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(Huutini)

Blutadler

Empfohlene Beiträge

Liebe Leute!

 

Zu diesem Buch will ich eine kurze Einleitung erzählen, die vielleicht gut wiedergibt, was ich von "Blutadler" halte.

Ich bekam vor knapp einem halben Jahr eher zufällig ein Leseexemplar in die Finger und hatte von dem Buch nur gehört, dass es eine große Hoffnung des Verlags darstellt. Entsprechend ahnungslos hab ich angefangen es zu lesen, und muss gestehen, dass ich es nach 40 Seiten gelangweilt weggelegt habe.

Das lag zum einen daran, dass ich den brutalen Mordfall, wie er dargestellt worden ist, etwas uninteressant fand, zum anderen habe ich mich ja auch daran gestört, in einem anderen Thread habe ich es mal erwähnt, dass die Örtlichkeiten der Hamburger Reeperbahn etwas entfremdet wurden.

Vor einer Woche habe ich dann im Frühstücksfernsehen eine Besprechung des Buches gesehen, gemeinsam mit einem Interview mit dem Autor Graig Russell, der sich von einem Hauptkommissar der Davidwache erzählen lassen muste, er habe einen Umweg genommen, also genau das Problem, das ich mit der Sache hatte. Russell erzählte, er habe das absichtlich falsch geschildert, um mehr von Hamburg zeigen zu können, und derart versöhnt habe ich mir die restlichen 370 Seiten des Buches nochmal vornehmen wollen.

 

Und die dann an eineinhalb Tagen durchgelesen.  ;D

Es ist kein Witz, die letzten 200 Seiten konnte ich das Buch einfach nicht mehr weglegen, was mich mal wieder eine durchlesene Nacht gekostet hat.

 

Inhalt:

 

Der Hamburger Kommissar der Mordkommission Jan Fabel steht vor einem seiner schwersten Fälle. In einer mysteriös halb-leerstehenden Wohnung findet er eine identitätslose Frau, die auf brutale Weise und offenbar rituell hingerichtet wurde, und sie ist bereits das zweite Opfer eines offenkundigen Serientäters. Der einzige Verdächtige ist ein ehemaliger Polizist, der sich mittlerweile als Zuhälter und Kleindealer verdingt. Der jedoch schwört, mit der Sache nichts zu tun zu haben.

Die Ermittlungen lassen Fabel in einen Schlund aus Brutalität und Hass stürzen, der ihn zutiefst verstören wird...

 

Kritik:

 

Das Buch ist gelinde gesagt großartig. Den ermittelnden Charakter Jan Fabel möchte ich einmal als einen Hamburger Kommissar Wallander bezeichnen, denn ähnlich wie die Mankell-Krimis zieht auch Russel gekonnt den Bogen von einem ursprünglich lediglich absurd scheinenden Mordfall zu einer internationalen Geschichte und einem Zeitzeugnis gegenwärtiger internationaler und gesellschaftlicher Befindlichkeiten.

Auch wenn man es am Anfang nicht unbedingt erwartet, ist das Buch hochpolitisch, was ihm bei mir schonmal einen Extrapunkt einbringt.

 

Wirklich beeindruckt war ich aber davon, wie elegant und locker Russell mit einem knappen halben Dutzend Erzählsträngen jongliert. Für mich zog sich die Spannung des Buches tatsächlich daraus, wie all die unterschiedlichen Geschichten am Ende zusammenpassen sollten.

Eine Mordserie, ein ritueller Wikingerkult, eine Vergewaltigungsserie, Bandenkriege und Machtkämpfe auf dem Kiez, rechtsradikale Zeitungsmagnaten und Internationale Elitesoldaten, BND, MEK und FBI, und natürlich anderes, was ich hier nicht verraten will, all das sind nur einige Zutaten, die Russell hier zusammenkocht, und am Ende passt tatsächlich alles irgendwie zusammen und wie all das auf nur 400 Seiten aufgedeckt wird, ist wirklich großartig.

Das Buch nimmt regelmäßig Wendungen, die einen als Leser zum Teil so unerwartet treffen, dass man mit offenem Mund staunend in die Seiten starrt, und sich fragt, wie das jetzt wieder ins Bild passen will.

Dabei dreht Russell die Gewaltspirale immer höher und schneller. Beginnt er mit psyopathischen, gemeinen und skrupellosen Bandenchefs, so stellt sich schnell heraus, dass im See immer ein noch größerer Fisch schwimmt, der selbst den härtesten Gangstern Angst einflößt...

 

Als weiteren Pluspunkt empfinde ich die beinahe klassischen Detektivelemente in der Geschichte. Da werden Mordszenen gezeigt, in denen die Täter natürlich nur vage skizziertt werden, (Zwei Männer, einer groß, einer klein...) was wohl eine klassische Technik ist. Doch bleibt Russell dabei immer fair: Wer die im Buch gegebenen Hinweise aufmerksam verfolgt, kann oftmals schon allein dadurch das ein oder andere Rätsel lösen, wie man es von alten Holmes-Krimis kennt, also ein sehr britisches Erzählelement.

