Zum Inhalt springen
IlonaS

Ich Erzählung im Präsens, Präteritum oder Perfekt für die Vergangenheit

Empfohlene Beiträge

In meinem aktuellen Roman erzählt die Protagonistin in der Ersten Person und im Präsens. Ab und an erzählt sie über Vergangenes. Und da komme ich ins Schwimmen, und je länger ich darüber nachdenke, desto verwirrter werde ich. 

 

Ich schenke Yasmin ein Lächeln, das sie zaghaft erwidert, dann gähnt und sich streckt. 
„Leg dich hin“, sage ich. „Du versäumst hier nichts. Es kann noch einige Zeit dauern, bis die Polizei eintrifft.“
„Ich trau mich nicht, die Augen zu schließen.“
„Versuch’s einfach. Stell dir vor, du bist auf Sylt.“ Dort war sie mit ihrem Stiefvater Hajo immer glücklich. Ganz im Gegensatz zu mir, denn Markus‘ Betrug stand unüberwindlich, wie die Berliner Mauer, zwischen uns. Irgendwann gab Hajo auf, reichte die Scheidung ein und ließ sich in eine andere Stadt versetzen. Aus die Maus.
 
Oder die Minirückblende im Perfekt? 
 
Ein Ratschlag, den ich gefunden habe, war, (man bemerke die Vermischung von beiden Vergangenheitsformen):
Perfekt in mehr umgangssprachlichen Kontext und Präteritum für mehr gebildetes, einzusetzen, also abhängig vom Sprecher/Erzähler. 
 
Präteritum ist für mich abgeschlossenes, während Perfekt noch einen Bezug zur Gegenwart hat. Oder beeinflusst mich da die Englische Denkungsweise? 
 
Wie handhabt ihr das?
Bearbeitet von IlonaS

Krimis, Liebe und Mehr.

www.ilonaschmidt.com

Translations, Lektorat & Exposé Coaching

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Ja, das ist tatsächlich immer ein wenig verwirrend...

Der Ratschlag, den du da gefunden hast, gilt - soweit ich weiß - nur, wenn es um die Wahl der Vergangenheitsform für ganze Texte oder für sich stehende Einheiten geht (wie direkte Rede deiner Figuren zum Beispiel).

Bei dir und deiner Frage geht es aber um Vergangenes innerhalb eines Textes. Du erzählst ja bereits (und hast dich für Präsens entschieden). Wenn du aus dieser Ausgangslage sagen möchtest, dass etwas in der Vergangenheit passiert ist, müsstest du meiner Meinung nach zwei Stufen zurück (bei Präsens wäre das Perfekt, wenn du Präteritum erzählen würdest, wäre es Plusquamperfekt).

 

Ich würde es so machen:

 

Dort ist sie mit ihrem Stiefvater Hajo immer glücklich gewesen. Ganz im Gegensatz zu mir, denn Markus‘ Betrug ist unüberwindlich, wie die Berliner Mauer, zwischen uns gestanden. Irgendwann hat Hajo aufgegeben, die Scheidung eingereicht und sich in eine andere Stadt versetzen lassen. Aus die Maus.

 

(Eventuell auch "hat zwischen uns gestanden". Die Formulierung "ist zwischen uns gestanden" wäre vermutlich wieder einmal die süddeutsche Variante, aber darin bin ich definitiv nicht gut, das sagt mir meine Lektorin jedes Mal wieder ;))

Bearbeitet von SabrinaS


Leonie Werdenfels: Liebeszauber am Chiemsee (Harper Collins 4/2023)
Sabrina Sonntag: Apfelglück am See (Harper Collins 4/2022) Unser Sommerblau für immer (Harper Collins 5/2021) Schwein gehabt, sagt die Liebe (MTB - Harper Collins 9/2019)

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Ich hab sicherheitshalber mal in meinem Sprachwissenschaft-Wälzer nachgeschlagen, damit ich hier keinen Unsinn erzähle.

Dort steht es auch so drin: Vorzeitigkeit in Bezug auf eine Äußerung im Präsens braucht Perfekt, Vorzeitigkeit in Bezug auf eine Äußerung im Präteritum oder im Perfekt braucht Plusquamperfekt.

