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(MelanieL)

Diversität in Romanen und Sensitivity Reading

Empfohlene Beiträge

Edit:

Das Literaturcamp ist ein Barcamp.

Es gibt keine geladenen Referenten und niemand gibt durch die Auswahl der Vorträge eine Richtung vor.

Die Teilnehmenden gestalten das Barcamp durch ihre Sessions und die Themen, über die sie referieren oder diskutieren.

Es wird nichts gelehrt, dementsprechend sind die unten erwähnten Themen keine Vorgaben, aber gute Möglichkeiten, über den eigenen Tellerrand zu blicken.

 

__

Am vergangenen Wochenende war ich auf dem Literaturcamp in Heidelberg und habe dabei ziemlich viel Input bekommen und viel Inspiration mitgenommen.

Mehrere Sessions drehten sich um Diversität in Romanen sowie Repräsentation von marginalisierten Gruppen - in verschiedenen Genres, aber auch allgemein in deutschsprachigen Romanen.

Da sieht es, salopp ausgedrückt, mau aus.

 

Achtet ihr gezielt auf Repräsentationen und Diversität, wenn ihr Plot und Figuren erstellt?

Oder habt ihr unbewusst ohnehin eine möglichst divers aufgestellte Figurenwelt (damit meine ich nicht nur weibliche Heldinnen und schwule beste Freunde)?

Leben in euren Welten überwiegend weiße, nicht behinderte und nicht-queere Figuren?

Wenn ja: bewusst oder unbewusst?

 

---

 

Passend dazu ist auch ein Angebot im Aufbau:

Sensitivity Reading: https://sensitivity-reading.de/

 

Wir hatten das hier im Forum mal kurz angeschnitten, es wurde aber völlig missverstanden.

Es geht nicht um schöne, heile Welten mit Hochglanzfiguren, sondern um das Gegenteil. Und es geht vor allem nicht um Zensur.

Sensitivity Reader kann man einsetzen, um seinen Text auf z.B. Misogynie, Fat-Shaming oder verdeckte Rassismen und Mikroaggression zu untersuchen.

Einmal ganz grundsätzlich, vor allem aber auch bei einem diversen Figurentableau. Ziel der Sensitivity Reader ist der Abbau von Vorurteilen und Klischees.

Ich halte das für eine ziemlich gute Sache, vor allem, wenn man mal über seinen eigenen Tellerrand hinausschauen möchte.

Das Projekt ist gerade im Aufbau, spezielle Empfehlungen kann ich nicht geben, weil ich die Personen dahinter nicht kenne. Ähnlich wie im Lektorat ist aber auch der gemeinsame Draht wichtig, und den kann man ja im Vorfeld abchecken.

 

Ich würde mich über eine respektvolle und lebendige Diskussion freuen, weil es ein wichtiges Thema ist und eine große Zielgruppe interessiert. Und ich prognostiziere, dass es zukünftig im Buchmarkt eine immer größere Rolle spielen wird.

Deshalb auch im öffentlichen Bereich.

Wer unbedingt mitteilen möchte, wie sehr ihn Gender- und Diversity-Themen nerven, kann ja vielleicht vor dem Absenden überlegen, ob es wirklich einen Erkenntnisgewinn für andere darstellt - sachlich vorgetragene Kritik hingegen kann definitiv bereichernd sein.

 

Viele Grüße,

Melle

 

Edit:

Diversität meint nicht allein queere Personen, sondern Unterschiede in Kultur (Ethnie), Alter, Geschlecht, sexueller Orientierung, Behinderung und/oder Religion (Weltanschauung).

Bearbeitet von MelanieL
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Sebastian Niedlich

Achtet ihr gezielt auf Repräsentationen und Diversität, wenn ihr Plot und Figuren erstellt?

Oder habt ihr unbewusst ohnehin eine möglichst divers aufgestellte Figurenwelt (damit meine ich nicht nur weibliche Heldinnen und schwule beste Freunde)?

Leben in euren Welten überwiegend weiße, nicht behinderte und nicht-queere Figuren?

Wenn ja: bewusst oder unbewusst?

 

Ein definitives: Jein! ;)

 

Ich hab zwar gelegentlich schon homosexuelle Figuren in meinem Geschichten gehabt, mache das aber größtenteils nicht. Meine Geschichten spielen - in der Regel - in der Gegend von Berlin, weswegen die Figuren in der Tat überwiegend weiß, nicht LGBTQ oder behindert sind. Bei den Geschichten, die nicht in Deutschland spielen, habe ich auch etwas mehr Diversität drin. Und ja, ich mache das überwiegend bewusst.

