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KarinKoch

Diverse Helden

Empfohlene Beiträge

Enid Blyton, die gesamte "Fünf Freunde"-Reihe, 1942 ff

Eine der Heldinnen, Georgina, identifiziert sich nicht mit ihrem angeborenen Geschlecht und besteht darauf, "George" genannt zu werden.

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Enid Blyton, die gesamte "Fünf Freunde"-Reihe, 1942 ff

Eine der Heldinnen, Georgina, identifiziert sich nicht mit ihrem angeborenen Geschlecht und besteht darauf, "George" genannt zu werden.

 

Cool!

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Es gibt auch eine Liste von literarischen Werken mit homoerotischen Inhalten.

 

https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_literarischer_Werke_mit_homosexuellem_Inhalt

 

Die Verwirrungen des Zöglings Törless von Robert Musil - hatte ich noch im Hinterkopf.

 

Der talentierte Mister Ripley von Patricia Highsmith.

 

Von Thomas Mann gleich drei: Der Tod in Venedig wie von mir genannt, Tonio Kröger und Der Zauberberg.

 

Komisch, dass mir vor allem Romane aus der Vergangenheit einfallen. Karl May und Winnetou, Daniel Defoe und Robinson Crusoe-Freitag (damals wurden sie noch "Wilde" genannt).

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Man liest Romane ja meist, um seinen Blick auf die Welt über die einem gesetzten Tellerränder hinaus zu erweitern. Entsprechend fanden Autoren es schon immer ratsam, zu versuchen, die Vielgestaltigkeit menschlichen Lebens abzubilden. Wer liest schon gerne ein Buch über jemanden, der so ist wie man selber, und auch nichts anderes erlebt als man selber? (OK, ich weiß, es gibt Leute, die sowas tatsächlich gern lesen. Ich nicht. Aber das zeigt natürlich auch nur wieder die Vielgestaltigkeit menschlichen Lebens …)

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Aristoteles und Dante entdecken die Geheimnisse des Universums (Benjamin Alire Saenz): Fast nur innerer Monolog bzw. Dialog, eine Coming-of-age-Geschichte, die das Anderssein auf mehreren Ebenen thematisiert (Homosexualität, Kriegserlebnisse).

 

Two Boys Kissing (David Levithan): ein fragmentarisch gestalteter Roman, der von einem Jugendlichen erzählt, der mit seinem Exfreund auf dem Schulhof den Weltrekord im Langzeitküssen einstellen will, um gegen Rassismus und Homophobie zu protestieren. Erzählt wird aus der Perspektive vergangener LGBT-Generationen, ein „Wir“, das einen Blick auf die heutigen Möglichkeiten wirft.

 

Letztendlich sind wir dem Universum egal (David Levithan): Hauptperson ist die Person A., die jeden Tag in das Leben eines anderen Menschen schlüpft und für diese Stunden dessen Leben lebt, dabei sowohl Geschlecht, körperliche und seelische Konstitution etc. erbt und damit zurechtkommen muss.

 

Alle drei Titel sind Jugendbücher und nähern sich dem Thema Anderssein auf sehr unterschiedliche, aber jeweils ungewöhnliche Weise. Meiner Meinung nach heben sich die Titel auch sprachlich und konzeptionell hervor.

Bearbeitet von MartinaA
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Alles sehr interessant! Auch ich lese gern vielschichtige und -fältige Bücher, und eins davon ist mir noch eingefallen. Ein Neueres.

 

Middlesex von Jeffray Eugenides. Gewann 2003 den Pulitzerpreis und wurde 2015 von der BBC zu den wichtigsten Büchern des 21. Jahrhunderts gekürt. Ich weiß noch, dass es nicht nur vielfältig, sondern atemberaubend war. Es handelt von einem Hermaphroditen und einer griechischen Einwandererfamilie in die USA. Auch Inzest ist ein Thema.

https://de.wikipedia.org/wiki/Middlesex_(Eugenides)

Bearbeitet von Christa
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Ja, und der Inzest ist auch die genetische Grundlage für das seltsame Mischwesen, das daraus entsteht und ordentlich unter den Erwartungen zu leiden hat, das sie/er nicht erfüllen kann.

 

Gerade vor dem Hintergrund von "Middlesex" hätte ich da auch gleich einen Einwand gegen dein Statement, Andreas:

 

 

. Gute Romanfiguren stammen nicht aus fein unterteilten Schubladen, sondern sind Individuen. Damit befinden wir uns im "Arbeitsbereich Klischeevermeidung", was auch das schon genannte Rätsel auflöst, wieso entsprechende Bemühungen im Heftroman mitunter nicht auf Gegenliebe stoßen: weil man dort Klischees lesen will.

 

Wären es allesamt einfach Individuen, fröhlich und blond der eine, ruppig und glatzköpfig der andere und mit noch so vielen bizarren Eigenheiten ausgestattet, dann wüsste ich nicht, warum ich mich speziell für ein Individuum, das nebenbei auch noch Hermaphrodit ist, interessieren sollte. Die große Unbekannte – also auch das Interessante – an ihm ist halt gerade diese nicht-individuelle Eigenschaft, als Zwitter geboren zu sein. Dies dann wieder in einem Individuum darzustellen, macht die Kunst aus. Oder wie es ein von mir sehr geschätzter Philosoph gesagt hat: dass sich das Allgemeine im Einzelnen zeigt. Eugenides hat das – nach viel Recherche – geschafft, in "Middlesex" lernt man durchaus dazu, was Zwittertum ganz allgemein bedeutet. 