 

Wenn ich dir die Seiten einscannen und schicken soll, gerne PN :) 


Leonie Werdenfels: Liebeszauber am Chiemsee (Harper Collins 4/2023)
Sabrina Sonntag: Apfelglück am See (Harper Collins 4/2022) Unser Sommerblau für immer (Harper Collins 5/2021) Schwein gehabt, sagt die Liebe (MTB - Harper Collins 9/2019)

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Du hast Recht, Sabrina. Aber oft wird es bei Rückblenden auch so gemacht, dass nur die ersten Sätze im Perfekt geschrieben sind und man dann ins Präteritum wechselt, der Lesbarkeit wegen.

 

"Präteritum ist für mich abgeschlossenes, während Perfekt noch einen Bezug zur Gegenwart hat. Oder beeinflusst mich da die Englische Denkungsweise? "

 

Ja, eindeutig, liebe Ilona. Das ist im Deutschen meines Wissens nicht so.

 

Liebe Grüße,

Yvonne

www.yvonne-struck.de

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Danke euch für die Antworten. Mich stört vielleicht die Anhäufung von 'hat' und manchmal 'íst' bei der Verwendung von Perfekt. 

 

Weil er gegessen hat, hat er keinen Hunger mehr. 

 

Manchmal kann man das vermeiden, aber nicht immer. 

 

Es war Abend gewesen, als ...

Es war Abend, als .... 

 

Da habe ich wiederum gehört, ohne das gewesen ginge es auch, da es im Gebrauch regionale Vorlieben gibt. 

Bearbeitet von IlonaS

Krimis, Liebe und Mehr.

www.ilonaschmidt.com

Translations, Lektorat & Exposé Coaching

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Ja, das ist tatsächlich immer ein wenig verwirrend...

Der Ratschlag, den du da gefunden hast, gilt - soweit ich weiß - nur, wenn es um die Wahl der Vergangenheitsform für ganze Texte oder für sich stehende Einheiten geht (wie direkte Rede deiner Figuren zum Beispiel).

Bei dir und deiner Frage geht es aber um Vergangenes innerhalb eines Textes. Du erzählst ja bereits (und hast dich für Präsens entschieden). Wenn du aus dieser Ausgangslage sagen möchtest, dass etwas in der Vergangenheit passiert ist, müsstest du meiner Meinung nach zwei Stufen zurück (bei Präsens wäre das Perfekt, wenn du Präteritum erzählen würdest, wäre es Plusquamperfekt).

 

Ich würde es so machen:

 

Dort ist sie mit ihrem Stiefvater Hajo immer glücklich gewesen. Ganz im Gegensatz zu mir, denn Markus‘ Betrug ist unüberwindlich, wie die Berliner Mauer, zwischen uns gestanden. Irgendwann hat Hajo aufgegeben, die Scheidung eingereicht und sich in eine andere Stadt versetzen lassen. Aus die Maus.

 

(Eventuell auch "hat zwischen uns gestanden". Die Formulierung "ist zwischen uns gestanden" wäre vermutlich wieder einmal die süddeutsche Variante, aber darin bin ich definitiv nicht gut, das sagt mir meine Lektorin jedes Mal wieder ;))

Ich schreibe oft im Präsens und so, wie du es hier beschreibst, mache ich es auch. Nur wenn es sich um etwas längere Passagen von Vergangenem handelt, erzähle ich die im Präteritum.

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

 

"Präteritum ist für mich abgeschlossenes, während Perfekt noch einen Bezug zur Gegenwart hat. Oder beeinflusst mich da die Englische Denkungsweise? "

 

Ja, eindeutig, liebe Ilona. Das ist im Deutschen meines Wissens nicht so.

 

Liebe Grüße,

Yvonne

Das ist glaube ich nicht so einfach. Es gibt durchaus den Unterschied zwischen abgeschlossen und prozessual, abhängig vom Kontext.

 

 

Übrigens lustig, wenn ich solche Fragen in den Browser eingebe, kommen stets Antworten für englisch Sprechende, die Deutsch lernen möchten, was zwar nett, aber in diesem Fall nicht hilfreich ist. 