Heißt das, dass ich in irgendeiner Form gegen die Inklusion dieser Gruppen bin? Nein. Aber ich finde, dass darum ein viel zu großer Wirbel gemacht wird.

 

Gerade Akzeptanz von LGBTQ-Personen scheint in den letzten Jahren zu einer Art Sport verkommen zu sein, in der man (oder zumindest ich) den Eindruck hat, dass nun möglichst so viele schwule/lesbische/trans Charaktere in Geschichten eingebaut werden müssen, wie es nur geht. Und möglichst muss man alle auch noch beim Sex zeigen, damit auch wirklich klar ist, dass die Figur wirklich homosexuell ist und nicht nur "experimentiert" oder so. Schwul/Lesbisch/Trans ist auch irgendwie das neue chic. Charakteren, die keinerlei Tendenz in diese Richtung zeigen, wird von "Fans" gerne einfach mal unterstellt, dass sie es wären. (So zuletzt bei den bei den Protagonisten aus "Good Omens", da das gerade für Amazon verfilmt wurde.) Und dann wird so etwas munter in den sozialen Medien geteilt, damit man zeigt, wie weltoffen man doch ist, obwohl einige Postings als auch Romane davon zeugen, dass die Verfasser keine Ahnung von der Materie haben. Da wird dann alles gut gefunden, nur weil es halt "schwul" ist - oder zumindest etwas, was man dafür hält. Kann ich nicht ganz nachvollziehen. Das scheint gerade bei der jüngeren Generation so von 12-20 umzugehen. Ich kenne das von meiner Stieftochter und den Töchtern einiger Bekannten. Sobald da irgendwer sagt, dass er homosexuell ist, wird gleich geliked, gefaved, geschrien, als hätte man ein junges Pandababy im Zoo gesehen. Merkwürdig.

 

Ich als weißer Heterosexueller bin z.B. einer, der nur marginal Ahnung von der Community der LGBTQ hat. Insofern spare ich es mir, über etwas zu schreiben, von dem ich nicht genug verstehe. Allerdings bin ich offen für die Art von Charakter, die zwar z.B. eine homosexuelle Beziehung haben, aber wo das nicht das definierende Merkmal ist. Das ist meiner Meinung nach die Crux, wo es in den letzten Jahren so auseinandergelaufen ist.

LGBTQ-Personen wollen repräsentiert sein und das ist auch gut und richtig. Das heißt aber nicht, dass man sie deshalb nur als "schwul" oder "lesbisch" definieren muss. Wenn nebenbei herauskommt: "Oh, der ist mit 'nem Typen zusammen" oder "Oh, die hat 'ne Freundin", dann ist das halt so. Aber man muss oder sollte darum kein großes Gewese machen. Die Figuren sollten die Figuren sein. Sind sie zufällig schwul oder lesbisch, okay, aber ich brauche vermutlich keine zwölfseitige Sex-Szene, die das noch einmal unterstreicht. Und das hat auch nichts mit "Iiih, homosexueller Sex ist eklig!" zu tun, sondern einfach damit, dass Sex-Szenen so ziemlich das langweiligste sind, was man schreiben kann, da sie (in der Regel) nichts zur Story beitragen.

(Ich fand ja die Netflix-Serie "Sense8" gut, in der auch viele LGBTQ-Charaktere vorkamen. Da wurde auch relativ natürlich damit umgegangen, aber dann gab es z.T. gefühlt 20 Minuten lange Sex-Szenen, wo ich wirklich dachte: "Ist ja gut jetzt.")

 

Behinderte habe ich überwiegend nicht in den Geschichten, weil es bisher einfach nicht gepasst hat. Im Gegensatz zu LGBTQ-Charakteren finde ich eben schon, dass eine Behinderung eine eher den Charakter definierende Sache ist. Nicht, dass Sexualität nicht auch charakterdefinierend ist, aber in einem Krimi ist es z.B. weniger relevant, ob ein Kommissar schwul ist oder im Rollstuhl sitzt und deswegen nicht dem Mörder nachjagen kann.

