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(Danielle)

Physiognomik - Die Nase des Charakters

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Hallo tippende Gemeinschaft!

 

Mich würde mal interessieren, ob ihr euch in euren schriftlichen Werken auch mit der Physiognomik und Physiognomie beschäftigt.

 

Glaubt ihr daran (untermauert ihr es), dass aus dem Äußeren des Körpers, besonders des Gesichts (Physiognomie), auf die seelischen Eigenschaften eines Menschen geschlossen werden kann?

 

Neugierig (wie immer),

 

Danielle

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(Peter_Dobrovka)

Mit der Physiognomie schon.

Mit Gnomiken aller Art: nein. Gibt es das Wort überhaupt? Ich dachte, das heißt Phrenologie.

Auf jeden Fall: Ich beschreib meine Figuren punktuell detailliert, d.h. einer hat ne Halbglatze, der andere ne große Nase, aber bis zu einem polizeilichen Steckbrief artet es nicht aus, so daß im Falle einer Verfilmung das Casting nicht allzu sehr eingeengt ist. ;)

Aber auf seelische Eigenschaften schließen - nee, daran glaub ich nicht. Auch wenn man damit von Kindesbeinen an aufwächst, die Guten von den Bösen schon am Gesichtsausdruck unterscheiden zu können.

Kleidung und Stil, ja. Die sagen zumindest ETWAS aus. Aber auch viel weniger, als man das glauben mag.

 

Peter

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Hallo PeterD.!

 

Doch die gibt es; als Physiognomik bezeichnet man die Kunst, aus dem Äußeren des Körpers, besonders des Gesichts (Physiognomie), auf die seelischen Eigenschaften eines Menschen zu schließen.

 

Phrenologie: Lehre, die einen Zusammenhang zwischen Schädel- und Gehirnform einerseits und Charakter und Geistesgaben andererseits herstellt.

 

Ich bin der Meinung, dass man schon am Äußeren einer Person feststellen kann, was sie für einen Charakter hat. Allerdings würde ich dies auch nicht an Details festmachen, sondern am Gesamt-Erscheinungsbild. Im weitesten Sinne würde ich zu seiner körperlichen Erscheinung und seiner Mimik und Gestik auch noch Aspekte wie die Art seiner Kleidung, Möbel und Aussehen seiner Wohnung mit einbeziehen.

 

Dann müsste man doch schon beinahe eine dreidimensionle Figur erschaffen haben - wenn sie denn denkt und atmet. ;)

 

Danielle

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Physiognomik.... Gibt es das Wort überhaupt? Ich dachte, das heißt Phrenologie

 

Gibt's schon. Lavater schrieb 1772 sein Buch "Von der Physiognomik", aber schon die alten Griechen haben sich damit beschäftigt.

 

Jedenfalls meint man, von der Erscheinung, vor allem dem Gesicht eines Menschen, auf dessen Charakter schließen zu können.

 

Die Phrenologie meint, das gleiche aus der Schädelform schließen zu können.

 

Gruß

Jan Oberlehrer ;D

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Hallo Jan!

 

Du hast es wie immer auf den Punkt gebracht.

 

Damit hier kein falscher Eindruck (von mir) entsteht: Ich distanziere mich explizit von Lombrosos rassistischen Hypothesen und anderen von Nationalsozialisten genutzen Rassetheorien!

 

Mir leuchtet nur ein, dass - im realen wie auch im rein theoretischen Leben - die Seele sich im Phänotypischen manifestiert.

 

Danielle

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Hallo Danielle,

 

es ist richtig, dass man z.B. Depressionen an den Pupillen und beschränkten Körpersignalen fest machen kann.

Ansonsten halte ich die Physiogomik jedoch eher für falsch- obwohl sie ständig verwendet wird. Die Haare werden genau wie die Augenfarbe verwendet um zu Charakterisieren, oft auch andere Körpermerkmale.

 

Gruss

 

Bluomo

"Als meine Augen alles // gesehen hatten // kehrten sie zurück // zur weißen Chrysantheme". Matsuo Basho

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(Peter_Dobrovka)

Z.B. die sprichwörtliche Dummheit blonder Frauen ...

