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(Huutini)

Todesmarsch

Empfohlene Beiträge

So, von mir heute mal eines meines Lieblingsbücher:

 

"Todesmarsch" von Richard Bachmann.

 

Bachmann ist, bekanntermaßen, ein anderes Pseudonym von Stephen King, und wer weiß, vielleicht ja sogar sein richtiger Name. Sein Stil ist allerdings tatsächlich ein wenig eigen und anders als Kings Schreibe, obwohl man, wenn man es weiß, Ähnlichkeiten entdecken kann.

Unter dem Namen Bachmann hat King bis dato sechs Bücher veröffentlicht, das vermutlich bekannteste ist "Menschenjagd", das, unter seinem Originaltitel "Running Man" sogar mit Äktschn Arnie, stark verfremdet, verfilmt worden ist.

 

Aber in meinen Augen das beste ist 'Todesmarsch', noch dazu ist es eines meiner liebsten, weil mir kaum ein anderes Buch ein so intensives Lesegefühl gegeben hat, als ich noch Teenager war, und ich es viele Jahre lang jedes Jahr einmal, meist Ende März, wenn es warm wurde, erneut gelesen habe. "Todesmarsch" wurde dieses Jahr neu aufgelegt, wen auch leider, möchte ich fast sagen, unter dem Namen 'Stephen King', was aber vielleicht für eine weitere Verbreitung sorgt! Zu gönnen wäre es dem Buch.

 

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Inhalt:

"Todesmarsch" geht von einer der perfidesten Grundideen aus, der ich jemals begegnet bin. Die Geschichte folgt dem Jungen Garraty, 16 Jahre alt, der in einem nicht allzuweit in der Zukunft liegenden Amerika lebt, das von einem, mich an Castro erinnernden Diktator beherrscht wird.

Einmal im Jahr findet im Nordosten des Landes ein sportliches Großereignis, nämlich ein Marschwettbewerb statt. Exakt Einhundert Jugendliche, die sich allesamt freiwllig gemeldet haben, und eine vielzahl Tests durchlaufen, starten an der Kanadischen Grenze zu einer landesweit mit Spannung verfolgten Wanderung gen Süden. Dem Gewinner winkt als Preis alles, was er sich wünscht, es sind ihm da keinerlei Grenzen auferlegt. (Genau erläutert wird das nie).

Die Regeln sind einfach: Die Jugendlichen werden von einem kleinen Trupp Soldaten begleitet, und müssen eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 4 M/ph durchhalten. Fallen sie darunter, oder verlassen sie die Straße, werden sie verwarnt. Nach der dritten Verwarnung werden sie ohne weitere Umschweife von den Soldaten hingerichtet, Gewinner des Marsches ist der Jugendliche, der als letztes am Leben ist, nachdem 99 gestorben sind.

 

Kritik:

Mich hat das Buch stets fasziniert, da es mich als Leser durch eine physische und psychische Tour de Force geschickt hat, die mich nachhaltig beeindruckt.

Bachmann (Sein Stil erlaubt es in meinen Augen tatsächlich, ihm einen eigenen Namen zu geben, und von Stephen King zu trennen) bleibt zu jeder Zeit des Buches nicht nur so nah dran an Garraty, wie man es sich nur vorstellen kann, sondern auch gnadenlos konsequent.

Beinahe habe ich gemeint, neben Garraty auf der Straße zu sein, mich mit jedem Tag und jedem Schritt, der vergeht, weiter in Schmerz und Angst zu verlieren und immer auf der Suche nach einem Ausweg aus der Lage zu sein.

Das Bachmann so konsequent bleibt, macht den Charme des Buches aus. Er lässt, sowohl seine Charaktere, als auch den Leser, alle Stufen an Emotionen durchleiden. Nimmt man das ganze zuerst als coole Idee und ein großes Abenteuer, erkennt der Leser gemeinsam mit Garraty schon nach den ersten Toten den Ernst der Lage. Garraty flucht und hadert, und doch ist da niemand, dem man die Schuld geben kann. Die Jugendlichen haben sich selbst, sehenden Auges in ihre Situation gebracht, ähnlich wie der Leser auch.

Mir ging es so, dass ich mich stets gequält gefühlt habe, weil, so wie Garraty auf dem Marsch Freunde findet, man selber andere Teilnehmer findet, die man gerne mag, und deren Tod einen irgendwie berührt.

Auch gibt es natürlich einige bösartige Charaktere, welche die Situation verschärfen, doch ähnlich wie Garraty ist es einem als Leser doch kein Trost, wenn auch die schließlich sterben.

