparsamer Gebrauch durchaus seine Vorteile hat.

Dabei meine ich natürlich nicht, dass man sie weglassen sollte, wo eins hingehört. Aber nachdem ich letztens ein Buch gelesen habe, auf dem auf nahezu jeder Seite Fragen im Text aufkamen ("Was hatte er vor? Was sollte sie tun? Würde sie es schaffen? Wen interessiert das überhaupt?") plädiere ich auch hier für eine Schonung missbrauchter Satzzeichen (übrigens auch ein Buch, in dem man des Öfteren von der Autorin angeschrien wurde - da ist es mir auch sehr störend aufgefallen).

 

Auch wenn ein Ausrufezeichen mit einem Fragezeichen nicht viel zu tun hat, dann doch wenigstens die Tatsache, dass in ihrem Fall weniger mehr ist.

 

(Ich will hier übrigens nicht Astrids Arbeit kritisieren, nein, nein - es war kein Buch von ihr oder Kollegen, wo mir die vielen Fragezeichen so aufgefallen sind... ::) )

 

Liebe Grüße,

 

Elena ;)

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Hi!

Das klingt eigentlich ein bißchen nach einer Parodie. Wenigstens würde ich das erwarten,wenn ein bekannter Titel mir auf diese Weise abgeändert begegen wird.

Gabi

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Hey, das mit der Ausrufezeicheninflation nervt mich auch ungemein. Ganz schlimm finde ich die Kombination "?!" also "Wer ist denn da?!" und ähnliches, um eine ganz dramatische Frage zu formulieren. Da schaudert es mich beim bloßen Anblick.

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(Peter_Dobrovka)
Hey' date=' das mit der Ausrufezeicheninflation nervt mich auch ungemein. Ganz schlimm finde ich die Kombination "?!" also "Wer ist denn da?!" und ähnliches, um eine ganz dramatische Frage zu formulieren. Da schaudert es mich beim bloßen Anblick. [/quote']

Och nö, warum denn? Eine laut ausgerufene Frage ist das.

 

Peter

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Hey' date=' das mit der Ausrufezeicheninflation nervt mich auch ungemein. Ganz schlimm finde ich die Kombination "?!" also "Wer ist denn da?!" und ähnliches, um eine ganz dramatische Frage zu formulieren. Da schaudert es mich beim bloßen Anblick. [/quote']

 

Die "?!", oder aber "!?" Kombination kann vor allem auch dann, auch sehr legal, eingesetzt werden, wenn eine Aussage halb Frage, halb Aussage ist. Kommt selten vor, aber es kommt vor.

 

Als kleines Beispiel:

"Schreiben kann ganz schön schwierig sein!"

"Ist das so?!"

 

Gruß,

Marco! :s17

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Hallo Joy,

 

stimme dir voll und ganz zu. Mich nerven Ausrufezeichen auch und ich verwende sie im Prinzip nur, wenn sie wirklich nicht zu umgehen sind, d.h. wenn jemand etwas brüllt oder es ein Ausruf ist. Eine Lektorin hat mir mal wahllos weitere Ausrufezeichen eingebaut, da war ich überhaupt nicht glücklich drüber und habe versucht, das irgendwie wieder rückgängig zu machen. Sie war wohl der Meinung man müsste in jeden Satz, der auch nur annähernd eine Aufforderung o.ä. war, ein Ausrufezeichen bringen. Z.B.

 

"Drehen Sie sich um!" - ich hatte es nur mit . geschrieben, weil die Person es einfach nur sagt. So klingt es für mich, als würde sie ihn anschreien oder es rufen.

 

 

Viele Grüße,

 

Michelle

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Manchmal verwende ich gerne Ausrufe- statt Fragezeichen. Zum Beispiel so: "Was ist hier los!" - wenn also eher Autorität als der Wunsch nach einer Antwort hinter dem Satz steht. Das wurde mir bislang von jedem Lektor brav angestrichen :-/

 

Gruß,

 

Tin

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Das wurde mir bislang von jedem Lektor brav angestrichen :-/

Tin, du bist doch selber auch Lektorin, und es ist sachlich falsch. Würdest du das nicht anstreichen!:s22

 

Nein, ich bringe es nicht übers Herz, also stellt euch nach der Frage bitte ein Fragezeichen vor.

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Rocker, gib drei übermotivierten Lektoren einen Roman und sie machen drei eigenständige Manuskripte daraus :s22

 

Sachlich falsch ist es nicht, ein Ausrufe- statt ein Fragezeichen zu setzen, wenn man damit etwas zum Ausdruck bringen möchte (hier: Autorität). Außer vielleicht in Schulaufsätzen :) Man kann das genau so als Stilmittel verwenden wie etwa einen "Telegrammstil", in dem alle möglichen Satzteile fehlen.