 

Na, vielleicht war es ja so auch schon gemeint.

 

Angelika

Bearbeitet von Angelika Jo

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

Alicia jagt eine Mandarinente. dtv premium März 2018. Die Grammatik der Rennpferde. dtv premium Mai 2016

www.angelika-jodl.de

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Gerade vor dem Hintergrund von "Middlesex" hätte ich da auch gleich einen Einwand gegen dein Statement, Andreas:

 

. Gute Romanfiguren stammen nicht aus fein unterteilten Schubladen, sondern sind Individuen. Damit befinden wir uns im "Arbeitsbereich Klischeevermeidung", was auch das schon genannte Rätsel auflöst, wieso entsprechende Bemühungen im Heftroman mitunter nicht auf Gegenliebe stoßen: weil man dort Klischees lesen will.

 

Wären es allesamt einfach Individuen, fröhlich und blond der eine, ruppig und glatzköpfig der andere und mit noch so vielen bizarren Eigenheiten ausgestattet, dann wüsste ich nicht, warum ich mich speziell für ein Individuum, das nebenbei auch noch Hermaphrodit ist, interessieren sollte. Die große Unbekannte – also auch das Interessante – an ihm ist halt gerade diese nicht-individuelle Eigenschaft, als Zwitter geboren zu sein. Dies dann wieder in einem Individuum darzustellen, macht die Kunst aus. Oder wie es ein von mir sehr geschätzter Philosoph gesagt hat: dass sich das Allgemeine im Einzelnen zeigt. 

 

Dass es beim Schreiben darum geht, das Individuelle so zu erzählen, dass es allgemeine Bedeutung erlangt, setze ich unter uns Autoren als gegeben voraus. 

 

(Wobei die Annahme, aus Inzest entstünden Hermaphroditen, naturwissenschaftlich nicht haltbar sein dürfte.)

Bearbeitet von AndreasE
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 Oder wie es ein von mir sehr geschätzter Philosoph gesagt hat: dass sich das Allgemeine im Einzelnen zeigt. 

 

Dass es beim Schreiben darum geht, das Individuelle so zu erzählen, dass es allgemeine Bedeutung erlangt, setze ich unter uns Autoren als gegeben voraus. 

 

 

"Individuelles so zu erzählen, dass es allgemeine Bedeutung erlangt" verstehe ich – korrigier mich, wenn falsch – als die Idealvorstellung, einen einzelnen Charakter so toll darzustellen, dass sich das Buch herumspricht und die Allgemeinheit = eine große Menge Leser erfreut.

 

Ich habe etwas anderes gemeint: Etwas Allgemeines, das ist das, was den unter eine Kategorie fallenden Gegenständen je gemeinsam ist: die Ängstlichkeit des Kleinbürgers, die Ehrpusseligkeit der Militärs, das "Ich-kann-das-Gras-Wachsen-Hören"-Mantra von Spekulanten etc. Dies an einem Individuum zu zeigen, ohne dass ein Klischee draus wird, seine Eigentümlichkeiten deutlich werden und dennoch jenes Allgemeine an ihm immer wieder sichtbar wird – das ist für mich Kunst. Die Geizhälse, Bauern und Ärzte bei Balzac: Jeder ein Individuum und dennoch klar erkennbar in ihrer gesellschaftlichen Rolle. Der pubertierende ukrainische Erzähler in Foers "Alles ist erleuchtet" – genau so  redet so ein neunmalkluger, präpotenter Knabe aus dieser Weltgegend. Köhlmeiers "Madalyn" – das Mädchen steht einem nach wenigen Seiten klar vor Augen – als Besonderes, als Individuum, wenn man so will – und gleichzeitig versteht man beim Lesen beständig, dass alles, was sie sagt und tut, ihr Lebensalter als Grundlage hat.

 

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

Alicia jagt eine Mandarinente. dtv premium März 2018. Die Grammatik der Rennpferde. dtv premium Mai 2016

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Gerade vor dem Hintergrund von "Middlesex" hätte ich da auch gleich einen Einwand gegen dein Statement, Andreas:

 

. Gute Romanfiguren stammen nicht aus fein unterteilten Schubladen, sondern sind Individuen. Damit befinden wir uns im "Arbeitsbereich Klischeevermeidung", was auch das schon genannte Rätsel auflöst, wieso entsprechende Bemühungen im Heftroman mitunter nicht auf Gegenliebe stoßen: weil man dort Klischees lesen will.

 

Wären es allesamt einfach Individuen, fröhlich und blond der eine, ruppig und glatzköpfig der andere und mit noch so vielen bizarren Eigenheiten ausgestattet, dann wüsste ich nicht, warum ich mich speziell für ein Individuum, das nebenbei auch noch Hermaphrodit ist, interessieren sollte. Die große Unbekannte – also auch das Interessante – an ihm ist halt gerade diese nicht-individuelle Eigenschaft, als Zwitter geboren zu sein. Dies dann wieder in einem Individuum darzustellen, macht die Kunst aus. Oder wie es ein von mir sehr geschätzter Philosoph gesagt hat: dass sich das Allgemeine im Einzelnen zeigt. 