Krimis, Liebe und Mehr.

www.ilonaschmidt.com

Translations, Lektorat & Exposé Coaching

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

 

„Versuch’s einfach. Stell dir vor, du bist auf Sylt.“ Dort war sie mit ihrem Stiefvater Hajo immer glücklich. Ganz im Gegensatz zu mir, denn Markus‘ Betrug stand unüberwindlich, wie die Berliner Mauer, zwischen uns. Irgendwann gab Hajo auf, reichte die Scheidung ein und ließ sich in eine andere Stadt versetzen. Aus die Maus.

 

Ich interpretiere das eher als inneren Monolog. Eine Rückblende müsste Handlung haben. Es sind für mich Gedanken, die jemand hat. Verwendet man im inneren Monolog die Vergangenheit, interpretiere ich diese Gedanken als abgeschlossen und nicht mehr veränderbar. Die Gegenwart wäre für mich, die Gedanken sind offen, es ist noch keine Entscheidung, aus der Sicht der Person, gefallen.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Das ist glaube ich nicht so einfach. Es gibt durchaus den Unterschied zwischen abgeschlossen und prozessual, abhängig vom Kontext.

 

Stimmt. Aber im Deutschen ist der Unterschied nicht so groß wie im Englischen, man kann beide Zeitformen beinahe synonym gebrauchen, was im Englischen nicht geht. Im Deutschen liegt der Unterschied vor allem darin, dass man das Präteritum eher im Schriftdeutschen gebraucht, das Perfekt eher im gesprochenen Deutsch (Modal- und Hilfsverben bilden eine Ausnahme).

 

Allerdings ist auch das wieder nicht hundertprozentig, sondern hängt vom Kontext ab. Denn tatsächlich hört sich das Präteritum (außer bei den Modal- und Hilfsverben) irgendwie "gehobener" an, manchmal auch gestelzt, so dass man in aufgeschriebener Alltagssprache, zum Beispiel in Romanen, vielleicht doch lieber das Perfekt benutzt. Das hängt auch davon ab, auf welcher sprachlichen Ebene sich der Erzähler selbst befindet.

Bearbeitet von KerstinH
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Es war Abend gewesen, als ...

Es war Abend, als .... 

 

Da habe ich wiederum gehört, ohne das gewesen ginge es auch, da es im Gebrauch regionale Vorlieben gibt. 

 

Das ist aber jetzt Plusquamperfekt, was man bei Vorvergangenheit gegenüber dem Präteritum benutzt. Um allerdings das Plusquamperfekt nicht seitenweise durchhalten zu müssen, kann man sich in solchen Fällen nach ein paar Sätzen heimlich ins Präteritum schleichen - am besten, indem man eine Konstruktion mit einem Hilfsverb benutzt, das unvermittelt zum Vollverb wird (wie hier "sein" -> "war") oder mit Modalverben (können, müssen, dürfen usw. plus Vollverb).

 

Diese doppelte Verwendung des gleichen Verbs wie in deinem Beispiel ("gewesen" ist ja ein Partizip von "sein") ist meist sehr unelegant, es sei denn, es ist ein bewusst eingesetztes stilistisches Mittel (genauso wie: Er hatte ... gehabt).

Bearbeitet von KerstinH
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Danke euch für die Antworten. Mich stört vielleicht die Anhäufung von 'hat' und manchmal 'íst' bei der Verwendung von Perfekt. 

 

Weil er gegessen hat, hat er keinen Hunger mehr. 

 

Auch hier gibt es den Trick, dass man die Konstruktion quasi imitiert und dabei klammheimlich die Zeitform wechselt, wie du es machst. Das klingt im ersten Moment auch im zweiten Satzteil nach Perfekt, ist es aber nicht, sondern Präsens. Dabei hilft es manchmal, abwechselnd Konstruktionen mit "haben" oder "sein" zu benutzen:

 

Weil er gegessen hat, ist er jetzt satt. 

 

Oder, wenn das nicht geht, wenigstens den Hauptsatz nach vorn zu stellen, dann stoßen die Verben vor und nach dem Komma nicht aufeinander.

 

Er hat jetzt keinen Hunger mehr, da er gegessen hat.

 

Klingt aber auch nicht so schön, ich würde trotzdem versuchen, im zweiten Satzteil das Hilfsverb zu wechseln oder aber wahlweise ins Präteritum gehen:

 

Er hat keinen Hunger mehr, da es reichlich zu essen gab.