 

In der Handlung kommen drei Sorten von Menschen vor: Die Jugendlichen, die leiden und sich wünschten, sie wären nicht in diese Situation gekommen, die leblosen, gefühlstoten Soldaten, denen Bachmann jedwede Regung nimmt, und das Publikum am Straßenrand, das frenetisch feiert und jubelt und die Sensationsgier zelebriert. Bachmann zwingt den Leser förmlich, eine dieser drei Haltungen einzunehmen: Man kann sich mit den Jugendlichen verbrüdern, was aber auch bedeutet, mit ihnen zu leiden, man kann dem ganzen so neutral und objektiv gegenüberstehen wie die Soldaten (Es ist doch schließlich nur ein Buch!) oder man kann sich auf die Seite des Publikums stellen und einfach die Show genießen.

Ich glaube aber, dass Bachmann jedes Register zieht, den Leser auf die Seite der Marschierenden zu ziehen, und ihm gelingt das ganz wunderbar. Schnell fragt man sich: Wie würde ich reagieren? Würde ich weiterlaufen, obwohl ich nicht mehr kann? Würde ich stehenbleiben, um einem Freund einige weitere Meilen zu schenken?

Es ist die Frage, wie weit man gehen würde, um zu leben, wenn man niemanden hat, dem man die Schuld geben kann, die Bachmann aufwirft.

 

Das Buch wird, denke ich, auf Jugendliche eine wesentlich größere Wirkung ausüben als auf Erwachsene, aber ich finde die Leistung, die Bachmann bringt trotz allem hervorragend: Wie kaum ein anderes Buch, das ich kenne, steckt man als Leser hier in der Psyche des Erzählers, denkt wie er, fühlt wie er. Man ist des Laufens müde, man ist es müde, den anderen beim sterben zuzuschauen, und im gleichen Maße wie Garraty abstumpft, stumpfen auch der leser, und auch der Erzählstil ab. Wird zu Beginn noch jeder Tod minutiös in Zeitlupe dargestellt, beschränkt sich Garratys Feststellung später auf ein lapidares: In dieser Nacht starben fünf o.ä.

 

Und man liebt und hasst Bachmann gleichermaßen für seine Gnadenlosigkeit. Denn so sehr man mit den Jugendlichen hofft und bangt, nach einem Ausweg sucht und sich wünscht, es gäbe eine gute, eine friedliche Lösung: Es kommt nur einer durch - und 99 sterben.

 

Fazit:

Das Buch ist in Bachmanns typischem Stil geschrieben, der so schwer festzunageln ist wie Kings. Ich finde ihn packend, er reißt einen in die Mitte hinein, ins Geschehen, und ich finde schade, dass das Buch ein ziemliches Schattendasein führt. Ich habe niemals zuvor oder danach ein so packendes Werk gelesen, dass sich so konsequent und gemein mit dem Wanken zwischen dem Wunsch zu sterben, und purem Überlebenswillen bewegt. Ich finde, es ist ein unbequemes Buch, eben WEIL es weder dem Leser noch seinen Figuren eine Hintertür gönnt. Keiner kann sich der Thematik und den Erlebnissen entziehen, kann sich rausreden oder anderswie ausweichen, bis zur bitteren Neige wird man mitgeschleppt und muss sich mit dem abfinden, was die Geschichte für einen parat hat, und man bleibt entweder auf der Strecke, oder kommt als einziger durch.

 

Es ist kein Buch, das man gelesen haben MUSS, aber wer psychologische Romane mag, und sich nicht an ein wenig U-Literatur stört, DARF es ruhigen Gewissens lesen.

Ausserdem ist es wohl das einzige Buch, bei dem mir am Ende jemals die Tränen gekommen sind! ;D

Aber da war ich auch noch Vierzehn! ;)

 

Lieben Gruß,

Marco! :s17

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Das Buch wird, denke ich, auf Jugendliche eine wesentlich größere Wirkung ausüben als auf Erwachsene

...

Aber da war ich auch noch Vierzehn! ;)

Ich war - keine Ahnung, aber auf alle Fälle diesseits der Dreißig. Mein Gedächtnis ist nicht das beste, aber das Buch habe ich nie vergessen und sehr oft empfohlen. Es ist schlicht und einfach spannend. Und hat ein verdammt heftiges Ende.

 

LG

Uschi

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Habs mir gekauft.Ist echt gut.

 

Edit: Habe es jetzt durchgelesen. Der Anfang war ja noch spannend, weil alles neu war für mich als Leserin. Zum Ende hin fand ich es nicht mehr so gut. Vieles wiederholte sich. Auch schreibtechnisch finde ich es nicht so sehr gut.

 

Frei wiedergegeben ( habe das Buch gerade nicht zur Hand ):

Der Junge gab dem Soldaten seinen Ausweis. Der Soldat steckte den Ausweis in einen Computer. Der Computer zeigte ... am Bildschirm an. Der Soldat winkte sie durch.