 

Dass es beim Schreiben darum geht, das Individuelle so zu erzählen, dass es allgemeine Bedeutung erlangt, setze ich unter uns Autoren als gegeben voraus. 

 

(Wobei die Annahme, aus Inzest entstünden Hermaphroditen, naturwissenschaftlich nicht haltbar sein dürfte.)

 

Anders als Angelika habe ich das nicht so verstanden, dass sich das Buch herumsprechen und eine große Menge Leser erfreuen würde (auch wenn das ein durchaus wünschenswerter Effekt wäre). Sondern dass es über das Individuelle hinaus eine allgemeinmenschliche Bedeutung erlangt.

 

Es ist lange her, dass ich den Roman gelesen habe, aber ich weiß noch, dass sich die Frage nach der naturwissenschaftlichen Haltbarkeit der Inzest-These mir nicht gestellt hat. Interessant im momentanen Kontext finde ich, dass seit Ende 2018 150 Betroffene die Möglichkeit genutzt haben,sich im Geburtsregister als "divers" eintragen zu lassen.

Bearbeitet von Christa
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 Oder wie es ein von mir sehr geschätzter Philosoph gesagt hat: dass sich das Allgemeine im Einzelnen zeigt. 

 

Dass es beim Schreiben darum geht, das Individuelle so zu erzählen, dass es allgemeine Bedeutung erlangt, setze ich unter uns Autoren als gegeben voraus. 

 

 

"Individuelles so zu erzählen, dass es allgemeine Bedeutung erlangt" verstehe ich – korrigier mich, wenn falsch – als die Idealvorstellung, einen einzelnen Charakter so toll darzustellen, dass sich das Buch herumspricht und die Allgemeinheit = eine große Menge Leser erfreut.

 

Ich habe etwas anderes gemeint: Etwas Allgemeines, das ist das, was den unter eine Kategorie fallenden Gegenständen je gemeinsam ist: die Ängstlichkeit des Kleinbürgers, die Ehrpusseligkeit der Militärs, das "Ich-kann-das-Gras-Wachsen-Hören"-Mantra von Spekulanten etc. Dies an einem Individuum zu zeigen, ohne dass ein Klischee draus wird, seine Eigentümlichkeiten deutlich werden und dennoch jenes Allgemeine an ihm immer wieder sichtbar wird – das ist für mich Kunst. Die Geizhälse, Bauern und Ärzte bei Balzac: Jeder ein Individuum und dennoch klar erkennbar in ihrer gesellschaftlichen Rolle. Der pubertierende ukrainische Erzähler in Foers "Alles ist erleuchtet" – genau so  redet so ein neunmalkluger, präpotenter Knabe aus dieser Weltgegend. Köhlmeiers "Madalyn" – das Mädchen steht einem nach wenigen Seiten klar vor Augen – als Besonderes, als Individuum, wenn man so will – und gleichzeitig versteht man beim Lesen beständig, dass alles, was sie sagt und tut, ihr Lebensalter als Grundlage hat.

 

Genau das habe ich damit zu sagen versucht. (Ob sich ein Buch "herumspricht", verstehe ich nicht als Kriterium für literarische Qualität.)

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Genau das habe ich damit zu sagen versucht. (Ob sich ein Buch "herumspricht", verstehe ich nicht als Kriterium für literarische Qualität.)

 

 

 

Okay – two souls, one idea.

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

Alicia jagt eine Mandarinente. dtv premium März 2018. Die Grammatik der Rennpferde. dtv premium Mai 2016

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Enid Blyton, die gesamte "Fünf Freunde"-Reihe, 1942 ff

Eine der Heldinnen, Georgina, identifiziert sich nicht mit ihrem angeborenen Geschlecht und besteht darauf, "George" genannt zu werden.

 

George ist übrigens Computer-Journalistin geworden. ;)

Nachzulesen im Kriminalroman „Pizza House Crash“ von Denis Danks.

Als ich den Krimi in den 90er Jahren las, dämmerte mir nach und nach, um wen es sich bei der Hauptfigur handelte. Cousin Julian wurde zu Beginn des Buchs leider tot aufgefunden – unter mysteriösen Umständen.

 

Es gibt acht Bände der Reihe um Georgina Powers, vier sind bei Econ auch auf Deutsch erschienen.

Author Profile: Denise Danks

 

Der geklaute Garten https://amzn.eu/d/23HGCFp :s13  

www.gesineschulz.com 

 

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So viele Titel - es sind irgendwie erschreckend wenige darunter, die ich mit "humorvoll" und "glückliiches Ende für die betreffende Figur" in Verbindung bringen würde.

Irgendwie scheint das Anders-sein selten ein gutes Ende zu nehmen, dafür sehr oft ein kaputtes, zerrissenes, trauriges Leben.

 

"Kill your gays" oder "bury your gays" ist eine Wendung, die man in manchen Rezis auf goodreads liest. Die Lesergemeinde ist senisitv darauf, dass das Anders-sein ein größeres Risiko mt sich bringt, irgendwie als Kanonenfutter oder tragische Haupfigur zu enden.

Derzeit in Schreibpause... mit immer wieder Versuchen, dieses Sumpfloch zu verlassen

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So viele Titel - es sind irgendwie erschreckend wenige darunter, die ich mit "humorvoll" und "glückliiches Ende für die betreffende Figur" in Verbindung bringen würde.