 

@Jan: Danke für die Aufklärung.

 

Daß man das komplette Umfeld einer Person braucht, um auf ihren Charakter schließen zu können, sehe ich auch so.

 

Umgekehrt bedeutet es für mich, daß man nur auf offensichtliche Dinge schließen kann. Z.B. wenn man im Bücherregal von jemand viele SF-Romane vorfindet, daß dieser viel SF liest.

Kriegt man sein Bücherregal nicht zu sehen, wird man nicht mal wissen, ob er überhaupt was liest. - Jedenfalls nicht aus seiner äußeren Erscheinung.

 

Peter

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Hallo PeterD.!

 

Ich glaube, bei dem/ den Sprichwort/ -wörtern mit den dummen, blonden Frauen haben wohl einige Damen das Klischee bewusst geprägt. Spontan fällt mir da Marilyn Monroe ein. Oder Doris Day. Wobei erste ja gar nicht naturblond war. Bei der zweiten bin ich mir nicht sicher. Menschen nehmen gerne Klischees an, habe ich das Gefühl. Vor allem, wenn sie sich in ihrer Meinung durch irgend etwas bestätigt fühlen.

 

Aber ich möchte gar nicht von Klischee sprechen, und auch nicht von Büchern. ;)

 

Nehmen wir einen Menschen, der Zeit seines Lebens eine eher kritische und negative Einstellung zum Leben hat. Sollte sich da nicht, wenn er 80 Jahre alt ist, eben diese Einstellung auch in seinem Gesicht widerspiegeln? Hat er nicht vielleicht Sorgenfalten und herabhängende Mundwinkel oder was auch immer?

 

Oder jemand, der von seinem Grundprinzip her chaotisch ist. Könnte diese Person eine akribisch aufgeräumte Wohnung haben und immer glatt gestriegelt daherkommen? Wenn er keine äußeren Einflüsse wie eine strikte Ehefrau hat oder eine gewissenhafte Putzfrau, dann würde ich das verneinen.

 

Hallo Bluomo!

 

Ich denke nicht, dass Haar- und Augenfarbe charakterisieren lassen. Aber möglicherweise Augenringe, zerzaustes Haar, strenger Zopf, wulstige Schlupflider, Falten, glänzende Augen, trübe Augen, etc.

 

Grüße an euch,

 

Danielle

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Hallo Danielle,

 

die Falten fallen für mich nicht unter nur begrenzt unter dein Thema. Denn man kann an den Falten ansehen, ob jemand eher ein glücklicher oder unglücklicher Mensch war. Und Falten sind nicht immer da.

 

Physiognomie ist die Lehre vom Körper auf die Seele zu schließen. Also z.B. an der Form des Schädels zu erkennen ob jemand aggressiv ist, je nach Haltung z.B. zu erkennen ob jemand Choleriken, oder Depressiver ist.

In einem gewissen Rahmen lässt sich die Stimmung einer Person in der Situation über Körpersprache erkennen, manchmal erkennt man auch gewisse Charakterzüge oder glaubt dies zu erkennen.

 

Aber Physiognomie geht von einem anderen Standpunkt aus. Sie geht von messbaren Ergebnissen (Vermessungsstudien) aus, aus denen Schlüsse gezogen werden.

Jemand mit dem messbaren Signal- ist immer genau so. Der Mensch ist also vollständig über die Physiognomie zu erschließen. (Also gibt es schlüssigerweise auch Kennzeichen für Verbrecher, Mörder usw..)

Und da bin ich schon längst ausgestiegen.

 

Gruss

 

Bluomo

"Als meine Augen alles // gesehen hatten // kehrten sie zurück // zur weißen Chrysantheme". Matsuo Basho

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Hallo Bluomo!

 

Ich glaube, wir sollten - zum besseren Verständnis - nochmal die einzelnen Bestandteile differenzieren. Nicht, dass wir uns am Ende noch falsch verstehen.

 

Wenn du von der Form des Schädels sprichst, durch die auf Charakterzüge geschlossen werden soll, sprichst du von Phrenologie.

