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UlrikeS

Familiengeheimnisroman - parallele Vergangenheitsgeschichte ja oder nein

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Hallo ihr Lieben,

 

da ich weiß, dass viele "Familiengeheimnisroman"-Schreiber unter uns sind, wollte ich gerne eine Frage diskutieren, die mir schon lange im Kopf herumgeht.

 

Im Familiengeheimnisroman ist es sehr oft so, dass in einer Gegenwartsgeschichte Hinweise auf eine Vergangenheitsgeschichte gefunden werden. Parallel dazu wird in der ein oder anderen Form die Vergangenheitsgeschichte erzählt, möglichst so, dass vom Geheimnis, welches die Personen in der Gegenwart aufzudecken versuchen, nichts so schnell bekannt wird.

 

Es ist also so etwas wie ein "Roman im Roman". Man bekommt zwei Geschichten geliefert, die miteinander verwoben sind.

 

Manchmal gibt es aber auch Romane, in denen das Geheimnis stärker wie ein solches behandelt wird und es keine parallel erzählte Vergangenheitsgeschichte gibt. Sondern einen "Ermittler", wie im Krimi.

Bsp.: Maarten t'Hart "Das Wüten der ganzen Welt".

 

Lesen tue ich beides sehr gerne.

 

Da ich mir gerade eine neue Geschichte für dieses Genre ausdenken möchte, würde ich gerne wissen, warum ihr euch für eine der beiden Varianten entschieden hat. Im Moment tendiere ich mehr zu der "Ermittler"-Variante, vielleicht, weil ich bereits einen solchen Roman geschrieben habe (noch nicht veröffentlicht). Aber vielleicht bietet die Parallelgeschichte Vorteile, die ich bisher nicht gesehen habe. Im Moment sehe ich das große Problem, nie zu viel zu verraten, um die Spannung aufrecht zu halten und beide Geschichten gleichwertig zu schreiben.

 

LG Ulrike

 

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Liebe Ulrike,

 

ich habe immer einen parallelen Vergangenheitsstrang, weil die Protagonistin in der Gegenwart zwar das Geheimnis entdecken, aber niemals alle Einzelheiten erfahren kann. Sie war ja nicht dabei und weiß nicht, wie alles exakt ablief, wie es zu bestimmten Ereignissen kam, welche Verwicklungen sich ergaben. Und genau das finde ich sehr reizvoll. Man kann die Figuren der Vergangenheitsebene psychologisch ausloten, ihre Konflikte aus nächster Nähe beschreiben, sie begleiten. Gleichzeitig weiß man durch die Gegenwartsebene zumindest teilweise, wie das Ganze endete oder welche Folgen es hatte. Zu erzählen, WIE es dazu kam, den Leser auf falsche Fährten zu führen und das, was er geglaubt hat, ins Gegenteil zu verkehren, ist für mich spannend.

 

Schnitzeljagden finde ich eher langweilig, weil sich das leicht in einer Hetzerei von Hinweis zu Hinweis erschöpft. Man erfährt nur aus zweiter Hand, was damals geschehen ist und ist auf die Schlussfolgerungen des Protagonisten angewiesen, statt seine eigenen zu ziehen.

Aber wie immer kommt es natürlich auf die Geschichte, die Absichten des Autors und seine Fähigkeiten an. Schnitzeljagd kann bestimmt auch toll sein, wenn sie gut gemacht ist.

Bearbeitet von Mascha
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Liebe Ulrike

 

Ich bin ja so in der Schiene unterwegs und habe beide Varianten schon ausprobiert resp. geschrieben. Der Weg ergab sich eigentlich von ganz allein, als sich die Geschichte aus der Idee herauskristallisiert hat.