Irgendwie scheint das Anders-sein selten ein gutes Ende zu nehmen, dafür sehr oft ein kaputtes, zerrissenes, trauriges Leben.

 

"Kill your gays" oder "bury your gays" ist eine Wendung, die man in manchen Rezis auf goodreads liest. Die Lesergemeinde ist senisitv darauf, dass das Anders-sein ein größeres Risiko mt sich bringt, irgendwie als Kanonenfutter oder tragische Haupfigur zu enden.

 

Darum ging es auch in einem der Vorträge, die ich gehört habe.

Das ist wohl noch eine unmittelbare Folge des amerikanischen Hays-Codes, der offiziell in den 1960ern abgeschafft wurde, aber als freiwilliges Instrument bis heute Bestand hat.

Demnach wurde nur ausgestrahlt, was den amerikanischen Moralvorstellungen entsprach.

Homosexuelle, Schwarze oder andere "unmoralische" Menschen/Gruppen durften zwar vorkommen, mussten aber am Ende sterben oder bekamen zumindest kein Happy End, damit die Moral wieder hergestellt wird und die guten Weißen gewinnen.

Klar, dass das auch in Romanen Einschlag findet.

 

Mir war das bis neulich überhaupt nicht bewusst, ich hatte auch noch nie davon gehört, sehe aber auch eher selten Filme.

Ich bin aber froh, dass es Menschen gibt, die darauf hinweisen.

Ein Bestreben des an anderer Stelle erwähnten Sensitive Readings ist auch, auf solche Missstände hinzuweisen.

Die baut man vermutlich nicht mal mit Absicht ein, hat diese Regeln durch Lesen und Schauen aber doch irgendwie verinnerlicht.

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Ich finde das teilweise sehr schwierig.

Mir ist das durchaus bewusst, aber bewirkt dieses Bewusstsein, dass es sich immer vermeiden lässt?

 

Ich hatte ungewollt einen Sensitiv Reader an meinem aktuellen Roman und bekam den Hinweis: "Schon etwas ungeschickt, aber typisch, dass der weiße Typ am Ende das Mädchen bekommt und der Schwarze leer ausgeht."

Und ich erkenne ja das Problem, nur kommt nun ins Spiel, dass in dieser Gesellschaft die Hautfarbe überhaupt keine Bedeutung hat, der Schwarze ist aber aufgrund seiner kulturellen Zugehörigkeit besser gestellt (was wiederum nichts mit der Hautfarbe zu tun hat), der Weiße zählt zu einer verfolgten Minderheit.

 

Ich gehe fest davon aus, dass ein Teil meiner Leserschaft das kritisieren wird und es ärgert mich ein Stück weit, da ich mich dieser Kritik nicht stellen müsste, würde ich der Einfachheit halber sagen: In meiner Welt sind alle weiß - hetero - uneingeschränkt, niemand ist anders, dann findet auch niemand einen Punkt, um sich daran aufzuziehen.

Versteht ihr das Problem? Man gestaltet einen diversen Cast und macht sich dadurch erst angreifbar. War mir vorher übrigens bewusst.

 

Auch in Sachen Authentizität habe ich da schon  Probleme bekommen. "Ich wäre rassistisch" hieß es da, weil einer meiner Protagonisten - ein 19jähriger Underdog aus den übelsten Ecken von Frankfurt am Main - seinen dunkelhäutigen besten Buddy "Toffee" nennt. Der andere nennt ihn "Sissy", weil er lange Haare hat.

Natürlich ist das mal überdenkenswert. Meinem Sohn würde ich auch sagen: Du, kannste dir vorstellen, dass ... ? Aber diese Figur hat keine Mutter, die ihn auf sowas hinweist, es passt nicht in seine Lebensrealität, sich darüber Gedanken zu machen - was ja bereits etwas über ihn aussagt.

 

Es ärgert mich, wenn ich da als gedankenlos hingestellt werde, gerade WEIL ich mir diese Gedanken mache.

Wie geht ihr damit um? Der "diversen" Figur zwanghaft ein Happy End andichten? Vermeiden? Dialog suchen?

Würde mich wirklich interessieren.

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Ich finde das teilweise sehr schwierig.

Mir ist das durchaus bewusst, aber bewirkt dieses Bewusstsein, dass es sich immer vermeiden lässt?

 

Ich hatte ungewollt einen Sensitiv Reader an meinem aktuellen Roman und bekam den Hinweis: "Schon etwas ungeschickt, aber typisch, dass der weiße Typ am Ende das Mädchen bekommt und der Schwarze leer ausgeht."

Und ich erkenne ja das Problem, nur kommt nun ins Spiel, dass in dieser Gesellschaft die Hautfarbe überhaupt keine Bedeutung hat, der Schwarze ist aber aufgrund seiner kulturellen Zugehörigkeit besser gestellt (was wiederum nichts mit der Hautfarbe zu tun hat), der Weiße zählt zu einer verfolgten Minderheit.

 

Ich gehe fest davon aus, dass ein Teil meiner Leserschaft das kritisieren wird und es ärgert mich ein Stück weit, da ich mich dieser Kritik nicht stellen müsste, würde ich der Einfachheit halber sagen: In meiner Welt sind alle weiß - hetero - uneingeschränkt, niemand ist anders, dann findet auch niemand einen Punkt, um sich daran aufzuziehen.