 

Wenn du von Falten sprichst, befinden wir uns in der Physiognomie - darunter wird all das verstanden, was vom Kommunikationsverhalten unbeeinflusst bleibt - die Länge der Nase, Falten, Lage der Ohren etc.

 

Als Physiognomik bezeichnet man die Kunst, aus dem Äußeren des Körpers, besonders des Gesichts (Physiognomie), auf die seelischen Eigenschaften eines Menschen zu schließen.

 

Im Gegensatz zur Physiognomik steht die Pathognomik, die Kunst, aus den Gesichtszügen als stehend gewordenem Ausdruck von Gefühlen, Affekten, Neigungen und Gewohnheit den Charakter zu lesen.

 

Aber ich weiß schon, dass ich mich hier auf sehr dünnem Eis bewege; der Physiognomik wird nämlich überwiegend vorgeworfen, dass mit wissenschaftlicher Methodik keine Gültigkeit nachzuweisen sei und sie mehr zur Bildung von Vorurteilen beitrage als zur tatsächlichen Menschenkenntnis.

 

Doch wie geschieht es in einem Roman, wenn eine Figur beschrieben wird? Wieso wird sie beschrieben? Wieso sieht sie SO und nicht anders aus?

Geben wir unseren Vorurteilen vielleicht nur Gesichter? Oder ist es doch mehr...

 

Gruß,

Danielle

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(Peter_Dobrovka)

Tja ...

Warum beschreiben wir überhaupt etwas in einem Roman? Wirklich immer nur, weil es für das Verständnis der Handlung erforderlich ist?

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Vorsicht bei solchen Beschreibungen. Sind sie allzu ausführlich, langweilen sie mich als Leser; sind sie allzu klischeehaft, fühle ich mich an Heftromane erinnert, bei denen "die Guten" immer attraktiv, "die Bösen" immer häßlich sein müssen.

 

Deshalb lieber nur homöopathisch dosiert verwenden.

 

Gruß

Jan

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Hallo Danielle,

von Phrenologie halte ich aus den Gründen, die bereits anklangen, gar nichts, weil auf diesen Grundlagen nicht nur die Nazis, sondern Rassisten aller Welt argumentieren und die Grundlagen absolut zweifelhaft sind. Sie für Bücher benutzen? Indem du den Fiesling groß, blond, blauäugig und kaukasisch machst? :s22

 

Ich ganz persönlich halte auch die Physiogno-Dingense für unbrauchbar für mich, weil eines meiner Hauptbestreben im Schreiben ist, den Menschen aus Schubladen, Normen und Typisierungen zu befreien. Ich habe auch zu viele Menschen im Leben gesehen, die anders sind. Ich kenne fröhlich lachende Depressive und ich habe zarte, durchgeistigte Gestalten gesehen, die Morde begingen.

 

Aber klar doch beschreibe ich Äußeres von Personen! Warum? Wieso? Das ist oft ein Mischmasch. Mein neuer Roman beginnt (wahrscheinlich) mit den knallroten Haaren der Protagonistin. Nicht weil es wichtig ist, welche Haarfarbe einer hat, sondern weil sie dadurch in ihrer Generation prägende Erlebnisse hinter sich hat. Ich glaube, in meinem ersten Roman wird die Haarfarbe der Protgonistin nie erwähnt (?).

 

Dann gibt es die Kurzcharakterisierungen von Nebenfiguren... wenn einer nicht einfach nur hängende Mundwinkel hat, sondern Falten, die zeigen, dass er sie immer abschätzig nach unten zieht. Wenn einer jemanden anlacht, aber die Augen dabei nicht strahlen, unbeteiligt bleiben. Wenn jemand sich im Gespräch ständig selbst streichelt. Solche Sachen sind mir recht wichtig, aber sie sind nicht wissenschaftlich messbar ins Äußere eingegraben, eher Angewohnheiten, Folgen... Alleine stehend sagen sie auch nichts über den Charakter aus - erst im Zusammenhang. Der mit den Augen könte Drogensüchtiger sein, ein Überschüchterner, ein emotional Kalter, ein Frauenhasser etc. pp. Das Äußere alleine sagt nicht viel aus.