 

Bei der einen (Die Frau in Rot) „verlangte“ die Geschichte quasi nach zwei Parallelwelten, weil nicht alles, was damals (18. Jahrhundert) passierte, aus heutiger Sicht noch erklärt werden konnte, ohne dabei zu sein. Ausser die Figur im Heute hätte ein Tagebuch/Briefe oder etwas Ähnliches gefunden. Zeitzeugen gibt’s ja keine mehr. ;-) Die Spannung entstand dadurch, dass die "Damals-Leute" in etwa den gleichen Wissenstand hatten, wie die "Heute-Leute" bis fast zum Schluss.

 

Im zweiten Fall, die krimiähnliche Geschichte, die im November erscheint, geht es zwar auch um etwas, das früher passiert ist und im Heute relevant wird. Und es gibt ebenfalls keine Zeitzeugen mehr, aber die damaligen Ereignisse sind noch durch andere Medien Zeitungen/Briefe/Bücher herauszufinden. Ich „brauche“ also keine Parallelgeschichte, um zu zeigen, was damals geschah, obwohl ich das eigentlich sehr mag.

 

Die Reaktionen der Leser/-innen waren aber bei der heute/damals-Version gespalten. Die einen mochten das sehr, die anderen fanden es doof.

 

Gruss

Margot

 

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Liebe Ulrike,

 

ich habe immer einen parallelen Vergangenheitsstrang, weil die Protagonistin in der Gegenwart zwar das Geheimnis entdecken, aber niemals alle Einzelheiten erfahren kann. Sie war ja nicht dabei und weiß nicht, wie alles exakt ablief, wie es zu bestimmten Ereignissen kam, welche Verwicklungen sich ergaben. Und genau das finde ich sehr reizvoll. Man kann die Figuren der Vergangenheitsebene psychologisch ausloten, ihre Konflikte aus nächster Nähe beschreiben, sie begleiten. Gleichzeitig weiß man durch die Gegenwartsebene zumindest teilweise, wie das Ganze endete oder welche Folgen es hatte. Zu erzählen, WIE es dazu kam, den Leser auf falsche Fährten zu führen und das, was er geglaubt hat, ins Gegenteil zu verkehren, ist für mich spannend.

 

Schnitzeljagden finde ich eher langweilig, weil sich das leicht in einer Hetzerei von Hinweis zu Hinweis erschöpft. Man erfährt nur aus zweiter Hand, was damals geschehen ist und ist auf die Schlussfolgerungen des Protagonisten angewiesen, statt seine eigenen zu ziehen.

Aber wie immer kommt es natürlich auf die Geschichte, die Absichten des Autors und seine Fähigkeiten an. Schnitzeljagd kann bestimmt auch toll sein, wenn sie gut gemacht ist.

 

Danke, Mascha. Die parallelen Geschichten scheinen sich also dann anzubieten, wenn die "Vor"-geschichte so lange her ist, dass keine Zeugen mehr leben (oder diese keine Auskunft mehr geben können).

 

In deinem "Schattenhaus" hast du es geschafft, beiden Geschichten gleichviel Raum und Bedeutung zu geben. Es lebt zwar eine Zeugin, diese ist aber nicht gewillt, Auskunft zu geben, im Gegenteil. Aber den Protagonisten erschließt sich das Geheimnis trotzdem erst durch ihre späte Beichte (wenn ich mich richtig erinnere, habe das Buch gerade verliehen). Theoretisch (und wahrscheinlich weniger schön) hätte man die Geschichte auch ohne die Rückblenden in die 50er Jahre erzählen können, oder?

Aber es hätte seinen Zauber verloren.

 

LG Ulrike

 

 

 

 

 

 

 

 

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Liebe Ulrike

 

Ich bin ja so in der Schiene unterwegs und habe beide Varianten schon ausprobiert resp. geschrieben. Der Weg ergab sich eigentlich von ganz allein, als sich die Geschichte aus der Idee herauskristallisiert hat.