Versteht ihr das Problem? Man gestaltet einen diversen Cast und macht sich dadurch erst angreifbar. War mir vorher übrigens bewusst.

 

Auch in Sachen Authentizität habe ich da schon  Probleme bekommen. "Ich wäre rassistisch" hieß es da, weil einer meiner Protagonisten - ein 19jähriger Underdog aus den übelsten Ecken von Frankfurt am Main - seinen dunkelhäutigen besten Buddy "Toffee" nennt. Der andere nennt ihn "Sissy", weil er lange Haare hat.

Natürlich ist das mal überdenkenswert. Meinem Sohn würde ich auch sagen: Du, kannste dir vorstellen, dass ... ? Aber diese Figur hat keine Mutter, die ihn auf sowas hinweist, es passt nicht in seine Lebensrealität, sich darüber Gedanken zu machen - was ja bereits etwas über ihn aussagt.

 

Es ärgert mich, wenn ich da als gedankenlos hingestellt werde, gerade WEIL ich mir diese Gedanken mache.

Wie geht ihr damit um? Der "diversen" Figur zwanghaft ein Happy End andichten? Vermeiden? Dialog suchen?

Würde mich wirklich interessieren.

 

Vielleicht, wenn man genau diese Überlegung in den Roman einbaut? Dass der Junge, der seinen Freund "Toffee" nennt, von jemandem als rassistisch bezeichnet wird, der dadurch die Rolle der Mutter übernimmt? Oder glaubst du, dass man dadurch die LeserInenn erst auf die Idee bringt, die Figur nicht zu mögen (ich nehme an, sie soll sympathisch sein). Jedenfalls könnte er danach eine Entscheidung treffen, die die LeserIn nachvollziehen kann und sich vielleicht einen neuen Namen ausdenken oder mit Absicht auch nicht.

 

Mir hilft es oft, Probleme in Romanen, die ich nicht lösen kann, einfach dort zu benennen. In der Hoffnung, die LeserIn denkt weiter darüber nach.

 

Ich habe diverse Personen bislang nur in Nebenrollen in meinen Romanen, und die wurden sympathisch dargestellt.  Aktuell ist die beste Freundin der Prota türkisch-stämmig.  Außerdem taucht noch ein lesbisches Pärchen auf, deren Hochzeit organisiert werden muss (meine Prota ist Hochzeitsfotografin). In früheren Romanen hatte ich u.a. homosexuelle Nachbarn, die für meine Prota handwerkliche Hilfsdienste übernehmen oder die lesbische Freundin des Vaters, die Chocolatière ist (zu der Handlungszeit eine Männerdomäne).

 

Ich würde gerne mal eine diverse Hauptfigur haben. Bis auf einen italienisch-stämmigen Love Interest (was für ein Klischee, ich weiß) hatte ich da noch nie einen. Eine Idee wurde vom Verlag abgeschmettert, andere traue ich mir nicht zu. Es geht mir um Authentizität.

Aber ja, du hast wahrscheinlich schon recht: ich möchte meine diversen positiv darstellen. Wobei es im Liebesroman immer nur wenige wirklich negative Charaktere gibt.

 

Natürlich macht man sich durch einen diversen Cast angreifbar. Ohne aber auch. Irgendwie sind wir doch immer angreifbar.

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Zitat:

 

Natürlich macht man sich durch einen diversen Cast angreifbar. Ohne aber auch. Irgendwie sind wir doch immer angreifbar.

 

Man ist allein durch die Veröffentlichung seiner Texte angreifbar. Möchte man nicht angreifbar sein, muss man die Texte so glatt schleifen, dass nichts mehr davon übrigbleibt. Und das wiederum ist sehr angreifbar! ;) 

 

Ich habe gerade den Blogbeitrag einer Frau gelesen, die auf der Session des Literaturcafés während der letzten Leipziger Buchmesse

teilgenommen hat. Sie spricht von sogenannten "Mikroaggressionen", die zu Stolpersteinen werden und andere verletzen können.

Selbst wenn ich einen Postboten mit anderer Hautfarbe als Nebenfigur darstellen würde, könnte ich in solche Fallen tappen. Diese Diskussion hat auf jeden Fall dazu geführt, dass ich mir der Darstellungsweise von Figuren bewusster geworden bin.

 

https://vickieunddaswort.de/sensitivity-reading-session-beim-literaturcafe

 

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Zitat:

 

Natürlich macht man sich durch einen diversen Cast angreifbar. Ohne aber auch. Irgendwie sind wir doch immer angreifbar.

 

Man ist allein durch die Veröffentlichung seiner Texte angreifbar. Möchte man nicht angreifbar sein, muss man die Texte so glatt schleifen, dass nichts mehr davon übrigbleibt. Und das wiederum ist sehr angreifbar! ;)

 

Ich habe gerade den Blogbeitrag einer Frau gelesen, die auf der Session des Literaturcafés während der letzten Leipziger Buchmesse

teilgenommen hat. Sie spricht von sogenannten "Mikroaggressionen", die zu Stolpersteinen werden und andere verletzen können.

Selbst wenn ich einen Postboten mit anderer Hautfarbe als Nebenfigur darstellen würde, könnte ich in solche Fallen tappen. Diese Diskussion hat auf jeden Fall dazu geführt, dass ich mir der Darstellungsweise von Figuren bewusster geworden bin.

