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Elli

#MeTwo im Literaturbetrieb

Empfohlene Beiträge

Ich habe den Artikel jetzt auch gelesen und ich glaube, er löst deshalb so unterschiedliche und zum teil ablehnende Reaktionen aus, weil er mehrere Themen miteinander vermischt.

 

Wir haben in der Literaturszene selbstverständlich Konventionen, die man als rassistisch und sexistisch beschreiben könnte. Aber sie können tatsächlich in beide Richtungen - positiver und negativer Rassismus/Sexismus ausschlagen. 

 

Als Gegenreaktion zum negativen Rassismus/Sexismus werden dann von einigen besonders gern die Menschen gefördert und bevorzugt, die sonst dem negativen Rassismus/Sexismus zum Opfer fallen. Daher kommt dann wiederum das Vorurteil, jemand hätte seine Preise nicht wegen seines Schreibens bekommen, sondern weil er gerade einer zu fördernden Minderheit angehört. Ob das im Einzelfall so ist oder nicht, kann man dann auch nicht wirklich sicher sagen. Hat jemand als weißer Mann einen Preis bekommen, weil die Jury einfach der Meinung ist, Frauen können nichts? Oder hat eine Frau mit Migrationshintergrund einen Preis bekommen, weil die gleiche Jury meinte, jetzt müsse man doch mal beweisen, dass man kein Sexist und Rassist sei und eine Quoten-Migrantin hypen? Oder ist das alles Blödsinn und der weiße Mann und die Migrantin haben einfach jeweils tolle Bücher geschrieben? 

 

Und da kommt dann der dritte Aspekt ins Spiel, der mit Rassismus und Sexismus nichts zu tun hat. Das sind die persönlichen Befindlichkeiten der Autoren. Wie ist ihr Selbstwertgefühl gestrickt? Nehmen sie sich selbst ernst? Glauben sie, dass sie wirklich so gut sind? Wenn ja, können sie derartige Bemerkungen, wie sie hier wiedergegeben werden, als Neiddebatte wegstecken. Aber wenn sie aus irgendeinem Grund selbstunsicher sind, wirkt das ganz anders - dann wird schnell analysiert, ob da Rassismus oder Sexismus eine Rolle spielt und schlichtweg vergessen, dass es manchmal auch nur Neid oder Unwissenheit oder schlichtweg überhaupt nichts ist. 

 

Aber das wiederum ist vom Gefühl abhängig. Für Rassismus gibt es ja keine Einheitsdefinition - wer eine andere "Rasse" hat, kann im Grunde alles als "rassistisch" wahrnehmen, ebenso wie jemand aufgrund seines Geschlechts alles als "sexistisch" wahrnehmen kann - selbst wenn es nur ganz normale rasse- und geschlechtsunabhängige Frechheiten sind. 

 

Aber man bekommt mehr Aufmerksamkeit, wenn man sagt XY hat mich sexistisch oder rassistisch beleidigt, als wenn man sagt XY scheint ein blöder Neidhammel zu sein und redet schlecht über mich. Denn dann trifft man eine charakterliche Wertung, die auf einen selbst zurückgeworfen werden kann. Bei Rassismus oder Sexismus muss der als solcher Beschuldigte sich erst mal rechtfertigen, warum er das nicht ist. Es ist also einfacher, auf dieser Ebene zurückzuschlagen.

 

Das wiederum macht es schwierig, echten von falschem Rassismus zu unterscheiden - ebenso beim Sexismus. Und es nimmt dann auch leider den wirklich wichtigen Diskussionen die Kraft, weil Rassismus und Sexismus dann so inflationär gebraucht werden, dass man keine Steigerung mehr hat, wenn man echten Rassismus und Sexismus findet. 

Ein sachlicher und differenzierter Beitrag zum Thema. Danke, Melanie.

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Meines Erachtens ist Rassismus häufig durch Neid motiviert oder durch die Angst, ein Stück vom eigenen Kuchen an Andere abgeben zu müssen, oder einfach durch die Verunsicherung durch das Fremde, das man nicht einschätzen kann. Daher würde ich nicht zwischen falschem und echtem Rassismus unterscheiden. Wenn ich jemanden wegen seiner Herkunft abwerte, ist das rassistisch, egal, aus welchem Grund ich das tue. Wenn ich Frauen wegen ihres Geschlechts als minderwertig einstufe, ist es sexistisch. Auch dahinter verbergen sich häufig Angst oder Unverständnis oder was auch immer.