 

Bei der einen (Die Frau in Rot) „verlangte“ die Geschichte quasi nach zwei Parallelwelten, weil nicht alles, was damals (18. Jahrhundert) passierte, aus heutiger Sicht noch erklärt werden konnte, ohne dabei zu sein. Ausser die Figur im Heute hätte ein Tagebuch/Briefe oder etwas Ähnliches gefunden. Zeitzeugen gibt’s ja keine mehr. ;-) Die Spannung entstand dadurch, dass die "Damals-Leute" in etwa den gleichen Wissenstand hatten, wie die "Heute-Leute" bis fast zum Schluss.

 

Im zweiten Fall, die krimiähnliche Geschichte, die im November erscheint, geht es zwar auch um etwas, das früher passiert ist und im Heute relevant wird. Und es gibt ebenfalls keine Zeitzeugen mehr, aber die damaligen Ereignisse sind noch durch andere Medien Zeitungen/Briefe/Bücher herauszufinden. Ich „brauche“ also keine Parallelgeschichte, um zu zeigen, was damals geschah, obwohl ich das eigentlich sehr mag.

 

Die Reaktionen der Leser/-innen waren aber bei der heute/damals-Version gespalten. Die einen mochten das sehr, die anderen fanden es doof.

 

Gruss

Margot

 

Danke, Margot. Deine "Frau in Rot" habe ich leider immer noch nicht gelesen, sorry.

Aber die Leserreaktion ist interessant. Ich hatte bislang gehört, dass die zweite Zeitebene von den Lesern sehr geschätzt werden würde, da sie eine zweite Geschichte erzählt bekommen. Andererseits reißt es einen auch immer aus dem Mitfiebern heraus.

 

"Krimiähnliche Geschichte" ist ein gutes Stichwort. Ich finde nämlich, dass der "Familiengeheimnis-Roman" ganz wunderbar mehrere Genres verknüpft: den Liebesroman (bis jetzt kenne ich keine Geschichte ohne diese :) ) und den Krimi. Bei zweiter Zeitebene kommt noch der Historische Roman dazu. Da der Roman die Folgen einer Handlung manchmal über Generationen hinweg zeigt, ist er manchmal auch sehr moralisch. Manchmal frage ich mich allerdings, ob die historische Handlung alleine nicht auch einen guten Roman gemacht hätte und finde die Gegenwartshandlung sehr konstruiert - etwas, das ich unbedingt vermeiden möchte.

 

Siehst du deine "Lavendelstürme" nicht als Familiengeheimnisroman?

Auch hier geht es doch darum, die Vergangenheit zu verstehen, um in der Zukunft glücklich werden zu können.

 

LG Ulrike

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Liebe Ulrike,

 

ich habe es in Die Affäre C. so gemacht: Meine "Ermittlerin" in Sachen Familiengeheimnis (Gegenwartsroman) schlittert nach und nach immer tiefer in die Geschichte hinein, gerät selbst in Gefahr usw.; also tatsächlich eine Art Schnitzeljagd. Zum Schluss, nachdem die Ermittlerin endlich den Beweis hat, springe ich - mit ihrer Erlaubnis ;)  - direkt in die Vergangenheit (18. Jahrhundert); d.h. es gibt ein Kapitel in meinem Roman (kursiv!), in dem der Leser auch die Protagonisten aus dem 18. Jh hautnah kennenlernt - und damit die Auflösung des Falls.

 

In Talmi (allerdings kein Familiengeheimnis) habe ich es ähnlich gemacht.

 

Liebe Grüße

 

Helene

Bearbeitet von Helene

Helene Luise Köppel:  Romanreihe "Töchter des Teufels" (6 Historische Romane über den Albigenserkreuzzug); sowie Romanreihe "Untiefen des Lebens"  (6 SÜDFRANKREICH-thriller), Neu in 2022: "Abkehr".

                                         

                                 

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Auch hier geht es doch darum, die Vergangenheit zu verstehen, um in der Zukunft glücklich werden zu können.