 

Und dann gibt's noch den Spaßfaktor. Männer, in die sich jemand verliebt im Roman, müssen natürlich zuerst mal mir gefallen. Ich muss ja monatelang mit denen leben ;-)

 

Schöne Grüße,

Petra

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Deshalb lieber nur homöopathisch dosiert verwenden.

Jan,

da sagst du was Wahres! Am schlimmsten ist der Spiegeltrick "Sie sah den Glanz ihrer honigblonden Locken und freute sich über das Grübchen in ihren Mundwinkeln. Die Strahlkraft ihrer veilchenblauen seidig bewimperten Augen hatte nicht nachgelassen." :s22

 

Ich troll mich jetzt aber... ich hab den Spiegeltrick selbst verwendet... und meine Protagonistin sieht darin Canyons... ;-)

 

Schöne Grüße,

Petra

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"Scarlett O`Hara war nicht eigentlich schon zu nennen. Wenn aber Männer in ihren Bann gerieten, wie jetzt die Zwillinge Tarleton, so wurden sie dessen meist nicht gewahr. Allzu unvermittelt zeichneten sich in ihrem Gesicht die zarten Züge ihrer Mutter, einer Aristokratin aus französischem Geblüt, neben den derben Linien ihres urwüchsigen irischen Vaters ab. Dieses Antlitz mit dem spitzen Kinn und den starken Kiefern machte stutzen. Zwischen den strahlenförmigen schwarzen Wimpern prangte ein Paar blaßgrüner Augen ohne eine Spur von Braun. Die äußeren Winkel zogen sich ein klein wenig in die Höhe, und auch die dichten, schwarzen Brauen darüber verliefen in einer scharf nach oben gezogenen, schrägen Linie von jener magnolienweißen Haut, die in den Südstaaten so geschätzt und von den Frauen Geogias mit Häubchen, Schleiern und Handschuhen ängstlich vor der sengenden Sonne geschützt wird." (M. Mitchell, Vom Winde verweht)

 

"... Der eine von ihnen war kleiner Statur, etwa siebenundzwanzig Jahre alt und hatte krauses, fast schwarzes Haar und kleine, graue, aber feurige Augen. Seine Nase war breit und plattgedrückt, die Backenknochen traten hervor; die schmalen Lippen verzogen sich fortwährend zu eunem dreisten, spöttischen und sogar boshaften Lächeln, aber seine Stirn war hoch und gut geformt und verschönte den unvornehm geschnittenen unteren Teil des Gesichts. Besonders auffälig war an diesem Gesicht seine Totenblässe, die der ganzen Physiognomie des jungen Mannes trotz seiner ziemlich kräftigen Konstitution den Anschein einer qualvollen Leidenschaftlichkeit verlieh, die mit seinem frechen, unhöflichen Lächeln und seinen scharfen, selbstzufriedenen Blick nicht recht im Einklang stand. (F.M. Dostojewski, Der Idiot)

 

Jetzt habe ich doch tatsächlich noch einen Text gefunden, in dem von diesem fiesen Ph.-Wort die Rede ist. Wirklich Zufall!

 

Sei es drum, hier wird beschrieben was die Romanseite hergibt (nicht negativ gemeint! Wie könnte ICH kleines Licht mich messen!!!). Und zumindest Frau Mitchell und Herr Dostojewski schienen daran zu glauben, dass der Charakter Haut und Haare hat.

 

Ich fand deine Aussagen, Petra, sehr sinnvoll. Man sollte sich drum bemühen, Stereotypen aufzuknacken und Neues draus zu basteln.

 

Danielle

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Mit Verlaub, bei den beiden zitierten Beispielen kräuseln sich mir die Fußnägel hoch.

 

Natürlich hat man als Autor eine gewisse Vorstellung von seinen Protagonisten, aber ich zum Beispiel könnte ehrlich gesagt von ihnen nicht einmal ein Phantombild anfertigen lassen. Ich könnte höchstens ein paar Schauspieler nennen, die meiner Meinung nach passen könnten.

 

Das Aussehen eines Charakters ist für mich nur insofern von Belang, als es für die Geschichte eine Rolle spielt: ist sie hübsch, ist sie hässlich, streicht sie sich die langen Harre häufig kokett beiseite, zieht er sich seine Brille nach unten auf die Nasenspitzen, streicht er sich über seine Glatze, hat er einen stechenden Blick, etc.