 

 

Das stimmt, aber - und das ist das große Aber - es muss trotzdem weder Rassismus noch Sexismus sein. Es werden Elemente des Rassismus und Sexismus benutzt, um jemanden zu entwerten, aber hierbei ist zu unterscheiden, in welchem Kontext das passiert. Jemandem können im heftigen Streit rassistische oder sexistische Schimpfwörter rausrutschen, ohne dass er grundsätzlich Rassist oder Sexist ist. Er ist nur in diesem Moment wahnsinnig sauer und will die andere Person verletzen. Und dann wird oft nach den wunden Punkten gesucht. Das ist menschlich und hat mit klassischem Sexismus und Rassismus nur am Rande zu tun.

 

Ebenso ist es so, dass jemand, der kritisiert wird, aber zu einer Gruppe gehört, die auch oft unter Rassismus oder Sexismus zu leiden hat, das sehr schnell in die entsprechende Rassismus-/Sexismusschublade schieben kann, um sich nicht mit der - womöglich berechtigten - Kritik auseinanderzusetzen. 

 

Man muss m.E. jeden Einzelfall individuell darauf untersuchen, ob es einen institutionellen Rassimus/Sexismus gibt, oder ob Elemente davon in einem persönlichen Streit verwendet werden, da beides unterschiedlich zu behandeln ist. Ein klassisches Beispiel sind doch Kinder - die benutzen, wenn sie wütend sind, ganz besonders gern die besonders verbotenen Worte, um den anderen zu verletzen, weil sie wissen, dass das trifft, ohne zu begreifen, warum das überhaupt so ist. Im Gespräch kann man dann einen persönlichen Konflikt entschärfen. Institutioneller Rassismus hingegen lässt sich nicht im persönlichen Gespräch entschärfen, sondern nur durch eine klare Grenzziehung und Regelsetzung, die für jeden eindeutige Grenzen definiert, die nicht überschritten werden dürfen.

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Völlig wurst, in welchem Kontext eine rassistische Äußerung getätigt wird, find ich. Auch wenn es im Affekt geschieht, bleibt Rassismus Rassismus. Ich mag da nicht unterscheiden und für denjenigen der so beleidigt wird, abgewertet, gebremst, ausgegrenzt sind die Gründe und Beweggründe erst recht nicht relevant.

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Völlig wurst, in welchem Kontext eine rassistische Äußerung getätigt wird, find ich. Auch wenn es im Affekt geschieht, bleibt Rassismus Rassismus. Ich mag da nicht unterscheiden und für denjenigen der so beleidigt wird, abgewertet, gebremst, ausgegrenzt sind die Gründe und Beweggründe erst recht nicht relevant.

 

Beweggründe sind relevant, wenn man den Rassismus gezielt bekämpfen will. Weil - wie ich darlegte - unterschiedliche Formen unterschiedlich bekämpft werden müssen. Natürlich ist jeder Rassismus und jeder Sexismus für die Betroffenen gleichermaßen schlimm. Aber wenn man sich nur darauf beschränkt, das zu beklagen, ohne zu analysieren, wo die Ursachen liegen und wie man verschiedene Ursachen differenziert betrachtet und bekämpft, wird man letztlich weniger Erfolg haben, als wenn man sich die Mühe macht, ein bisschen tiefer zu gehen, um nachhaltigen Erfolg in der Bekämpfung von Rassismus und Sexismus zu haben.

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Meines Erachtens ist Rassismus häufig durch Neid motiviert oder durch die Angst, ein Stück vom eigenen Kuchen an Andere abgeben zu müssen, oder einfach durch die Verunsicherung durch das Fremde, das man nicht einschätzen kann. Daher würde ich nicht zwischen falschem und echtem Rassismus unterscheiden. Wenn ich jemanden wegen seiner Herkunft abwerte, ist das rassistisch, egal, aus welchem Grund ich das tue. Wenn ich Frauen wegen ihres Geschlechts als minderwertig einstufe, ist es sexistisch. Auch dahinter verbergen sich häufig Angst oder Unverständnis oder was auch immer.

 

 

Das stimmt, aber - und das ist das große Aber - es muss trotzdem weder Rassismus noch Sexismus sein. Es werden Elemente des Rassismus und Sexismus benutzt, um jemanden zu entwerten, aber hierbei ist zu unterscheiden, in welchem Kontext das passiert. Jemandem können im heftigen Streit rassistische oder sexistische Schimpfwörter rausrutschen, ohne dass er grundsätzlich Rassist oder Sexist ist. Er ist nur in diesem Moment wahnsinnig sauer und will die andere Person verletzen. Und dann wird oft nach den wunden Punkten gesucht. Das ist menschlich und hat mit klassischem Sexismus und Rassismus nur am Rande zu tun.