 

LG Ulrike

 

 

 

Jaein. Natürlich passierten in der Geschichte früher ein paar Dinge, die im Heute eine Rolle spielen. Aber eher in der Art, wie wenn man sich beim Schlittschuhlaufen ein Bein bricht und sich danach nicht mehr aufs Eis traut. ;-) Erfahrungen/Erlebnisse halt, die jeder von uns im Leben hat und die auf uns, als Person, nachwirken.

 

Für mich sind "Familiengeheimnisse" jedoch eher so einzuordnen, dass gemachte Entscheidungen oder Taten unwiderruflich zu heutigen Ereignissen führen. Man könnte es auch Schicksal nennen.

 

Nachtrag:

Danke, Margot. Deine "Frau in Rot" habe ich leider immer noch nicht gelesen, sorry.

 

Was, das nehme ich dir jetzt aber übel! :s07  ;)

 

Bearbeitet von Margot
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Liebe Ulrike,

 

ich habe es in Die Affäre C. so gemacht: Meine "Ermittlerin" in Sachen Familiengeheimnis (Gegenwartsroman) schlittert nach und nach immer tiefer in die Geschichte hinein, gerät selbst in Gefahr usw.; also tatsächlich eine Art Schnitzeljagd. Zum Schluss, nachdem die Ermittlerin endlich den Beweis hat, springe ich - mit ihrer Erlaubnis ;)  - direkt in die Vergangenheit (18. Jahrhundert); d.h. es gibt ein Kapitel in meinem Roman (kursiv!), in dem der Leser auch die Protagonisten aus dem 18. Jh hautnah kennenlernt - und damit die Auflösung des Falls.

 

In Talmi (allerdings kein Familiengeheimnis) habe ich es ähnlich gemacht.

 

Liebe Grüße

 

Helene

Danke, Helene.

 

Das finde ich reizvoll. Durch die "Schnitzeljagd" kennt der Leser die Personen und Konflikte schon und braucht sich jetzt nur noch fallen lassen, um mitzuerleben, wie es wirklich war. So wie der abschließende Bericht zu einer Recherche oder einer Beweisführung. . Wie lang war es ungefähr im Vergleich zum restlichen Text?

 

(Leider habe ich auch deine "Affäre" nicht gelesen, ich weiß, ich werde hier virtuell gesteinigt  . Mensch, von den Forumsautoren werden so viele so tolle Bücher geschrieben, die kann man gar nicht alle gelesen haben :s21)

 

LG Ulrike

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Siehst du deine "Lavendelstürme" nicht als Familiengeheimnisroman?

Auch hier geht es doch darum, die Vergangenheit zu verstehen, um in der Zukunft glücklich werden zu können.

 

LG Ulrike

 

 

 

Jaein. Natürlich passierten in der Geschichte früher ein paar Dinge, die im Heute eine Rolle spielen. Aber eher in der Art, wie wenn man sich beim Schlittschuhlaufen ein Bein bricht und sich danach nicht mehr aufs Eis traut. ;-) Erfahrungen/Erlebnisse halt, die jeder von uns im Leben hat und die auf uns, als Person, nachwirken.

 

Für mich sind "Familiengeheimnisse" jedoch eher so einzuordnen, dass gemachte Entscheidungen oder Taten unwiderruflich zu heutigen Ereignissen führen. Man könnte es auch Schicksal nennen.

 

Nachtrag:

Danke, Margot. Deine "Frau in Rot" habe ich leider immer noch nicht gelesen, sorry.

 

Was, das nehme ich dir jetzt aber übel! :s07  ;)

 

 Ein bisschen mehr als ein gebrochenes Bein war es aber schon :-)

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Liebe Ulrike,

 

ich habe es in Die Affäre C. so gemacht: Meine "Ermittlerin" in Sachen Familiengeheimnis (Gegenwartsroman) schlittert nach und nach immer tiefer in die Geschichte hinein, gerät selbst in Gefahr usw.; also tatsächlich eine Art Schnitzeljagd. Zum Schluss, nachdem die Ermittlerin endlich den Beweis hat, springe ich - mit ihrer Erlaubnis ;)  - direkt in die Vergangenheit (18. Jahrhundert); d.h. es gibt ein Kapitel in meinem Roman (kursiv!), in dem der Leser auch die Protagonisten aus dem 18. Jh hautnah kennenlernt - und damit die Auflösung des Falls.