 

https://vickieunddaswort.de/sensitivity-reading-session-beim-literaturcafe

 

 

 

Ich halte es für eine sehr problematische Entwicklung, wenn künstlerische und dramaturgische Entscheidungen moralisiert bzw. moralisch aufgeladen werden. Dass man Klischees vermeiden und nur über Dinge schreiben sollte, über die man auch Bescheid weiß, sei es aus eigener Erfahrung oder durch Recherche (z. B. Gespräche mit Betroffenen), ist eine professionelle Selbstverständlichkeit und gehört zum Handwerk. Ebenso, dass man sensible Themen auch sensibel behandelt.

 

Indem aber suggeriert wird, es bedürfe eines „sensitiv readings“, um sogenannte „Mikroaggressionen“ zu verhindern, werden Leser zu Opfern und Autoren zu Tätern gemacht. Mal abgesehen davon, dass so getan wird, als gäbe es die eine „richtige“ Darstellung. Dabei gibt es auch nicht die fünf „richtigen“ Darstellungen, denn die „Diversen“ sind auch unter sich „divers“. Als Autoren beschreiben wir keine statistischen oder sonstigen Durchschnittswerte, sondern einzelne Figuren, die nicht mit real lebenden Figuren um Authentizität konkurrieren. Eine von mir erfundene Figur wird in ihren Stärken und Defiziten letztlich immer mehr mit mir zu tun haben als mit jemandem in der realen Wirklichkeit. Das heißt nicht, dass jedes Wort, das sie äußert oder denkt, automatisch meine Ansicht oder Einstellung wäre. Auch wenn Leser das manchmal denken.

"Wir sind die Wahrheit", Jugendbuch, Dressler Verlag 2020;  Romane bei FISCHER Scherz: "Die im Dunkeln sieht man nicht"; "Die Nachtigall singt nicht mehr"; "Die Zeit der Jäger"

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Das sehe ich genauso. Außerdem wäre es schön, wenn von dieser - an sich positiven - sozialen Sensibilisierung alle gleichermaßen profitieren würden. Und auch nicht nur in Büchern. Aber gegen bestimmte Gruppen unserer Gesellschaft scheinen auch Makroaggressionen nicht weiter hinterfragt zu werden (die meisten Hartz IV-er sind nur zu faul zum Arbeiten, ganz Sachsen - der "Spiegel" hat es ja gezeigt - ist ein einziger brauner Sumpf usw.). Ich glaube, hier verschiebt sich insgesamt etwas in eine fragwürdige Richtung.

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Letztlich ist es leider oft so, dass bestimmte Leser etwas nur auf eine Weise verstehen wollen, weil es gar nicht um den Text geht, sondern um das Weltbild dahinter. Und die Furcht, dass dieses Weltbild Kratzer bekommen könnte, führt dann zu teilweise unangemessenen Reaktionen dem Autor oder der Geschichte gegenüber. Denn natürlich ist die Welt nicht schwarz oder weiß und es gibt viele Schattierungen, die man nicht so ohne weiteres einordnen kann.

 

Ich hatte mal ein ähnliches Problem. In einem meiner Bücher wird mein böser Nazi-Arzt so, wie es damals üblich war, in der Nachkriegszeit vom Vorwurf des Mordes freigesprochen, obwohl er Dutzende Kinder euthanasiert hat. Ich habe mich da teilweise wörtlich an echte Protokolle von Gerichtsverfahren gehalten, die ich nur ein bisschen angepasst habe, damit sie zu meinem fiktiven Täter passten (ich hatte ursprünglich sogar einen echten Täter, der aber wegen Persönlichkeitsrechten zur Sicherheit fiktionalisiert wurde) . Da ich nun aber einen fiktive Täter hatte, konnte ich ja - um mich selbst oder die Leser zu befriedigen - im eine Strafe geben und gleichzeitig die Doppelmoral der jungen Bundesrepublik zeigen. Ich wollte, dass er am Ende wegen Homosexualität verurteilt wird und seine Approbation verliert - war damals Gang und Gäbe in Deutschland. 

 

Nun meinte aber eine Testleserin, das ginge nicht an, dass der Fiesling der einzige Homosexuelle ist, weil das den Eindruck erwecken könnte, ich wolle propagieren, dass Homosexuelle per se schlechte Menschen sind. Was natürlich Quatsch ist - ich wollte ja die Doppelmoral zeigen - für Kindermorde wird man freigesprochen und ist ein toller Arzt, aber wehe, man ist homosexuell.

 

Ich habe das Problem dann damit gelöst, dass ich noch zwei nette Homosexuelle eingebaut habe - einen jungen Mann, der mit sich hadert, bis er jemanden trifft, der wie er ist und ihm klar macht, dass mit ihm alles in Ordnung ist und nur die Gesetze falsch sind. Dadurch wurde die Endaussage noch deutlicher - es gab gegen den Bösewicht drei Urteile und alle waren eine Schande für die deutsche Justiz, wie mein Held am Ende auch sagt, selbst wenn der Täter am Schluss ins Gefängnis kommt und seine Zulassung als Arzt verliert - aber eben für die falsche Sache.