 

Ebenso ist es so, dass jemand, der kritisiert wird, aber zu einer Gruppe gehört, die auch oft unter Rassismus oder Sexismus zu leiden hat, das sehr schnell in die entsprechende Rassismus-/Sexismusschublade schieben kann, um sich nicht mit der - womöglich berechtigten - Kritik auseinanderzusetzen. 

 

Man muss m.E. jeden Einzelfall individuell darauf untersuchen, ob es einen institutionellen Rassimus/Sexismus gibt, oder ob Elemente davon in einem persönlichen Streit verwendet werden, da beides unterschiedlich zu behandeln ist. Ein klassisches Beispiel sind doch Kinder - die benutzen, wenn sie wütend sind, ganz besonders gern die besonders verbotenen Worte, um den anderen zu verletzen, weil sie wissen, dass das trifft, ohne zu begreifen, warum das überhaupt so ist. Im Gespräch kann man dann einen persönlichen Konflikt entschärfen. Institutioneller Rassismus hingegen lässt sich nicht im persönlichen Gespräch entschärfen, sondern nur durch eine klare Grenzziehung und Regelsetzung, die für jeden eindeutige Grenzen definiert, die nicht überschritten werden dürfen.

 

 

Ja, das stimmt schon. Nur- wenn ich zum Beispiel ein eindeutig rassistisches Schimpfwort verwende, dann kann die so betitelte Person mich auf jeden Fall anzeigen. Selbst, wenn ich das nur getan habe, weil ich ihr in dem Moment eins auswischen wollte und nicht weil ich rassistisch denke. Ich finde es auch absolut richtig, dass dann im jeden Fall das Recht auf eine Anzeige besteht. Vermutlich kommt man aber glimpflich davon, wenn man vor Gericht die Situation erklärt und sich entschuldigt.

 

Ansonsten gibt es eben viele "Grenzfälle", wo man Rassismus vermuten, aber nicht beweisen kann. Ein Beispiel, das ich öfter mal erlebt habe: Leute unterstellen ihrem Vorgesetzten Rassismus oder Sexismus, weil er sie ständig gängelt und kritisiert. Dabei wird oft übersehen, dass dieser Chef fast alle Leute so behandelt, weil er halt ein Stinkstiefel ist. Oder dass er vielleicht auch echte Gründe hat, diese eine Person häufig zu kritisieren.

 

Echter Rassismus kann auch so subtil sein, dass er schwer nachweisbar ist. Ich habe vor vielen Jahr mal ein Interview mit der bekannten amerikanischen Autorin Toni Morrison gelesen. Sie erzählte, wie sie zu Beginn ihrer Karriere mal von einem Verlagsmenschen gelobt wurde: "Sie schreiben richtig gut, so gut wie eine Weisse." Der Mann glaubte wahrscheinlich wirklich, dass er ihr dadurch ein Kompliment machte, und verstand nicht, wieso sie angesäuert reagierte.

 

Insgesamt scheint es mir in vielen Situationen schwer, klare Grenzen zu ziehen, wo echter Rassismus beginnt oder wo jemand nur gedankenlos bzw. aufgebracht daherredet.

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Meines Erachtens ist Rassismus häufig durch Neid motiviert oder durch die Angst, ein Stück vom eigenen Kuchen an Andere abgeben zu müssen, oder einfach durch die Verunsicherung durch das Fremde, das man nicht einschätzen kann. Daher würde ich nicht zwischen falschem und echtem Rassismus unterscheiden. Wenn ich jemanden wegen seiner Herkunft abwerte, ist das rassistisch, egal, aus welchem Grund ich das tue. Wenn ich Frauen wegen ihres Geschlechts als minderwertig einstufe, ist es sexistisch. Auch dahinter verbergen sich häufig Angst oder Unverständnis oder was auch immer.

 

 

 

Echter Rassismus kann auch so subtil sein, dass er schwer nachweisbar ist. Ich habe vor vielen Jahr mal ein Interview mit der bekannten amerikanischen Autorin Toni Morrison gelesen. Sie erzählte, wie sie zu Beginn ihrer Karriere mal von einem Verlagsmenschen gelobt wurde: "Sie schreiben richtig gut, so gut wie eine Weisse." Der Mann glaubte wahrscheinlich wirklich, dass er ihr dadurch ein Kompliment machte, und verstand nicht, wieso sie angesäuert reagierte.