 

In Talmi (allerdings kein Familiengeheimnis) habe ich es ähnlich gemacht.

 

Liebe Grüße

 

Helene

Danke, Helene.

 

Das finde ich reizvoll. Durch die "Schnitzeljagd" kennt der Leser die Personen und Konflikte schon und braucht sich jetzt nur noch fallen lassen, um mitzuerleben, wie es wirklich war. So wie der abschließende Bericht zu einer Recherche oder einer Beweisführung. . Wie lang war es ungefähr im Vergleich zum restlichen Text?

 

(Leider habe ich auch deine "Affäre" nicht gelesen, ich weiß, ich werde hier virtuell gesteinigt  . Mensch, von den Forumsautoren werden so viele so tolle Bücher geschrieben, die kann man gar nicht alle gelesen haben :s21)

 

LG Ulrike

 

Liebe Ulrike!

 

Der o.g. Roman umfasst (incl. Anhang) 533 Seiten - das besagte Kapitel aber nur 15 Seiten. Es sollte die Gegenwartsgeschichte ja nicht totschlagen, sondern nur ergänzen.

 

Zum Lesen: Ja, geht mir auch so, leider: Irgendwie reicht die Zeit nie aus, all die interessanten Bücher der Kollegen und Kolleginnen zu lesen. Je älter man wird, desto müder werden auch die Augen in der Nacht. :-[ 

 

LG

Helene

Helene Luise Köppel:  Romanreihe "Töchter des Teufels" (6 Historische Romane über den Albigenserkreuzzug); sowie Romanreihe "Untiefen des Lebens"  (6 SÜDFRANKREICH-thriller), Neu in 2022: "Abkehr".

                                         

                                 

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Ich bin bei dem Thema „zwei Zeitebenen“ etwas zwiegespalten. Zum Beispiel habe ich auf meinem SUB zwei Bücher von Kate Morton liegen, zwei dicke, spannende Schmöker, habe sie auch angefangen zu lesen, dann aber erstmal wieder aufgehört, als ich an die zweite Zeitebene geriet. Ich war einfach enttäuscht, dass ich in der Geschichte, in die ich mich gerade eingearbeitet hatte, in der alles gerade vertraut geworden war, nicht weiterlesen konnte.
 
„Das Schattenhaus“ von Mascha hat mir, wie ich Mascha auch schon sagte, dagegen sehr gut gefallen. Beide Ebenen waren spannend und ausgewogen und es hat Spaß gemacht, hin und her zu switschen. Es war absolut stimmig, den Roman gerade so und nicht anders zu erzählen.
 
An sich finde ich, eine zweite Zeitebene bringt Tiefe und Struktur in eine  Geschichte. Aber vielleicht ist man manchmal einfach zu bequem, die Personen, das Ambiente und den „Ermittlerstatus“ der Jetztzeit zu verlassen, um nun gedanklich wieder in eine andere Ebene abzutauchen, die vielleicht eine besondere Kombinationsgabe, besondere gedankliche Anstrengungen und Vernetzungen erfordert, um beide Geschichten zueinander in Verbindung zu setzen? Der Verstand muss arbeiten, nicht nur einlullend lesen …
 
Auf jeden Fall finde ich es nicht schön, wenn ich mich in der Jetztzeit auf eine „Ermittlung“ eingestellt habe und dann nimmt die Zeitschiene aus der Vergangenheit plötzlich die nächsten hundert Seiten ein. (Zumal, wenn mir vielleicht das Rätsel in der Jetztzeit viel besser gefällt als die epische Erzählung der Vergangenheit.) Manchmal wird man auch in die Irre geführt: da steht im Klappentext nur was von dem aktuellen Geheimnis, und vom Abstieg in die Vergangenheit wird man total überrascht.
 