 

Personen anderer Ethnien habe ich bisher auch eher wenig benutzt. Grund ist hier überwiegend auch, dass es sich um Minderheiten handelt. Kommt auf die Story und den Handlungsort an. Zwei Geschichten von mir, die in Amerika spielen haben selbstverständlich auch Schwarze dabei. Wäre ich in der Fantasy unterwegs, wären da die Hautfarben sicherlich auch eher divers. Ansonsten finde ich in Deutschland den Hang zum "Quotentürken", der meistens auch irgendwie "isch" statt "ich" sagt und Verbindungen in die Unterwelt hat, nervig und langweilig.

 

Generell finde ich, wie gesagt, das Gewese, welches um das Ganze gemacht wird, mittlerweile nahezu unerträglich. Echte Gleichberechtigung und Akzeptanz kommt eben dann heraus, wenn wir eben NICHT mehr so einen Tam-Tam darum machen.

 

Abschließend noch: Ich finde, dieser Sketch von Key & Peele zeigt ganz deutlich, was ich mit meinen Aussagen zu LGBTQ oben ausdrücken will.

Bearbeitet von Sebastian Niedlich
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Ich bin auch sehr zwiegespalten bzw. finde das Thema schwierig.

 

Es geht ja eben überhaupt nicht darum, künstlich z.B. einen schwulen besten Freund einzubauen, weil der ja ein Klischee ist - zumindest solange er keine tragende Rolle in der Geschichte spielt und nur da ist, um das AutorInnen-Gewissen "reinzuwaschen".

Meine Hauptfiguren waren bisher immer weiblich, die Nebenfiguren gemischt, aber unterschiedlicher ethnischer Herkunft.
Mein Augenmerk liegt eher auf unterschiedlichen Ethnien; eine Hauptfigur habe ich zwar schwul gedacht, das kam aber nie zum Tragen, weil die Reihe nicht fortgeführt wurde.
Ich wollte die Homosexualität nebenbei und möglichst natürlich einflechten, aber damit hätte ich wohl nicht so lange warten dürfen.

Letztens habe ich "Liebes Kind" von Romy Hausmann gelesen.

Die Hauptfigur ist lesbisch (oder bi, das wird nicht deutlich), aber das war ganz normal eingeflochten und die Autorin hat gar kein großes Ding daraus gemacht. Im Laufe der Geschichte hat man eben gemerkt, dass die Freundin nicht die "beste Freundin" ist, sondern die Geliebte. Das finde ich gelungen und überhaupt nicht aufgesetzt.

Problematisch wird die Diskussion, wenn sie in die eine oder andere Richtung eskaliert.

Es ist schlichtweg nicht möglich, jede Gruppe im Roman einzubauen (deshalb liegt mein Fokus auf Migration, das traue ich mir zu und es ist mir wichtig. Außerdem sind Menschen mit Migrationshintergrund keine kleine Minderheit, sondern eine große, gut sichtbare, in der Regel integrierte Gruppe) und im Grunde eckt man bei jeder davon an, wenn man sie nicht erwähnt. Andererseits will man Klischees vermeiden, aber ganz ohne kommt man - zumindest bei Nebenfiguren - nicht aus.
Da muss noch sehr viel miteinander geredet werden.

Grundsätzlich bin ich für mehr Vielfalt beim Romanpersonal und für mehr Aufmerksamkeit bei dem, was man da macht - aber es muss auch zur Geschichte passen. Lieber eine Figur richtig zeichnen, als viele klischeehaft.

Das müssen die LeserInnen in ihren Forderungen berücksichtigen - wir aber können unsere eigene Arbeit ebenfalls reflektieren, das kann ihr nur gut tun.

Ich glaube, dass es da noch eine Zeitlang knirschen und knacken wird, über kurz oder lang werden aber alle Beteiligten durch mehr Diversität gewinnen: LeserInnen, AutorInnen und der Buchmarkt allgemein.

 

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Grundsätzlich bin ich für mehr Vielfalt beim Romanpersonal und für mehr Aufmerksamkeit bei dem, was man da macht - aber es muss auch zur Geschichte passen. Lieber eine Figur richtig zeichnen, als viele klischeehaft.

 

Seh ich genauso und ich glaube auch, dass man als Autor*in gut beraten ist, wenn man sich hier nur zutraut, womit man sich wohlfühlt und was einem halbwegs vertraut ist.