Bearbeitet von KerstinH
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

 

Danke euch für die Antworten. Mich stört vielleicht die Anhäufung von 'hat' und manchmal 'íst' bei der Verwendung von Perfekt. 

 

Weil er gegessen hat, hat er keinen Hunger mehr. 

 

Auch hier gibt es den Trick, dass man die Konstruktion quasi imitiert und dabei klammheimlich die Zeitform wechselt.

 

Weil er gegessen hat, ist er jetzt satt. 

 

Das klingt im ersten Moment auch nach Perfekt, ist es aber nicht. Ansonsten hilft es manchmal, abwechselnd Verben zu benutzen, die "haben" oder "sein" erfordern, oder, wenn das nicht geht, den Hauptsatz nach vorn zu stellen, dann stoßen die die Hilfsverben vor und nach dem Komma nicht aufeinander.

 

Er hat jetzt keinen Hunger mehr, da er gegessen hat.

 

(Klingt aber auch nicht so schön, ich würde trotzdem versuchen, das Hilfsverb zu wechseln.)

 

Er hat gegessen und keinen Hunger mehr.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Ich interpretiere das eher als inneren Monolog. Eine Rückblende müsste Handlung haben. Es sind für mich Gedanken, die jemand hat. Verwendet man im inneren Monolog die Vergangenheit, interpretiere ich diese Gedanken als abgeschlossen und nicht mehr veränderbar. Die Gegenwart wäre für mich, die Gedanken sind offen, es ist noch keine Entscheidung, aus der Sicht der Person, gefallen.

 

Dietmar: Du hast recht, das Beispiel ist ein Innerer Monolog. Aber welche Vergangenheitsform würdest du im inneren Monolog verwenden? 

 

 

 

Das ist glaube ich nicht so einfach. Es gibt durchaus den Unterschied zwischen abgeschlossen und prozessual, abhängig vom Kontext.

 

Stimmt. Aber im Deutschen ist der Unterschied nicht so groß wie im Englischen, man kann beide Zeitformen beinahe synonym gebrauchen, was im Englischen nicht geht. Im Deutschen liegt der Unterschied vor allem darin, dass man das Präteritum eher im Schriftdeutschen gebraucht, das Perfekt eher im gesprochenen Deutsch (Modal- und Hilfsverben bilden eine Ausnahme).

 

Allerdings ist auch das wieder nicht hundertprozentig, sondern hängt vom Kontext ab. Denn tatsächlich hört sich das Präteritum (außer bei den Modal- und Hilfsverben) irgendwie "gehobener" an, manchmal auch gestelzt, so dass man in aufgeschriebener Alltagssprache, zum Beispiel in Romanen, vielleicht doch lieber das Perfekt benutzt. Das hängt auch davon ab, auf welcher sprachlichen Ebene sich der Erzähler selbst befindet.

 

 

Das entspricht dem, was ich gelesen habe. Es lässt sich sehr gut im Dialog nachbilden, aber in der Erzählung selbst, ist das schwieriger, nach meinem Empfinden jedenfalls. Das ist der Punkt, an dem ich ins Schwimmen gekommen bin. 

 

 

Es war Abend gewesen, als ...

Es war Abend, als .... 

 

Da habe ich wiederum gehört, ohne das gewesen ginge es auch, da es im Gebrauch regionale Vorlieben gibt. 

 

Das ist aber jetzt Plusquamperfekt, was man bei Vorvergangenheit gegenüber dem Präteritum benutzt. Um allerdings das Plusquamperfekt nicht seitenweise durchhalten zu müssen, kann man sich in solchen Fällen nach ein paar Sätzen heimlich ins Präteritum schleichen - am besten, indem man eine Konstruktion mit einem Hilfsverb benutzt, das unvermittelt zum Vollverb wird (wie hier "sein" -> "war") oder mit Modalverben (können, müssen, dürfen usw. plus Vollverb).

 

Da habe ich nicht aufgepasst, denn ich wollte "Es ist Abend gewesen" mit "Es war Abend" vergleichen. 

 

Die Konstellation Präteritum / Plusquamperfekt ist mir klar, auch wie man das PP auf längere Strecken vermeidet. Das Problem Präsenz / Perfekt oder Präteritum entsteht eben daraus, dass das Deutsche in der Behandlung der Vergangenheit unpräziser ist als das andere Sprachen handhaben. Meine Mutter war Urmünchnerin, bei ihr gab es das Präteritum eigentlich nur, um den bayrischen Konjunktiv zu bilden. 