 

Mein Freund wollte, dass ich ihm aus dem Buch etwas vorlese und dabei ist mir das extrem aufgefallen.

 

Hat das jemand noch so empfunden?

 

Lena

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Rainer Innreiter

"Todesmarsch" ist als Allegorie auf das Leben selbst: Einer nach dem anderen stirbt, ohne Gnade, ohne Ausnahme, während die meisten Zuschauer unbeteiligt das Treiben verfolgen. Die Hand des Majors auf Rays Schultern am Schluss, ist sozusagen die Hand des Todes die auf ihm ruht.

Auch wenn die Logik zuweilen aussetzt (wer kann mehrere Tage am Stück laufen? Wie kann man unterm Laufen schlafen?), fesselt die innere Spannung des Romans mehr als die Erwartungshaltung des Lesers ("Huh! Wer wird wohl gewinnen?") und ergibt somit ein Buch zum immer wieder lesen.

Ach ja: Obligatorisch wird das am. "billion" mit "Billion" übersetzt. ;)

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"Todesmarsch" ist  als Allegorie auf das Leben selbst: Einer nach dem anderen stirbt' date=' ohne Gnade, ohne Ausnahme, während die meisten Zuschauer unbeteiligt das Treiben verfolgen. Die Hand des Majors auf Rays Schultern am Schluss, ist sozusagen die Hand des Todes die auf ihm ruht.[/quote']

 

Ach herrje, ob ich das so interpretieren würde?! Ich meine, es IST eine Möglichkeit, es so zu sehen.

 

Wir hatten es mal in der Schule besprochen, ist aber 15 Jahre her, und ich kann mich nicht erinnern, nur SO hatten wir es zumindest nicht interpretiert. Ich würde es viel eher als Medienkritik betrachten, als Kritik daran, dass Menschen sich selbst stets am nächsten sind, und die anderen sie nicht interessieren. Vor allem, weil das immer wiederkehrende Themen bei Bachmann sind.

 

Ach ja: Obligatorisch wird das am. "billion" mit "Billion" übersetzt. ;)

 

Hmm, das versteh ich nicht?! Was hat das mit dem Buch zu tun? KOmmt das da vor?

 

Aber du hast recht, tatsächlich kann man es, obwohl man weiß, wie es ausgeht, immer wieder lesen und hofft immer wieder, dass es anders endet.

 

Zum Ende hin fand ich es nicht mehr so gut. Vieles wiederholte sich. Auch schreibtechnisch finde ich es nicht so sehr gut.

Echt? Was wiederholte sich denn?

 

Ansonsten: Den Stil find ich nicht so schlim, besonders gegen Anfang nicht. Ich finde, das sich im Stil vieles von Garratys Zustand wiederfindet. Die Müdigkeit, die Hektik, die Anspannung, je nachdem.

Allerdings ist es wohl neu übersetzt worden, bevor es unter dem Namen Stephen King rauskam, vielelicht haben die ja was geändert?! Muss ich mal nachprüfen...

 

Lieben Gruß,

Marco! :s17

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Hallo,

ich hab diesen Thread erst jetzt entdeckt.

Das Buch ist eines der grausligsten, das ich je gelesen habe.

Ich meine grauslig nicht im Sinne von schlecht, unrealistisch, unausgewogen, sondern im Sinne von packendem Psychoterror, der mich so gestresst hat, dass ich ab der Hälfte des Buches immer wieder Seiten überspringen musste.

Das Wissen, dass von all den Jungs am Schluss nur einer übrigbleiben wird, war für mich fast schon zu viel.

Wie ein übelst brutaler und grusliger Film, bei dem ich die Hälfte der Szenen nur höre, da ich die Augen fest zugedrückt halte, um meinen Seelenfrieden zu bewahren... aber trotzdem nicht geh, da er einfach zu gut ist.

Vielleicht war ich auch einfach zu jung um mir Gedanken über Allegorien und Metaphern zu machen.

 

Liebe Grüße

Chrissi

Bei Droemer Knaur im März 2012:  Mondherz &&Meine neue Website

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Entsetzt hat mich folgender Gedanke, als ich das Buch zum ersten mal gelesen hatte:

 

Wie hoffnungslos muss jemand sein, um überhaupt an so einem Rennen teilzunehmen? Es muss doch eine Welt sein ohne Perspektiven für junge Leute.

 

:o

 

Letztes Jahr habe ich das Buch (nach zwanzig Jahren?) nochmals ausgegraben und musste feststellen, dass sich die Gesellschaft zwischenzeitlich so entwickelt hat, dass der "Todesmarsch" wahrscheinlicher geworden ist.

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