Was hier in der Diskussion übersehen wird, ist dass die tollen amerikanischen Serien nicht von öffentlich-rechtlichen amerikanischen Sendern produziert werden, sondern von den privaten. Das Öffentlich-Rechtliche produziert auch in den USA schnarch-langweilige "brave" Sendungen, Quizshows und Reality-TV, und liegt in der Qualität sogar noch unter dem, was ZDF/ARD & Co hierzulande produzieren. Auch in den USA haben die öffentlich-rechtlichen eine Art staatliche Zensur, bestimmte Inhalte nicht zu senden (keine explizite Gewalt und Sex z.B.), sondern "familienfreundliche" Unterhaltung.
Beim öffentlich-rechtlichen deutschen Fernsehen kommt noch ein "Bildungsauftrag" dazu.
Wenn man innovative Serien von Deutschland erwartet, dann muss man auf die privaten Sender schielen (RTL/PRO7 & Co). HBO, von denen so viele hochgelobte Serien kommen, ist nämlich ein privater Sender, der zu Warner Bros gehört, und hat ganz andere finanzielle Mittel.
Ich war im Mai auf dem TV Series Festival in Berlin und habe dort Robert McKee reden hören, der ein paar sehr interessante Einblicke zu diesem Thema gegeben hat. Laut ihm ist es zur Zeit so, dass die Streamingdienste (Netflix, Hulu & Co) zur Zeit Stoffe ablehnen mit der Begründung "not dark enough". Und zwar ist es wohl so, dass die Zuschauer in den USA von den Free TV Sendern abwandern, weil deren Inhalte ihnen zu langweilig und zu familienfreundlich sind. Mit der Eröffnung der Streamingdienste konnten endlich Barrieren durchbrochen werden - dort darf alles gezeigt werden, was im normalen Fernsehen (tagsüber, wo auch kleine Kinder einschalten) nicht gezeigt werden darf. Filmemacher toben sich aus (sowohl in der Düsternis der Inhalte als auch in experimentellen Erzählformen) und die Zuschauer nehmen es dankbar an, gelangweilt vom üblichen Braven im normalen Fernsehen.
Für Netflix kann es zur Zeit also nicht düster und experimenttierfreudig genug sein.
Das amerikanische Free TV (öffentlich rechtlich) kann und darf da gar nicht mithalten, sie dürften solche Inhalte höchstens weit nach Mitternacht und nur mit Warnungen zeigen. Deswegen laufen die Synchronisationen solcher Sendungen bei uns ja auch nur auf den privaten (RTL/ Pro 7 ...). Solche Sendungen können nur durch Werbung und Lizenzeinnahmen der Privaten finanziert werden, nicht mit öffentlich-rechtlichen Mitteln.
ARD/ ZDF machen sich natürlich auch Gedanken um ihre Zukunft und wie sie die junge Generation als Zuschauer erhalten können (oder überhaupt erstmal gewinnen
). Und die jungen Zuschauer findet man wohl nur im Netz. Daher haben sie einen eigenen Internetkanal "FUNK" ins Leben gerufen, auf dem sie junge, kreative Sendeformate bringen. Mit der Serie "Wishlist" z.B. haben sie jetzt schon einen ziemlichen Hit gelandet haben. Ich glaube es wird in Zukunft mehr solche für das Internet gedrehte Inhalte geben, die ja ganz eigene neue (interaktive) Formate ermöglichen. Gleichzeitig werden auch die Streamingplattformen für Deutschland in Deutschland produzierte Serien suchen - Amazon hat ja auch schon mit "You are wanted" eine erste eigene Serie mit Matthias Schweighöfer produziert. Weitere werden folgen.
Ich sehe da viel Bewegung auf dem deutschen Drehbuchmarkt und viele Chancen für spannende neue Formate.
Das Fernsehen ist dabei, sich neu zu erfinden 
Bearbeitet von DJPusch, 10.07.2017 - 11:55,