 

Die einzige Angreifbarkeit, die ich zu dem Thema jetzt in Rezensionen gefunden habe, war, dass eine Leserin schrieb: "Es war ein bisschen viel, dass jetzt auch noch das Thema Homosexualität angesprochen wurde." Aber damit kann ich leben ;-)

 

Ich denke, man sollte versuchen, einen Kniff zu finden, wie man die "Berufsbetroffenen", die nicht auf den Hintergrund der Geschichte achten, sondern nur oberflächlich suchen, ob da nicht was Unkorrektes steht, mit ins Boot holen kann, indem man bei seiner Grundidee bleibt, aber eben deutlich macht, wie es gemeint ist. 

 

Das kann natürlich nicht immer funktionieren und auf Krampf sollte man es auch nicht tun, sondern nur, wenn es passt und die Kernaussage unterstreicht. Wenn das nicht funktioniert, sollte man sich damit trösten, dass es auf der ganzen Welt kein einziges Buch gibt, das jedem Leser gefällt. 

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Zitat:

 

Natürlich macht man sich durch einen diversen Cast angreifbar. Ohne aber auch. Irgendwie sind wir doch immer angreifbar.

 

Man ist allein durch die Veröffentlichung seiner Texte angreifbar. Möchte man nicht angreifbar sein, muss man die Texte so glatt schleifen, dass nichts mehr davon übrigbleibt. Und das wiederum ist sehr angreifbar! ;)

 

Ich habe gerade den Blogbeitrag einer Frau gelesen, die auf der Session des Literaturcafés während der letzten Leipziger Buchmesse

teilgenommen hat. Sie spricht von sogenannten "Mikroaggressionen", die zu Stolpersteinen werden und andere verletzen können.

Selbst wenn ich einen Postboten mit anderer Hautfarbe als Nebenfigur darstellen würde, könnte ich in solche Fallen tappen. Diese Diskussion hat auf jeden Fall dazu geführt, dass ich mir der Darstellungsweise von Figuren bewusster geworden bin.

 

https://vickieunddaswort.de/sensitivity-reading-session-beim-literaturcafe

 

 

 

Ich halte es für eine sehr problematische Entwicklung, wenn künstlerische und dramaturgische Entscheidungen moralisiert bzw. moralisch aufgeladen werden. Dass man Klischees vermeiden und nur über Dinge schreiben sollte, über die man auch Bescheid weiß, sei es aus eigener Erfahrung oder durch Recherche (z. B. Gespräche mit Betroffenen), ist eine professionelle Selbstverständlichkeit und gehört zum Handwerk. Ebenso, dass man sensible Themen auch sensibel behandelt.

 

Indem aber suggeriert wird, es bedürfe eines „sensitiv readings“, um sogenannte „Mikroaggressionen“ zu verhindern, werden Leser zu Opfern und Autoren zu Tätern gemacht. Mal abgesehen davon, dass so getan wird, als gäbe es die eine „richtige“ Darstellung. Dabei gibt es auch nicht die fünf „richtigen“ Darstellungen, denn die „Diversen“ sind auch unter sich „divers“. Als Autoren beschreiben wir keine statistischen oder sonstigen Durchschnittswerte, sondern einzelne Figuren, die nicht mit real lebenden Figuren um Authentizität konkurrieren. Eine von mir erfundene Figur wird in ihren Stärken und Defiziten letztlich immer mehr mit mir zu tun haben als mit jemandem in der realen Wirklichkeit. Das heißt nicht, dass jedes Wort, das sie äußert oder denkt, automatisch meine Ansicht oder Einstellung wäre. Auch wenn Leser das manchmal denken.

 

Das fasst die Gedanken, die ich mir heute noch über den Artikel gemacht hatte, sehr gut zusammen. Ich dachte:

 

1. Wer sollen denn diese "sensitiven Leser" sein? Testleser, Lektoren, Leserundenleser oder die Leser+innen selbst? Oder gibt es das inzwischen als Berufsbild?

 

2. Sensitiv reading soll die Bildung von Klischees, Verallgemeinerungen usw. verhindern. Aber wir vermeiden doch bei allen Figuren solche Klischees und Verallgemeinerungen, oder?

 

In dem Zusammenhang gefällt mir auch dein Einwurf, Kerstin. Tagtäglich hören wir Klischees in den Gesprächen um uns herum, lesen sie in der Zeitung und im Internet. Viele tragen tief drinnen Klischees mit sich herum. Die faulen Hartz IV-Empfänger, der braune Sumpf, der aggressive BMW-Fahrer, Frauen, die "immer recht haben wollen". Die Sensibilisierung der Sprache kann sicher nur mit einer Sensibilisierung der Gesellschaft einhergehen. (Könnte aber ein Schlüssel dazu sein). Dazu gehört zum Beispiel auch die gesamtgesellschaftliche Empathie, die durch zunehmende Fixierung auf Medien und Smartphones laut einer Studie verlorenzugehen droht.

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MelanieM:

"Letztlich ist es leider oft so, dass bestimmte Leser etwas nur auf eine Weise verstehen wollen, weil es gar nicht um den Text geht, sondern um das Weltbild dahinter. Und die Furcht, dass dieses Weltbild Kratzer bekommen könnte, führt dann zu teilweise unangemessenen Reaktionen dem Autor oder der Geschichte gegenüber. Denn natürlich ist die Welt nicht schwarz oder weiß und es gibt viele Schattierungen, die man nicht so ohne weiteres einordnen kann."