 

Ich versuche immer irgendwie automatisch Diversität einzubauen, aber ich habe auch Schubladenprojekte, die von meiner Agentin mit Begeisterung unterstützt wurden und dennoch nie einen Verlag gefunden haben. In einem Fall hatte ich sogar "Akzeptanz von Andersartigkeit" als Hauptthema gewählt. Man kann ja nie sagen, was der Grund für die Ablehnung ist, aber nach dieser Erfahrung wende ich mich lieber vielversprechenderen Themen zu und lasse Diversität subtiler einfließen. In meinem aktuellen Roman ist eine dreizehnjährige Vietnamesin eine der Hauptfiguren und ich habe mich sehr intensiv mit dem Leben junger Vietnamesen in Berlin befasst. Im Buch fließt das nur nebenbei ein, das war dann überhaupt kein Thema beim Verlag. Für mich persönlich war es eine Bereicherung, mich in die Gedankenwelt dieses Mädchens einzudenken, die zwar in Deutschland aufgewachsen, aber doch ganz anders sozialisiert ist. Außerdem ist sie noch ein weiblicher Technik-Nerd und es hat Spaß gemacht, mit den üblichen Rollenbildern zu brechen.

 

Liebe Grüße

Andrea

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Nein, ich achte da nie drauf. Aber in Fantasy ist ohnehin alles anders. Diversität hat man meist in Völkern oder Rassen, nicht so sehr innerhalb eines Volkes.

Meine Drachen sind beispielsweise alle weiblich, bis sie ein bestimmtes Alter erreichen. Dann werden sie männlich. Und wenn sie auch noch ihre Gestaltwandlerfähigkeiten einsetzen, dann ist auch noch das Geschlecht variabel. Im Prinzip ist alles möglich, aber alles ist möglich wird von mir auch nicht aus Prinzip oder wegen irgendwelcher Vorurteile eingesetzt, sondern ergibt sich aus der Richtung, in die die Geschichte geht.

 

Liebe Grüße

Wolf

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Ich hab das nie bewusst gemacht. In meinem ersten Roman gibt es eine Schwerbehinderte, die eine tragende Nebenrolle spielt.

In dem Krimi, an dem ich gefühlt seit hundert Jahren schreibe, gibt es eine lesbische Frau. Ist einfach so gekommen, ohne dass ich es geplant hätte. Ich finde es aber keinen so blöden Gedanken, die Diversität unserer Gesellschaft auch in Romanen abzubilden.

 

Sabine

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Nun ja, meine übergewichtige Fee samt ihrem gehbehinderten Elfen-Freund will ja partout keinen Verlag finden.

Die Veröffentlichungen, die mir bisher gelungen sind waren samt und sonders beim guten alten linken Peter Hammer Verlag, der sich ja unter anderem auf Literatur aus und über Afrika und Lateinamerika spezialisiert hat. Dementsprechend habe ich inzwischen drei schwarze Protagonisten aufzuweisen. Allerdings habe ich schon auch unabhängig von diesen Vorgaben das Bedürfnis ganz sacht und nebenbei Diversität in die Geschichten einzubauen, wenn es passt und stimmig ist.

 

Was ich gar nicht mag ist, wenn sie offensiv und plakativ und klischeebeladen daherkommt. Aber wer mag das schon?

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Achtet ihr gezielt auf Repräsentationen und Diversität, wenn ihr Plot und Figuren erstellt?

 

 

Gegenfrage: Warum sollte man?

 

Herzlich,

Tom

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Achtet ihr gezielt auf Repräsentationen und Diversität, wenn ihr Plot und Figuren erstellt?

 

Gegenfrage: Warum sollte man?

 

Herzlich,

Tom

Ich tue es nur dann, wenn diese spezielle Eigenschaft einer Person für die Story/Handlung wesentlich ist. Ansonsten nein.

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In meinem Genre ist es recht schwierig, so etwas umzusetzen. Bei mir müssen immer alle einigermassen perfekt sein. Mich stört das jedoch nicht bzw. könnte ich vermutlich schon mal eine Geschichte schreiben, die mehr Diversität beeinhaltet. Mir kam das aber noch nie in den Sinn ... ich denke mal darüber nach.

 

Ich habe erst letztlich mit einem Freund über dieses Thema diskutiert. Er ist ein begeisterter Comic-Leser seit den 1970er Jahren und regt sich aktuell extrem darüber auf, dass vor allem in den amerikanischen Comics immer - neben den obligaten "Weissen" - auch noch ein Afroamerikaner, ein Asiate, ein Latino, ein Homosexueller ... etc. dabei sein muss. Das würde überaus nerven und den Geschichten gar nicht gut tun. Man sieht das ja auch an den neuen TV-Serie/Filmen. Ich habe oft das Gefühl, dass man krampfhaft versucht, niemandem auf die Füsse zu treten und dabei erst recht ziellos herumtrampelt.