 

Und ebenfalls bewundernswert ist die Dichte des Romans. Die Geschichte ist wirklich komplex und verschachtelt, vermittelt eine Fülle von Wissen, geschichtlich, politisch, international und national, nebenher wird noch eine spannende Geschichte erzählt, werden wirklich liebenswerte Charaktere gezeichnet, mit denen man mitfühlt, deren Verbindungen man nachvollziehen kann und all das nicht nur auf nur 400 Seiten, sondern auch so gut und einfach erzählt, dass der Leser nicht ein einziges Mal die Orientierung in diesem Labyrinth verliert. Man wird so unaufällig bei der Hand genommen und durch diesen Wust aus Informationen und Handlung geführt, dass man es gar nicht merkt, und es bleiben, eigentlich, keine Fragen offen, nichts bleibt unerklärt, und an keiner Stelle hat der Leser das Gefühl, getäuscht oder zu wenig informiert worden zu sein.

 

Fazit:

 

Das Buch ist jeden Funken von Aufmerksamkeit und Lob wert, den es zur Zeit erhält und ich bin schon ganz hibbelig, was die Fortsetzung betrifft, von der ich hoffe, dass sie ähnlich gut wird.

Das Buch hat in meinen Augen einen nicht unbedingt perfekten Anfang, den ich persönlich als etwas lahm empfinde. Aber wer bis auf Seite 50 durchhält, wird dafür mehr als reich belohnt.

Das Buch bietet eigentlich alles: Großartige Rätsel, eine tief verschachtelte und hochkomplexe Handlung, internationale Irrungen und Wirrungen, wie man sie sonst vor allem von Mankell kennt, tolle, vor allem glaubhafte, Charaktere und eben all den Spaß und die Spannung, die ein Thriller haben sollte.

Für Hamburger bietet das Buch natürlich noch einen extra Bonus, denn der Hauptcharakter des Buches ist tatsächlich weniger Jan Fabel, als eher die Stadt. Nach anfänglichem mosern über die Strassenführung und Werbeschilder konnte ich später auch nur noch wenig (höchstens zwei oder drei) Punkte finden, an denen Russell simplifiziert. Mir als Hamburger gibt das Buch nochmal einen Extrakick, wenn man an Schauplätze und in Cafes geführt wird, in denen man selber regelmäßig sitzt, und bei denen man sich fragt: Hier also ist das passiert...

 

Ein Punkt, der mir weniger gefiel sei aber dennoch angemerkt: Die Namensgebung mancher Personen. Im Englischen mag es weniger auffallen, wenn der Eitle, arrogante Konzerntyp mit Nachnamen 'Eitel' heisst, auf Deutsch fand ich das etwas störend...

Solche Fälle gibt es noch ein oder zweimal.

 

Wirklich diskussionswürdig ist allenfalls das Ende, mit dem ich persönlich eigentlich kein Problem habe, ich fands sogar Großartig, kann mir aber vorstellen, dass es Leute gibt, die sich am Ende stören könnten.

 

Doch die Fortsetzung, "Brother Grimm", erscheint ja noch diesen Juni auf englisch, und wird hoffentlich ähnlich gut werden.

 

Also, für Freunde von Thrillern und guten, komplexen Krimis ist das Buch eigentlich Pflichtlektüre, und wer diese Genres bisher nicht gelesen hat, findet hier einen mehr als guten Grund, endlich damit anzufangen.

Bessere und gehaltvollere "Eskapismus-Literatur" wird zur Zeit schwer zu finden sein. ;)

 

Und als kurze Schlussbemerkung: Habe das Buch auf Deutsch gelesen, und die Übersetzung ist grandios. Wer aber englisch kann, und es auf englisch liest, hat natürlich den Vorteil all der Deutschen Sprachsprenkel, die sich durch den englischen Text ziehen, was an manchen Stellen sogar nicht ganz unentscheidend ist! ;)

 

Empfehlende Grüße und viel Spaß beim lesen,

Marco! :s17

 

 

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Hallo marco!

 

Stünde Craig Russel´s Werk bei mir nicht schon seit der ersten Ankündigung ganz hoch im Kurs, spätestens jetzt wäre die Kaufentscheidung ganz klar für "Blutadler" gefallen. Vielen Dank für die ausführliche Rezi!

 

Gruß,

koldir

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Und als kurze Schlussbemerkung: Habe das Buch auf Deutsch gelesen' date=' und die Übersetzung ist grandios. Wer aber englisch kann, und es auf englisch liest, hat natürlich den Vorteil all der Deutschen Sprachsprenkel, die sich durch den englischen Text ziehen, was an manchen Stellen sogar nicht ganz unentscheidend ist! ;)[/quote']

Hallo Marco,

übersetzt wurde das Buch von einem Hamburger, der in Schottland ganz in der Nähe von Craig Russel wohnt.

Wir haben bei uns im Laden das Buch alle schon im Sommer gelesen und jemand sagte danach, dieses Buch war wie Kino, nur gelesen  :)

 

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(Peter_Dobrovka)

Das hat mich jetzt wieder mal extrem neugierig gemacht.