Reizvoll ist die zweigleisige Erzählweise aber allemal. Ich bin selbst gerade dabei, über eine solche Geschichte nachzudenken. Ich bastele gerade daran, dass die ältere Zeitebene wie ein Puzzleteil mit der aktuellen verhakt ist, also hinweisend auf die aktuelle geschrieben wird und nicht allein für sich steht (stehen kann/könnte). Hm, damit meine ich, dass jeder Satz aus der Vergangenheit auch zur Gegenwart einen Bezug haben muss – so wie ein fallengelassenes Taschentuch im Krimi  einen Bezug zur Auflösung haben muss.
 
LG, Catherine

"Geh, hast du gesagt, du störst mich. Wenn man in die Seele derer blickt, die sich zwingen, getrennt von ihr zu leben, stört man immer." Robert Crottet: Negri, Tagebuch einer Katze

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Catherine, Deine Gedanken und Bedenken sind genau die, die mich dazu bewegt haben, diesen Thread zu eröffnen ;)

 

Mich hat das beim Lesen auch schon gestört und ich habe sogar mal erst die eine, dann die andere Perspektive gelesen, weil beide spannend waren und ich (bei einem dicken Wälzer) nicht 50 Seiten warten wollte, bis es mit der anderen Geschichte weiter geht.

Vielleicht liegt daran der Trick - die Wechsel sollen etwas enger liegen. Beim "Schattenhaus" ist es so, der gesamte Roman ist auch nicht sooo lang, so dass man darauf vertrauen kann, dass es mit der favorisieren Geschichte geht es bald weiter.

Verzahnung finde ich auch wichtig, aber v.a. : dass beide Geschichten einen eigenen Inhalt haben, eine eigene Spannung und nicht nur Stichwortgeber für die andere sind - meistens sind das die Gegenwartsgeschichten.

 

LG Ulrike

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Liebe Ulrike,

eine spannende Frage - danke dafür.

Bei meinem ersten Familiengeheimnis lag der Schwerpunkt klar auf der Vergangenheit und die Gegenwart diente eher als Rahmen, zwar auch mit eigener Handlung, aber die spannendere Geschichte enthüllte sich aus dem Zusammenspiel der Vergangenheitsebenen.

Beim aktuellen Roman hat die Gegenwartsebene mehr Bedeutung und eine stärker eigenständige Geschichte, in der sich die Hauptfigur entwickelt. Ich wünsche mir, dass die Leserinnen beide Geschichten so spannend finden, dass sie die Abwechslung mögen.

Liebe Grüße

Christiane

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Hast du für deinen Roman, den du planst, schon eine Lösung finden können, Ulrike?

Ich bin mir für meinen nicht so sicher. Die Vergangenheit liegt bei mir nicht so weit zurück, als dass ich nicht auf Dokumente, die guten alten Tagebücher oder ein paar uralte Zeitzeugen zurückgreifen könnte. Das hätte zumindest den Vorteil, dass ich dem Leser die Hinweise und Informationen häppchenweise zuführen könnte.

 

LG, Catherine

"Geh, hast du gesagt, du störst mich. Wenn man in die Seele derer blickt, die sich zwingen, getrennt von ihr zu leben, stört man immer." Robert Crottet: Negri, Tagebuch einer Katze

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Mir gefällt der Gedanke von Margot gut, dass man in der Vergangenheitshandlung erzählen kann, was in der Gegenwartshandlung gar nicht entdeckt werden kann. Ich mag es, wenn nicht alles so auserzählt wird. Und es löst ein Problem in meinem Kopf - wie ich die Vergangenheit erkläre, ohne auf die nicht sehr originellen Tagebücher etc. zurückgreifen zu müssen - ich werde es eben nur in der Vergangenheit vollständig schildern und in der Gegenwart nur so weit, wie es eben geht.