 

 

 

Gruß,

 

Tin :)

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Öhem, räusper ... :)

 

Ich habe mir zur Abwechslung Dostojewkis „Der Spieler“ aus der Bücherei ausgeliehen- und was musste ich sehen? Viele Ausrufezeichen, auch da, wo Punkte besser angebracht gewesen wären. Dabei war er da gar nicht mehr so jung. Was können wir daraus lernen? Wie sagte neulich jemand? Auch die ganz Großen kochen nur mit Wasser! (Ausrufezeichen!)

Amüsierte Grüße

Christa

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... und ich habe vor kurzem gelesen, dass ein großer Autor das Fragezeichen einfach weggelassen hat!

 

Das ging so:

 

Ihr müsse etwas ganz Furchtbares passiert sein, meinte x.

 

Was denn, sagte y.

 

Auch das ein hübsches Stilmittel, wie ich finde: Es zeigt, dass Sprecher y die Antwort gar nicht interessiert ;)

 

Ich hab noch vergessen zu bemerken, dass Joy natürlich Recht hat. Der inflationäre Gebrauch von Ausrufezeichen nervt und deutet für mich meist darauf hin, dass dem Autor die Worte ausgehen, um seinen Sätzen Betonung oder Bedeutung zu geben ;-)

 

Gruß!

 

Tin :)

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Tin, das wäre ein neues interessantes Thema: wie gestalte ich den Text spannend, so dass ich "Krücken" wie Betonungszeichen nicht brauche.;)

 

LG

Joy

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Hallo Joy,

ich glaube, wenn jemand den Reichtum der Interpunktion lediglich als Krücke begreift, dann macht er schon in dem Moment die ersten Fehler. Wie du bei deinen Ausführungen zum Ausrufezeichen so schön beschrieben hast, gehört Interpunktion als eines von vielen Stilmitteln zur Form, die mit dem Inhalt zusammenpassen sollte. Natürlich könnte man einen Text interpunktionsfrei so schreiben, dass er verstanden wird - aber ihm würde ein Teil des sprachlichen Ausdrucks fehlen, wenn das Fehlen nicht gerade Stilmittel wäre (etwa im Bewusstseinsfluss). Interpunktion hängt sehr stark am Atem einer Geschichte (sie zeigte ja mal den laut Lesenden, wo man wie atmet, die Stimme senkt oder hebt).

 

Ich glaube, wenn die Interpunktion eines Textes unbeabsichtigt in eine einzige Richtung verschoben wird, und das durchgängig, dann stimmen Atem und Rhythmus der Geschichte nicht mehr. Ich halte deshalb nichts vom Ächten bestimmter Satzzeichen - es ist hilfreicher für solche Autoren, richtig laut lesen zu lernen.

In diesem Zusammenhang kann man dann auch schön einige Marotten der NDR eratmen und wird spüren, welcher Reichtum an sprachlichen Gestaltungmöglichkeiten mit Interpunktion derzeit flöten geht. Tins Aussage, dass die Stellen, an denen ein Autor denkt, heutzutage "glattlektoriert" werden, erlebe ich auch ständig und könnte dabei die Wand hochgehen.

 

Es ist wie in einer guten Partitur - die wäre nichts ohne Taktstriche, Rhythmusangaben, Viertels- oder halbe Pausen etc. Aber eben in Einheit mit dem Klang...

Nur heute tendiert es in der Korrektur auch mal gern zum Einheitsbrei der Popkonserve. Da lob ich mir zwischendurch einen Dostojewski!

 

Schöne Grüße,

Petra,

Verein zur Unterschutzstellung des aussterbenden Semikolons  :s21

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ich glaube' date=' wenn jemand den Reichtum der Interpunktion lediglich als Krücke begreift, dann macht er schon in dem Moment die ersten Fehler. [/quote']

 

Habe nur darauf gewartet, dass einer kommt und die Dinge wieder mal total schwarzweiß darstellt.  ;)

Ich habe mit keiner Silbe irgendwas "geächtet", sondern lediglich auf einen besonnenen Einsatz hingewiesen, der oftmals zu wünschen übrig läßt.

 

Den Vergleich mit der Krücke münzte ich auf diejenigen Anfängertexte, die sich eben oft dieses Satzzeichens bedienen, wie eine Krücke, um etwas zu betonen, das aus dem Text nicht betont hervorgeht. Was nicht bedeutet, dass ich grundsätzlich für den Tod des Ausrufezeichens bin.

 

Haarspalterische Grüße

Joy

 

Nachtrag: Stimme dem "Fragezeichenmißbrauch" ebenfalls zu, sowie dem seltsamen Rückzug des Semikolons. Auch finde ich den Bindestrich ein tolles Stilmittel, wenn er richtig eingesetzt wird.

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