 

Genau, das sind die Klischees, die sich in den Köpfen auch einiger Leser festgesetzt haben. Und die man teilweise auch aus seinem eigenen Kopf rausbekommen muss. Dein Beispiel mit dem wegen Homosexualität statt wegen Kindesmordes verurteilten Arztes zeigt ganz deutlich, welche Verwirrungen sich aus so etwas ergeben können. Es kann aber nun einfach nicht sein, dass wir bei jedem Satz darüber nachdenken müssten, wie jemand es auffassen und interpretieren könnte. Als Leserin deines Buches wäre ich niemals draufgekommen, Homosexuelle als böse anzusehen. Mit dem Klischeedenken dieser Leser müssen wir leben, wie du schon ganz richtig sagst. Außerdem ist jede Figur die Ausgeburt unserer Fantasie und unserer Erfahrungen, wie Andreas schon sagte, und sie trifft jeweils auf andere Vorstellungen und Erfahrungen bei den Lesern.

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Genau, das sind die Klischees, die sich in den Köpfen auch einiger Leser festgesetzt haben. Und die man teilweise auch aus seinem eigenen Kopf rausbekommen muss. Dein Beispiel mit dem wegen Homosexualität statt wegen Kindesmordes verurteilten Arztes zeigt ganz deutlich, welche Verwirrungen sich aus so etwas ergeben können. Es kann aber nun einfach nicht sein, dass wir bei jedem Satz darüber nachdenken müssten, wie jemand es auffassen und interpretieren könnte. Als Leserin deines Buches wäre ich niemals draufgekommen, Homosexuelle als böse anzusehen. Mit dem Klischeedenken dieser Leser müssen wir leben, wie du schon ganz richtig sagst. 

 

Um mal bei dem Beispiel zu bleiben - ich denke, jemand der keine Vorurteile gegen Homosexuelle hat und selbst auch nie Opfer von Vorurteilen wurde, kommt auch nicht auf solche Ideen. Weil es für jemanden ohne Vorurteile völlig wurscht ist, welche sexuelle Ausrichtung ein Fiesling hat, aber es trotzdem ungerecht finden kann, wenn ein Fiesling dafür verurteilt wird anstatt für seine wirklichen Straftaten.

 

Wir haben es aber mit verschiedenen Sorten von Lesern zu tun. Solche, die selbst Opfer wurden und deshalb sensibilisiert sind und unter Umständen einen Angriff zu erleben glauben, wo es gar keinen gab. Aber auch solche, die im Grunde selbst massive Vorurteile haben, die sie sich aber, weil sie von Verstand her wissen, dass die unbewussten Vorurteile blödsinnig sind, ganz massiv dagegen ansteuern und nun "Moralpolizei" werden und auch dort, wo gar keine Angriffe stattfanden, welche wahrnehmen - weil sie sich nämlich heimlich in ihrem eigenen Gedankengang ertappt fühlten und den sofort verdrängen müssen. Das sind oft diejenigen, die gar nichts mit einer Gruppe von Betroffenen zu tun haben, aber am lautesten für deren Rechte streiten - auch da, wo das gar nicht notwendig ist. Weil sie damit ihre eigenen Vorurteile in Schach halten - läuft aber alles unbewusst ab. 

Und dann gibt es schlichtweg auch solche Leute, die dem Gedankengang des Autors nicht folgen können und ihn missverstehen. Entweder, weil der Autor sich schlecht und missverständlich ausgedrückt hat, oder weil sie den Text nicht verstanden haben.

 

Letztlich können wir als Autoren nur begrenzt etwas dagegen tun. Man kann überlegen, ob man diese Klientel irgendwie mit ins Boot holen kann, um sich als Autor unmissverständlich auszudrücken, aber das darf nicht soweit führen, dass ein Roman langweilig wird.

 

Als ich ein Kind war - in den späten 70ern oder frühen 80ern, ich weiß nicht mehr so genau wann - da gab es immer Weihnachtsmärchen für Kinder und es gab eine Modewelle in Hamburger Theatern, die Weihnachtsmärchen politisch korrekt zu erzählen und ohne Grausamkeit. Und so sah ich mal eine Darstellung von Hänsel und Gretel, die ohne Grausamkeit auskommen sollte. Und zwar stellte sich im Nachhinein heraus, dass die Kinder bloß paranoide Ängste vor der harmlosen alten Frau hatten, die sie aber auch nicht im Ofen verbrannt, sondern nur im Keller eingesperrt hatten. Fand ich irgendwie nicht so toll, die Geschichte. Ich habe die ganze Zeit gedacht, Hänsel und Gretel sind doof. Es war letztlich keine Geschichte mehr von schlauen, mutigen Kindern, die sich gegen das Böse gemeinsam durchsetzen, sondern die Story von zwei Ausreißern, die von einer netten alten Dame aufgenommen werden und dann glauben, die wolle sie essen und sie dann in den Keller einsperren. 

 

Diese Art von Märchenaufführung blieb im experimentellen Stadium - den Kindern hat es nicht wirklich gefallen. Ist ja auch klar, wenn ihre Identifikationsfiguren plötzlich Doofis sind, die eine arme alte Frau zu Unrecht verdächtigen und schlecht behandeln ...

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