Krimis, Liebe und Mehr.

www.ilonaschmidt.com

Translations, Lektorat & Exposé Coaching

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

 

Das ist glaube ich nicht so einfach. Es gibt durchaus den Unterschied zwischen abgeschlossen und prozessual, abhängig vom Kontext.

 

Stimmt. Aber im Deutschen ist der Unterschied nicht so groß wie im Englischen, man kann beide Zeitformen beinahe synonym gebrauchen, was im Englischen nicht geht. Im Deutschen liegt der Unterschied vor allem darin, dass man das Präteritum eher im Schriftdeutschen gebraucht, das Perfekt eher im gesprochenen Deutsch (Modal- und Hilfsverben bilden eine Ausnahme).

 

Allerdings ist auch das wieder nicht hundertprozentig, sondern hängt vom Kontext ab. Denn tatsächlich hört sich das Präteritum (außer bei den Modal- und Hilfsverben) irgendwie "gehobener" an, manchmal auch gestelzt, so dass man in aufgeschriebener Alltagssprache, zum Beispiel in Romanen, vielleicht doch lieber das Perfekt benutzt. Das hängt auch davon ab, auf welcher sprachlichen Ebene sich der Erzähler selbst befindet.

 

sehe ich auch so. Und da dieses hier ein innerer Monolog zu sein scheint, hängt es vom Sprachniveau der Person ab, ob sie mit sich selber eher umgangssprachlich oder sehr gehoben spricht. Ich würde zu Umgangssprache tendieren.

 

Meine Version: „Versuch’s einfach. Stell dir vor, du bist auf Sylt.“ Dort war sie mit ihrem Stiefvater Hajo immer glücklich gewesen. Ganz im Gegensatz zu mir, denn Markus‘ Betrug hatte stand unüberwindlich, wie die Berliner Mauer, zwischen uns gestanden. Irgendwann hatte gab Hajo aufgegeben, reichte die Scheidung eingereicht und ließ sich in eine andere Stadt versetzen. Aus die Maus.

 

Bayerischen Konkunktiv kenne ich leider auch nicht ;)

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Mein Vorschlag wäre eine Mischung, denn wie ich oben schrieb, klingt "ist ... gewesen" nicht so elegant und wird oft mit "war" ersetzt, deshalb würde ich da auf jeden Fall Präteritum benutzen.

 

„Versuch’s einfach. Stell dir vor, du bist auf Sylt.“ Dort war sie mit ihrem Stiefvater Hajo immer glücklich. Ganz im Gegensatz zu mir, denn Markus‘ Betrug hat/stand zwischen uns (gestanden), unüberwindlich, wie die Berliner Mauer. Irgendwann hat Hajo (dann/aber) aufgegeben, die Scheidung eingereicht und sich in eine andere Stadt versetzen lassen. Aus die Maus.

 

Beim zweiten Satz bin ich mir nicht sicher, da passt beides, finde ich. Ich selbst würde dort wahrscheinlich noch Präteritum benutzen, im dritten Satz dann Perfekt. Aber es ist wirklich Geschmackssache. Es hängt ein bisschen vom Ton des gesamten Romans ab, da hier ja der Ich-Erzähler selbst spricht bzw. denkt, und das ist an einer so kurzen Szene wie dieser nicht gut auszumachen. Man merkt oft, dass es doch holpert, wenn man mehrere Seiten einfach runterliest.

Bearbeitet von KerstinH
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Bei einer Rückblende aus dem Präsens mache ich es so:

 

kurze RB (6 bis 8 Zeilen):

Aktuelle Handlung

RB im Perfekt

Aktuelle Handlung

 

lange RB:

Aktuelle Handlung

Beginn der RB

2 bis 3 Sätze im Perfekt

Da das Perfekt schwerer zu lesen ist, wechselt man ins Präteritum

1 bis 2 Sätze im Perfekt (als Signal, das es jetzt zurück geht)

Ende der RB

Aktuelle Handlung

 

Nach einer langen RB verwendet Stephen King zu Beginn der aktuellen Handlung gelegentlich das Signalwort "jetzt"

Es gibt keine Regeln, nur sachkundige Entscheidungen. Und sachkundige Entscheidungen könnt ihr nur treffen, wenn ihr euch sachkundig macht.