 

 

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Wenn mir der Gedanke durch's Hirn schösse, "sind meine Figuren eigentlich divers genug?", dann würde ich mir selber gegenüber misstrauisch werden und mich unter Hirnwäscheverdacht stellen, denn diese Frage läuft ja letzten Endes auf Quotenregelungen hinaus, und ich bin sehr gegen Quoten, wie ich generell dagegen bin, dass Autoren politische Ambitionen, und seien sie noch so edel, über die Treue zu ihren Geschichten und ihrer Intuition stellen.

 

Was aber nicht heißt, dass man als Autor nicht die Realität schärfstmöglich wahrnehmen sollte, und wenn man das tut, wird sich das natürlich auch darauf auswirken, welche Ideen einem im Großen und im Kleinen einfallen, auch zu Figuren selbstredend. Die werden dann halt anders und womöglich auch "divers", aber wenn das "von selber" so wird, dann ist es auch OK. Anders wäre es verzwungen, und das spürt man als Leser: dass man da pädademagogisch inflitriert werden soll.

 

Oder anders gesagt: Als die Macher der ersten "Star Trek"-Serie ihre Crew nicht aus lauter weißen Amerikanern zusammenstellten, war das das Ergebnis der Überlegung, "wie wäre das denn mit Rassen und Völkern und so im 24. Jahrhundert?" – und das ist etwas gänzlich anderes, als brav eine aktuell angesagt gesellschaftspolitische Checkliste abzuhaken. Und mutig war es auch, da gegen die damaligen Konventionen verstoßend.

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Da ungefähr da wollte ich mit meiner Gegenfrage hin. Als Autor versuche ich ohnehin, mein Umfeld zu reflektieren, gesellschaftliche Ereignisse und Entwicklungen zu zeigen und zu begleiten. Im bescheidenen Umfang versucht man natürlich auch, derlei sogar anzustoßen oder zu forcieren. Aber das ist kein Diktat, dem ich mich zu beugen habe, weder in der einen, noch in der anderen Richtung. Eine "angemessene" Berücksichtigung von Diversität und "marginalisierten" Gruppen, eine identitätspolitische, mikroaggressionenfreie usw. Lektüre muss ich nicht liefern, niemandem. Zuweilen ganz im Gegenteil. Aber es ist keinesfalls ein Metakriterium. Wer in einem bestimmten politischen Umfeld schreibt oder sich dort angesiedelt wissen will, sieht das möglicherweise anders.

 

Es irritiert mich, wenn so gedacht oder das sogar gelehrt bzw. in Seminaren vermittelt wird. Da geht es dann nicht mehr um Kreatives Schreiben, sondern um politisches.

 

Herzlich,

Tom

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Wenn ich das Thema "richtig" verstanden habe, dann geht es im Kern doch eigentlich "nur" um Repräsentation. Wir sind alle keine Experten für Minderheiten und das verlangt auch niemand. Die Geschichten von/über Minderheiten, die mit Probleme im Alltag, mit der Gesellschaft, mit Anerkennung oder Diskriminierung zu tun haben: Das müssen wir nicht leisten. Das können Own-Voice-Autoren machen. Oder Autoren, die mit viel Empathie, Recherche und Unterstützung aus dem jeweiligen Bereich arbeiten - Stichwort Sensitivity Reading.

Ich glaube, es geht vielmehr darum, das Bewusstsein dafür zu schaffen, dass unsere Gesellschaft bunt ist - und es doch schön wäre, wenn wir das in unsere Büchergesellschaft übertragen. Wenn wir ein Jugendbuch schreiben, dann besteht die Clique eben nicht aus sechs weißen Cis-Personen, nein. Da sind gewiss drei mit Migrationshintergrund dabei, einer, der vielleicht schwul/lesbisch/queer/was auch immer ist, einer, der an irgendeiner Behinderung leidet. Diese Gruppen sollten nicht unsichtbar sein. Weil es so in der Realität doch auch nicht ist.