Die Gegenwartsgeschichte möchte ich jedoch nicht zu einer reinen Rahmenhandlung verkümmern lassen, da geht es mir wie Christiane in ihrem neuen Projekt.

 

@Catherine - Ich bin noch am Plotten. Meistens entsteht dabei erstmal ein Konstrukt aus viel zu vielen Handlungen, zu vielen Themen und zu konstruktiv wirkender Handlung. Irgendwann muss ich mich dann auf den roten Faden einigen und einiges rauswerfen.

 

Bei meinen Recherchen fiel mir auf, dass es fast nur Familiengeheimnisromane mit zwei Zeitebenen gibt. Und sie widmen sich den unterschiedlichsten Themen - aber es wurde ja bei einer anderen Diskussion hier schon mal gesagt, dass beim Familiengeheimnis einiges möglich ist, was in anderen Genres (Liebesroman v.a.) nicht so gut ankäme.

Eine Art Spielwiese. Diesen Rahmen würde ich auch gerne ausschöpfen.

 

Nachdem ich gerade ein langwieriges Projekt abgeschlossen habe, ist mein Hirn offensichtlich froh, wieder einfach drauf los spinnen zu dürfen :-)

 

LG Ulrike

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In deinem "Schattenhaus" hast du es geschafft, beiden Geschichten gleichviel Raum und Bedeutung zu geben. Es lebt zwar eine Zeugin, diese ist aber nicht gewillt, Auskunft zu geben, im Gegenteil. Aber den Protagonisten erschließt sich das Geheimnis trotzdem erst durch ihre späte Beichte (wenn ich mich richtig erinnere, habe das Buch gerade verliehen). Theoretisch (und wahrscheinlich weniger schön) hätte man die Geschichte auch ohne die Rückblenden in die 50er Jahre erzählen können, oder?

Aber es hätte seinen Zauber verloren.

 

Liebe Ulrike,

 

rein auf der Informationsebene hätte sich das »Geheimnis« auch ohne den Vergangenheitsstrang klären lassen. Soweit es die Herkunft der Protagonistin betrifft, wird das ja auch zum Großteil so gehandhabt, da die Informationen aus Bildern, Briefen und den Aussagen des Bürgermeisters stammen.

 

Den Erzählstrang in der Vergangenheit aus Perspektive der Antagonistin hätte ich nicht durch Infos aus zweiter Hand ersetzen können, es sei denn, die Protagonistin hätte ein Tagebuch der Antagonistin gefunden. Ich fand aber wichtig, dass der Leser mehr weiß als die Prota, die ja die Geschichte der Antagonistin niemals in allen Einzelheiten erfährt. Und mich hat gereizt, den Vergangenheitsstrang auf den heutigen zulaufen zu lassen, bis beide sich verbinden.

 

Beim nächsten Roman, der im Juli erscheint, hatte ich mit dem Gedanken gespielt, dem Leser zwar die Auflösung zu enthüllen, meine Protagonistin nur einen Teil des Rätsels lösen zu lassen und sie teilweise unwissend wieder nach Hause zu schicken. Das wäre aber doch ein bisschen zu gemein gewesen. :-)

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Mir gefällt der Gedanke von Margot gut, dass man in der Vergangenheitshandlung erzählen kann, was in der Gegenwartshandlung gar nicht entdeckt werden kann.

 

Beim Schreiben von "Die Frau in Rot" fand ich den Gedanken witzig, dass der Leser den Spekulationen meiner Protagonisten im Heute, was die damaligen Geschehnisse betrifft, mit einem Schmunzeln resp. einem Kopfschütteln folgen kann, weil er ja - durch den Vergangenheitsstrang - die Wahrheit bereits weiss. Ob sie das auch wirklich getan haben, entzieht sich jedoch meiner Kenntnis. ;)

 

Ich habe meinen heutigen Protagonisten übrigens auch nicht die ganze damalige Wahrheit enthüllt. Die kennt nur der Leser.

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