 

Oh Gott, wann soll ich das bloß alles lesen, was hier empfohlen wird?

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Hallo Marco,

wenn mein Budget nicht schon ausgegeben wäre, hätte ich nach dieser Rezension sofort auf "kaufen" geklickt (warum bindet ihr die Bücher, die ihr empfehlt, eigentlich nicht ein, Andreas hat so ein praktisches Feature geschaffen!)

Aber das da:

Eine Mordserie' date=' ein ritueller Wikingerkult, eine Vergewaltigungsserie, Bandenkriege und Machtkämpfe auf dem Kiez, rechtsradikale Zeitungsmagnaten und Internationale Elitesoldaten, BND, MEK und FBI, und natürlich anderes, was ich hier nicht verraten will, all das sind nur einige Zutaten[/quote']

...das klingt, als hätte ich den Zahnarzt nötig, weil sich eine ganze Tüte Marshmallows in einem einzigen Loch verfangen hat.

Ist das wirklich noch erträglich geschrieben, so dass man die Menge der Sensationen nicht merkt? Wenn einer mehr als drei dreibuchstabige Organisationen in einen Thriller strickt, ist das für mich normalerweise das Signal, das Buch nicht zu kaufen. Lohnt sich's auch für Zahnarztpaniker? ;-)

 

Schöne Grüße,

Petra

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Hey Petra!

 

(warum bindet ihr die Bücher' date=' die ihr empfehlt, eigentlich nicht ein, Andreas hat so ein praktisches Feature geschaffen!)[/quote']

Du hast natürlich recht, das hab ich mittlerweile nachgebessert! ;)

 

Aber das da:

Eine Mordserie, ein ritueller Wikingerkult, eine Vergewaltigungsserie, Bandenkriege und Machtkämpfe auf dem Kiez, rechtsradikale Zeitungsmagnaten und Internationale Elitesoldaten, BND, MEK und FBI, und natürlich anderes, was ich hier nicht verraten will, all das sind nur einige Zutaten

 

...das klingt, als hätte ich den Zahnarzt nötig, weil sich eine ganze Tüte Marshmallows in einem einzigen Loch verfangen hat.

Ist das wirklich noch erträglich geschrieben, so dass man die Menge der Sensationen nicht merkt? Wenn einer mehr als drei dreibuchstabige Organisationen in einen Thriller strickt, ist das für mich normalerweise das Signal, das Buch nicht zu kaufen. Lohnt sich's auch für Zahnarztpaniker? ;-)

 

Total kariesfrei! ;)

Eben das empfinde ich persönlich ja als so faszinierend, für gewöhnlich bin ich auch jemand, der eine Geschichte schnell als überfrachtet empfindet. Hier hatte ich das nicht. Trotz vieler Richtungswechsel und Nebenschauplätzen hatte ich nicht ein einziges Mal das Gefühl, überlastet oder verwirrt zu sein.

Da denke ich schon die ganze Zeit drüber nach, wie Russell das schafft.

All die Initialen sind einfach geschickt eingewoben. Die 'Straftaten' decken einfach mehrere Abteilungen gleichzeitig ab, was den Ermittler dazu zwingt, sich mit den Nachbarabteilungen abzugeben. Das ist nicht nur nicht nervig, sondern sorgt sogar für ein höheres Realismusgefühl bei mir.

Hinzu kommt, dass der Autor sich selbst ein wenig darüber lustig macht. Habe das Buch nicht mehr hier, sonst würde ich jetzt zitieren, aber ein oder zweimal wird ein Spruch gebracht, der "Die Menge von Organisationen mit Initialen" betrifft.

Ausserdem, glaube ich, schafft der Roman es wunderbar, in kleinen Nebensätzen und kleinen Nebenhandlungen Dinge abzuhandeln, die, jedenfalls bei mir, einfach hängenbleiben und so, quasi im Vorbeigehen, der ganzen Handlung eine ganz gewaltige Komplexität ankleben. Wie gesagt, ich find das selbst toll und bin mir nicht ganz sicher, wie das klappt, ich fand die Handlung jedenfalls zu keiner Zeit überladen oder Abkürzungs-überfrachtet, sondern einfach nur - vielschichtig!

 

@Peter

Ach, zeitlich ist das kein Problem, das Buch liest sich tatsächlich ganz fix. zwei Tage höchstens. (natürlich durchgehend...;D)

 

@Wolke:

Danke für die Hintergründe. Wie gesagt, ich halte das Buch für großartig übersetzt.

 

Wobei mich das zu einer seltsamen Randanekdote bringt. Ich habe Samstag in einem Bahnhofsbuchhandel die Englischsprachige Taschenbuchversion in der Hand gehalten, samt erstem Kapitel der Fortsetzung "Brother Grimm". Wenn ich Amazon.co.uk glauben darf, wird genau dieses Buch aber erst im April 2006 veröffentlicht... ??? :s09

 

Lieben Gruß,

Marco! :s17

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