 

Und ebenso wenig sollte das, was sie als Minderheit ausmacht, nicht der Grund ihrer literarischen Existenz oder sogar plottragende Punkt des Buches sein. Es geht einfach darum, eine Gesellschaft oder Wirklichkeit abzubilden, wie sie in der Realität auch ist. :) Wir müssen uns also eigentlich gar nicht so sehr aufplustern von wegen "Wir MÜSSEN ja jetzt alle dies und das", darum geht es nicht. Unsere Gesellschaft ist vielfältig. Zeigen wir das doch einfach auch. :)

Bearbeitet von KatharinaS
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Ich glaube, es geht vielmehr darum, das Bewusstsein dafür zu schaffen, dass unsere Gesellschaft bunt ist - und es doch schön wäre, wenn wir das in unsere Büchergesellschaft übertragen. Wenn wir ein Jugendbuch schreiben, dann besteht die Clique eben nicht aus sechs weißen Cis-Personen, nein. Da sind gewiss drei mit Migrationshintergrund dabei, einer, der vielleicht schwul/lesbisch/queer/was auch immer ist, einer, der an irgendeiner Behinderung leidet. Diese Gruppen sollten nicht unsichtbar sein. Weil es so in der Realität doch auch nicht ist.

 

Und ebenso wenig sollte das, was sie als Minderheit ausmacht, nicht der Grund ihrer literarischen Existenz oder sogar plottragende Punkt des Buches sein. ...

Das klingt - in meinen Ohren - aber jetzt doch ziemlich nach Quote bzw. fast nach Casting: drei mit Migrationshintergrund, einer schwul/lesbisch/queer, einer mit irgendeiner Behinderung ... da fehlen aber immer noch die ein bis zwei Kuckuckskinder (lt. Studien jedes zehnte bis jedes fünfte Kind), zwei, die mit Ritalin zugedröhnt werden, einer, der in der Familie sexuell missbraucht wurde, und mindestens drei, deren Eltern sich gerade einen Rosenkrieg liefern. Die sollten auch nicht unsichtbar bleiben, denn das ist ebenfalls Realität.

Ich bin mir nicht sicher, ob ich den letzten Satz des Zitats richtig verstehe (nach meinem Eindruck ist das "nicht" zu viel, aber vielleicht interpretiere ich nur falsch), aber natürlich suche ich mir die Personen mit denjenigen Eigenschaften (und Zugehörigkeiten) für meine Story zusammen, über die ich schreiben oder die ich thematisieren will. Alle Gruppen kann und will ich nicht berücksichtigen. Und es ist auf jeden Fall auch vom Genre abhängig.

Ich glaube, das Bewusstsein dafür, dass unsere Gesellschaft bunt ist, braucht man nicht mehr zu schaffen, das ist da. Denn das ist ja nicht mehr zu übersehen. Die eigentliche Frage ist, wie der Einzelne zu dieser Tatsache steht. Und an der Stelle wird es kritisch, da könnte aus meinem kreativen Schreiben schnell ein politisch ambitioniertes werden. Wenn ich das will - gut. Wenn nicht, sollte es mir freistehen, meine Protagonisten so zu wählen, wie ich es möchte.

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Ich finde einige Beiträge hier recht befremdlich, vermute aber, dass es, zumindest teilweise, auch an meinem Eingangsposting liegt.

 

Das Literaturcamp ist ein Barcamp.

Ein Barcamp wird von den Teilnehmenden gestaltet, es gibt also keine geladenen Referenten, niemand gibt die Themen vor und es gibt auch keine Institution im Hintergrund (zumindest nicht beim Literaturcamp in Heidelberg).

Alle geben und nehmen.

Dieses lockere und formlose Format bringt es mit sich, dass konservative Ansichten eher unterrepräsentiert sind, dafür aber viel Raum für kontroverse Themen da ist.

Da wird also nichts gelehrt oder vorgegeben, schon gar nicht von "führenden" oder "namhaften" Persönlichkeiten.

 

In diesem Jahr wurden Diversität und Repräsentation häufig thematisiert, und zwar nicht, um zu belehren, sondern um aufmerksam zu machen und zu sensibilisieren.

Niemand hat etwas vorgeschrieben, schon gar keine Quoten - es wurden Wünsche geäußert.

 

Ich werde das Eingangsposting noch dahingehend anpassen.

Irgendwie dachte ich, Barcamps an sich und die Literaturcamps im Besonderen wären bekannter...

:)

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"Konservative Ansichten", so so. ;)

Jo, das liegt einfach schon am Format.