Elizabeth George

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Danke euch für die Antworten. Mich stört vielleicht die Anhäufung von 'hat' und manchmal 'íst' bei der Verwendung von Perfekt. 

 

Ich vermute, das wirkt nur komisch auf dich, weil du als Autorin Wortwiederholungen vermeiden möchtest.

Als Hörer oder Leser wird es dir nicht auffallen.

 

Ich habe gerade als Test meine Frau gebeten, kurz zu erzählen, wie sie gestern den Salat zubereitet hat.

"Hm ... Was hab ich gemacht? Ich hab erst den Salat gewaschen, dann hab ich die Blätter abgezupft und hab sie klein geschnitten. Dann hab ich die Tomaten gewaschen ..."

 

Wenn man in der Alltagssprache über Vergangenes aus den letzten Tagen spricht, benutzt man (wenigstens hier im Norden) immer das Perfekt,

Oft sogar, wenn es um Vergangenes vor Jahren geht: Ich bin in Hamburg geboren worden. Da hab ich oft an der Alster gespielt ...

 

In Romanen ist es beim Wechsel aus dem Präsens in Vergangenes (sofern es sich um längere Passagen handelt) allerdings angenehmer zwischendurch vom Perfekt ins Präteritum überzugehen.

 

Es gibt keine Regeln, nur sachkundige Entscheidungen. Und sachkundige Entscheidungen könnt ihr nur treffen, wenn ihr euch sachkundig macht.

Elizabeth George

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

 

 

Das ist glaube ich nicht so einfach. Es gibt durchaus den Unterschied zwischen abgeschlossen und prozessual, abhängig vom Kontext.

 

Stimmt. Aber im Deutschen ist der Unterschied nicht so groß wie im Englischen, man kann beide Zeitformen beinahe synonym gebrauchen, was im Englischen nicht geht. Im Deutschen liegt der Unterschied vor allem darin, dass man das Präteritum eher im Schriftdeutschen gebraucht, das Perfekt eher im gesprochenen Deutsch (Modal- und Hilfsverben bilden eine Ausnahme).

 

Allerdings ist auch das wieder nicht hundertprozentig, sondern hängt vom Kontext ab. Denn tatsächlich hört sich das Präteritum (außer bei den Modal- und Hilfsverben) irgendwie "gehobener" an, manchmal auch gestelzt, so dass man in aufgeschriebener Alltagssprache, zum Beispiel in Romanen, vielleicht doch lieber das Perfekt benutzt. Das hängt auch davon ab, auf welcher sprachlichen Ebene sich der Erzähler selbst befindet.

 

sehe ich auch so. Und da dieses hier ein innerer Monolog zu sein scheint, hängt es vom Sprachniveau der Person ab, ob sie mit sich selber eher umgangssprachlich oder sehr gehoben spricht. Ich würde zu Umgangssprache tendieren.

 

Meine Version: „Versuch’s einfach. Stell dir vor, du bist auf Sylt.“ Dort war sie mit ihrem Stiefvater Hajo immer glücklich gewesen. Ganz im Gegensatz zu mir, denn Markus‘ Betrug hatte stand unüberwindlich, wie die Berliner Mauer, zwischen uns gestanden. Irgendwann hatte gab Hajo aufgegeben, reichte die Scheidung eingereicht und ließ sich in eine andere Stadt versetzen. Aus die Maus.

 

Bayerischen Konkunktiv kenne ich leider auch nicht ;)

 

 

Zur theoretischen Erklärung des Phänomens hätte ich etwas anderes anzubieten, aber als praktische Lösung empfinde ich Ulrikes Lösungsvorschlag als den einzig angemessenen. Die Erklärung meinerseits:

 