 

Insgesamt scheint es mir in vielen Situationen schwer, klare Grenzen zu ziehen, wo echter Rassismus beginnt oder wo jemand nur gedankenlos bzw. aufgebracht daherredet.

 

 

Genau das macht es so schwer - und selbstverständlich ist es richtig, dass man jemanden anzeigen kann, der ein rassistisches Schimpfwort verwendet - aber das kann man natürlich auch, wenn er einen mit einem anderen Schimpfwort bezeichnet - Beleidigungen können in jeder Form strafrechtlich verfolgt werden und das ist gut so.

 

Der subtile Rassismus - zwar bemühen wir uns, uns davon frei zu machen, aber er beherrscht das Denken ja irgendwo immer noch unbewusst.

 

Mein aktuelles Lieblingsbeispiel (weil es mit einem Sachbuchprojekt zu tun hat, an dem ich derzeit zusammen mit einer Kollegin arbeite) ist dazu Pipi Langstrumpfs "Negerkönig".

 

Wie viele endlose Diskussionen wurden darüber geführt, ob das nun der Negerkönig oder der Südseekönig sein soll. Aber das wirklich rassistische Element wurde unverändert beibehalten - nämlich die Tatsache, dass irgendwelche Eingeborenen anscheinend nur darauf zu warten scheinen, dass irgendein Weißer kommt, um gleich als König bei ihnen herrschen zu dürfen. Das ist Kolonialismus und Rassismus pur - der unterentwickelte Eingeborene macht den überlegenen Weißen zu König, weil er ja weiß, dass das nur zu seinem Besten ist.

 

Da halten wir uns an diesem einen Wort fest - Neger- oder Südseekönig, weil die Befürworter des Wortes "Südseekönig" sagen, sie wollen ihren Kinder Bücher vorlesen, ohne über Rassismus diskutieren zu müssen, also muss das Wort  "Negerkönig" weg - dann kann man in Ruhe vorlesen. Tatsächlich würde man aber als verantwortungsvoller Elternteil auch mit dem Südseekönig nicht aus der Verantwortung genommen. Hier ist der Rassismus nun getarnt und sickert im Grunde viel leichter in die Kinderseelen - der Weiße ist überlegen, der wird dann König - zwar nicht bei den "Negern", aber dafür bei den Südseeinsulanern. 

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Wie viele endlose Diskussionen wurden darüber geführt, ob das nun der Negerkönig oder der Südseekönig sein soll. Aber das wirklich rassistische Element wurde unverändert beibehalten - nämlich die Tatsache, dass irgendwelche Eingeborenen anscheinend nur darauf zu warten scheinen, dass irgendein Weißer kommt, um gleich als König bei ihnen herrschen zu dürfen. Das ist Kolonialismus und Rassismus pur - der unterentwickelte Eingeborene macht den überlegenen Weißen zu König, weil er ja weiß, dass das nur zu seinem Besten ist.

 

Da halten wir uns an diesem einen Wort fest - Neger- oder Südseekönig, weil die Befürworter des Wortes "Südseekönig" sagen, sie wollen ihren Kinder Bücher vorlesen, ohne über Rassismus diskutieren zu müssen, also muss das Wort  "Negerkönig" weg - dann kann man in Ruhe vorlesen. Tatsächlich würde man aber als verantwortungsvoller Elternteil auch mit dem Südseekönig nicht aus der Verantwortung genommen. Hier ist der Rassismus nun getarnt und sickert im Grunde viel leichter in die Kinderseelen - der Weiße ist überlegen, der wird dann König - zwar nicht bei den "Negern", aber dafür bei den Südseeinsulanern. 

 

 

Das Problem ist, dass man dann etliche durchaus sehr, sehr gute literarische Klassiker auf eine Art Index setzen müsste.

 

Der Widerspenstigen Zähmung - der Titel allein sagt schon alles. ;D

 

 

Vom Winde verweht ist in vieler Hinsicht rassistisch.

 

 

Man muss diese Texte einfach mit einem gewissen Vorbehalt lesen. Für ihre Zeit waren sie oft sogar fortschrittlich. So sollte man es auch Kindern erklären, würde ich sagen.

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Ja, da hast du völlig recht, Tereza. Genau deshalb bin ich auch gegen Wortänderungen in Klassikern, sondern bevorzuge die Betrachtung im Kontext - und würde das auch Kindern beim Vorlesen erklären. Dann lernen sie gleich noch was. :-)

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