Ohne eine gewisse Offenheit für Neues und Flexibilität kann man mit den Barcamps, die ich kenne, wenig anfangen.

Entsprechend selten wird in den Sessions am "Althergebrachten" festgehalten, sondern eher weitergedacht.

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Und "Althergebrachtes", das ist das Schreiben ohne PC-Schere im Kopf, während man, wenn man "modern" dabei ist, selbstverständlich nicht mehr schreibt, was und wie man will, sondern technisch, inhaltlich und dramaturgisch unbedingt d(ies)em Zeitgeist folgt.

 

Wie viele wie erfolgreiche Autoren tun das?

 

Herzlich,

Tom

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Man kann das Thema mit Extremen abwehren und abwerten, man kann sich aber auch damit auseinandersetzen.

Das steht ja jedem und jeder frei.

 

Deshalb steht es ja im öffentlichen Bereich und ich weiß, dass es für viele Schreibende ein Thema ist.

 

Ich würde mir jedenfalls nicht anmaßen, über Arbeitsweise oder Gedankenwelt erfolgreicher AutorInnen zu urteilen.

Bearbeitet von MelanieL
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Der Hauptunterschied besteht m. E. darin, dass manche Leute eine PC-Schere fürchten, wo andere ganz selbstverständlich eine diverse Gesellschaft wahrnehmen und abbilden (oder es zumindest versuchen).

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Dieses Thema ist sehr interessant und es wäre schade, wenn es in einem emotionsgeladenen Gewitter untergehen würde. Die ersten Wolken ziehen schon am Horizont auf, deshalb meine Bitte: Bemüht euch um ganz viel Sachlichkeit, prüft eure Postings nochmal, bevor ihr auf Senden klickt.

LG

Martin 

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Sebastian Niedlich

Auch wenn ich mit Tom mal aneinandergerate, im Groben gebe ich ihm hier recht. Die Forderung vieler Leute ist ja die Inklusion diverser Charaktere (im Sinne von LGBTQ, Ethnie etc.) Und grundsätzlich sehe ich es wie du, Melanie, dass man natürlich in Romanen, die "in der normalen Welt" spielen, diese Diversität auch abbilden sollte. Selbstverständlich. Es ist nicht verkehrt Autoren daran zu erinnern, dass es da nicht nur heterosexuelle, weiße Frauen und Männer gibt.

Es ist gut und richtig, dass es z.B. auch mal eine türkisch-aussehende Prinzessin gibt, die ihre Freundin vor dem Drachen rettet. Oder einen schwulen, schwarzen Kommissar, der mit seinem behinderten Freund zusammenlebt.

Leider hat man (bzw. ich) bei vielen Diskussionen halt den Eindruck, als ob gewisse Leute da eine Überrepräsentation fordern. Ich hab schon Rezensionen im Netz gelesen, die im Sinne von "Na ja, kein LGBTQ-Charakter drin, deswegen doof" waren. Und einige Autoren scheinen das ebenso aufzufassen und zu denken: "Ich muss jetzt schwarze, behinderte LGBTQ-Charaktere mit reinbringen, sonst nimmt man mir das krumm!". Das geht dann erheblich in die falsche Richtung, würde ich sagen. Und in dem Sinne gebe ich halt Tom recht.

 

Wenn ich ganz ehrlich bin, habe ich schon das Gefühl, dass diese Diskussion hier ein Eiertanz ist. Ich bin bestimmt der Letzte, der etwas gegen die Diversität hat, aber wenn ich sage, dass ich darüber nicht schreiben will, gibt es mit Sicherheit irgendwo eine Person, die gleich getriggert ist und mir Dinge an den Kopf wirft. Und ich finde dieses überbordene Feiern von Autoren, die insbesondere LGBTQ-Charaktere in ihre Bücher einbauen, echt nervig, weil es, wie ich oben schon geschrieben habe, so ein Gewese um das Ganze macht. Man sollte Leute nicht feiern, weil sie etwas Selbstverständliches schreiben. Andersherum sollte man aber auch nicht Leute verdammen, die in ihren Geschichten Dinge ausklammern, weil sie sich damit nicht auseinandersetzen wollen.

Mir gibt es bei den Leuten mit Agenda immer zu viel Schwarz/Weiß-Denken, leider. Ganz neutral betrachtet müsste man aber sagen: "Ja, klar, die diverse Gesellschaft sollte auch in der Literatur abgebildet sein." Selbstverständlich.

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