Umgangssprache ist etwas, das sich für das Deutsche nur schwer gegenüber der so genannten Hochsprache abgrenzen lässt, in den meisten Fällen überlappen sich beide (in anderen Sprachen, etwa dem Arabischen, sieht das ganz anders aus, da ist diese Unterscheidung fast immer sinnvoll). Es kommt einem vielleicht so vor, als wäre das Präteritum irgendwie "gehobener" als das Perfekt, das ist es aber nicht per se, sondern verdankt sich seiner Funktion: Die besteht in erster Linie darin, Medium für das Erzählen zu sein. Ein Text im Präteritum sendet quasi beständig das Signal aus: Dies ist eine Geschichte, du selber musst jetzt nichts weiter tun als zuzuhören oder zu lesen. Während das Perfekt – morphologisch und funktional mit dem Präsens verschwistert – zuallererst dem oralen Bereich angehört, worin es meist dialogisch zugeht. Ein Text im Präsens wendet sich dem Leser/Hörer ganz anders zu, der brüllt ihn quasi an: Achtung! Ich red mit dir, bleib wach, demnächst musst du womöglich antworten! In der Folge heißt das fürs Erzählen: Das Präteritum hat – alle anderen Umstände beiseite gelassen – einen zurückhaltenden Erzähler, das Präsens einen, der deutlich hörbarer ist.

 

Jetzt hat Ilona hier als Erzähltempus das Präsens gewählt und dazu einen Ich-Erzähler, der teils eine Figur aus der Geschichte ist, teils einfach erzählt (hier an den Stellen, die ihr als inneren Monolog gefasst hat). Diese Kombi – Ich-Erzähler + Erzähltempus Präsens –  hat ihre Tücken, weil beide Größen prinzipiell sehr viel Lautstärke erzeugen. Es kann natürlich gute Gründe für diese Wahl geben, wenn man sich darüber im Klaren ist, erledigen sich manche Probleme sicher schnell von selbst. Wolfgang Herrndorf etwa hat in "Tschick" so einen Erzähler – der spricht manchmal, v.a. zu Beginn des Romans laut und fordernd im Präsens (und präsentiert sich damit selbst als den Jungen, der unbedingt trotzig auftreten will) und wechselt dann, wenn die Geschichte selbst im Vordergrund stehen soll, wie unmerklich ins Präteritum. 

 

Ulrikes Lösung geht in eben diese Richtung: Mit dem Wechsel in den inneren Monolog, ändert sich die Erzählstimme (beim lauten Lesen könnte man das übrigens als ein Relief von lauter und leiser wahrnehmen), und das Erzähltempus träte, wenn die Zeit über die gesprochen wird, dieselbe wäre wie die Erzählzeit, in die sachtere Tonlage des Präteritums. Da aber Vorzeitigkeit vorliegt, kann auf dieses gedachte Präteritum nur das Plusquamperfekt folgen. Ich weiß, es gilt als hässlich (ist es in meinen Augen nicht, nur umständlich, wie alle zusammengesetzten Zeiten), dies ist aber einer der wenigen Fälle, wo die in der Frage der Zeitenabfolge sonst sehr liberale deutsche Grammatik tatsächlich eine solche vorgibt: Text im Präsens + Vorzeitigkeit erfordert für diese Perfekt; beim Präteritum entsprechend Plusquamperfekt.

Bearbeitet von Angelika Jo

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

Alicia jagt eine Mandarinente. dtv premium März 2018. Die Grammatik der Rennpferde. dtv premium Mai 2016

www.angelika-jodl.de

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Und noch rasch zum "bairischen Konjunktiv". Gemeint ist der Konjunktiv II, den wir im Schriftdeutschen für alle Phänomene des Irrealen inclusive höflicher Formulierungen brauchen. Formal leitet er sich ab vom Präteritumstamm der Verben: kam – käme; brachte – brächte; war – wäre etc.

 

In allen oberdeutschen Dialekten ist das Präteritum als solches schon lange (13. Jhdt.) ausgestorben. Die Baiern, Österreicher, Schweizer, Schwaben etc. haben daher für das Reden in der Vergangenheitsform sowieso nur ein Tempus, nämlich das Perfekt (dies ist übrigens einer der Gründe, warum Texte im Präsens/Perfekt so stark gesprochen klingen und die Idee von "Umgangssprache" aufkommt). Nur im Irrealis – da brauchen sie dann doch den alten, angestammten Konjunktiv II und mit ihm spitzt das Präteritum durch eine Lücke, als ob gar nichts passiert wäre: 

 

"I kamad heit aaf'd Nacht vorbei, wanns recht waar."

"Gaabad's no wos vom Kaffä?"

 

In unserer Familie gab es den Plapperspruch: "Wamma Heena hättn, gogatzatns."

Bearbeitet von Angelika Jo

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

Alicia jagt eine Mandarinente. dtv premium März 2018. Die Grammatik der Rennpferde. dtv premium Mai 2016

www.angelika-jodl.de

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Wenn wir Hühner hätten, gackerten sie.

 

gackern ist ein schwaches Verb, von daher sieht man ihm die Form des Konjunktiv II nicht an, jeder vernünftige deutsche Sprecher würde also (wenn er überhaupt so einen Satz von sich geben möchte) ausweichen in die Ersatzform:

 

Wenn wir Hühner hätten, würden sie gackern.

 

Und entsprechend der Bayer: Wamma Heena hättn, taatns gogatzn.

 

Aber dann klingt es halt einfacher und man kann sich nicht mehr darüber amüsieren, wenn die, die das nachsprechen, sich die Zunge zerbrechen.

Bearbeitet von Angelika Jo

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

Alicia jagt eine Mandarinente. dtv premium März 2018. Die Grammatik der Rennpferde. dtv premium Mai 2016

www.angelika-jodl.de

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Er hat gegessen und keinen Hunger mehr.

 

 

 

"Haben" kann nicht die doppelte Funktion eines Hilfs- und Vollverbs einnehmen.

Eine in meinen Augen schöne Art, Hilfsverben in Verbletztstellung zu vermeiden, sind afinite Konstruktionen. Zu modernen Texten passen sie wohl freilich weniger.

Bearbeitet von JulianV
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

 

 

Das ist glaube ich nicht so einfach. Es gibt durchaus den Unterschied zwischen abgeschlossen und prozessual, abhängig vom Kontext.

 

Stimmt. Aber im Deutschen ist der Unterschied nicht so groß wie im Englischen, man kann beide Zeitformen beinahe synonym gebrauchen, was im Englischen nicht geht. Im Deutschen liegt der Unterschied vor allem darin, dass man das Präteritum eher im Schriftdeutschen gebraucht, das Perfekt eher im gesprochenen Deutsch (Modal- und Hilfsverben bilden eine Ausnahme).

 

Allerdings ist auch das wieder nicht hundertprozentig, sondern hängt vom Kontext ab. Denn tatsächlich hört sich das Präteritum (außer bei den Modal- und Hilfsverben) irgendwie "gehobener" an, manchmal auch gestelzt, so dass man in aufgeschriebener Alltagssprache, zum Beispiel in Romanen, vielleicht doch lieber das Perfekt benutzt. Das hängt auch davon ab, auf welcher sprachlichen Ebene sich der Erzähler selbst befindet.

 

sehe ich auch so. Und da dieses hier ein innerer Monolog zu sein scheint, hängt es vom Sprachniveau der Person ab, ob sie mit sich selber eher umgangssprachlich oder sehr gehoben spricht. Ich würde zu Umgangssprache tendieren.

 

Meine Version: „Versuch’s einfach. Stell dir vor, du bist auf Sylt.“ Dort war sie mit ihrem Stiefvater Hajo immer glücklich gewesen. Ganz im Gegensatz zu mir, denn Markus‘ Betrug hatte stand unüberwindlich, wie die Berliner Mauer, zwischen uns gestanden. Irgendwann hatte gab Hajo aufgegeben, reichte die Scheidung eingereicht und ließ sich in eine andere Stadt versetzen. Aus die Maus.

 

Spontan hätte ich ebenso wie Ulrike entschieden. Vielleicht mit einer kleinen Änderung:

„Versuch’s einfach. Stell dir vor, du bist auf Sylt.“ Dort war sie mit ihrem Stiefvater Hajo immer glücklich gewesen. Ganz im Gegensatz zu mir, denn Markus‘ Betrug hatte stand unüberwindlich, wie die Berliner Mauer, zwischen uns gestanden. Irgendwann hatte gab Hajo aufgegebenreichte die Scheidung eingereicht und ließ sich in eine andere Stadt versetzen lassen. Aus die Maus.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Bitte melde Dich an, um einen Kommentar abzugeben

Du kannst nach der Anmeldung einen Kommentar hinterlassen



Jetzt anmelden


×
×
  • Neu erstellen...