Das bedeutet: Insofern äußerliche Eigenschaften oder Eigenarten zu Bewegung, zu Repräsentanten von Gemütszuständen oder Situationen macht ist es sinnvoll.

Aber alles, was weiter ins Detail geht oder - schlimmer noch - auf klischeehaften Allgemeinplätzen beruht, scheint mir wenig sinnvoll. Warum beschreiben, dass er eine Hakennase hat? Ist das relevant? Wofür? Weil ich als Autor damit (aus welchen fragwürdigen Gründen auch immer) einen bestimmten Charakterzug verbinde und hoffe, dass die Leser das auch tun? Glatteis. Spitzes Kinn, starker Kiefer ??? Die Totenblässe den Anschein einer qualvollen Leidenschaft erweckend ??? Tut mir leid, das ist nicht meine Welt.

Ich überlasse derlei Charakterisierungen entweder den Handlungen der Personen (show don't tell) oder der freien Phantasie der Leser.

 

Andreas

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Ich überlasse derlei Charakterisierungen entweder den Handlungen der Personen (show don't tell) oder der freien Phantasie der Leser.

Hallo, Andreas,

 

Es geht weniger um Charakterisierungen - die kann man mit der Handlung zeigen, sondern schlicht und ergreifend um die reine Beschreibung der Person. Viele Leser wollen es einfach wissen, ob 'er' blond ist oder brünett ist usw.

Gheron und ich haben schon öfter solche Beschreibungen auf Anmahnung unserer Lektorinnen nachträglich einarbeiten müssen - und da die Person sich ja nicht selbst sieht, hatten wir das Problem, sie aus der Position eines Mitspielers heraus zu zeigen.

 

Gruß Sysai

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Es geht weniger um Charakterisierungen - die kann man mit der Handlung zeigen, sondern schlicht und ergreifend um die reine Beschreibung der Person.

In den obigen Beispielen waren es aber eindeutig Beschreibungen, die als Charakterisierungsersatz dienen sollten. Das ist es, was ich bemängle. Allgemeine Beschreibungen des Aussehens sind ok schätze ich, wenngleich für weibliche Leser wahrscheinlich wichtiger als für männliche Leser.

 

Andreas

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Allgemeine Beschreibungen des Aussehens sind ok schätze ich' date=' wenngleich für weibliche Leser wahrscheinlich wichtiger als für männliche Leser.[/quote']

Andreas, tu mir das nicht an, die Schublade hatten wir doch schon mal...  :s07

Es kommt aufs Genre an und auf die Phantasiebereitschaft der Leser! Und es kommt auf Zeitmoden an... denn so wie Mitchell oder Dostojewski dürfte heute kaum einer schreiben. Dagegen sind im Trivialbereich gerade die Klischees im Aussehen gefragt.

Übrigens lese ich gerade den neuen Eco, der beobachtet wie mit der Lupe... von wegen typisch weibliche und männliche Vorlieben... :s16

 

Es gibt übrigens im Film ein schönes Beispiel, wo ein Mann eine Eigenschaft im Aussehen, die absolut nicht mit Charaktereigenschaften verbunden ist, ganz stark zur Charakterzeichnung verwendet hat... und damit diese Eigenschaft auch in den Zuschauern mit einer Wertung verbunden hat. Es geht um die Haarfarbe Blond bei Frauen... und Mr. Hitchcock!

 

Schöne Grüße,

Petra

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Ich überlege gerade, ob das Aussehen der handelnden Personen nicht auch in den Bereich Setting gehört. Damit meine ich nicht die minutiöse Beschreibung jedes grau-grün-goldenen Augensprenkels, sondern ein bis zwei griffige Attribute, die ein möglichst vollständiges Bild entstehen lassen. Denn was hilft die beste Beschreibung des Rahmens, in dem die Handlung stattfindet, wenn man die Personen nicht vor Augen hat? Äußerliche "Basics", möglichst klischeefrei, halte ich demnach schon für wichtig.

Denn: Wenn ich als Leser auf Seite 140 plötzlich erfahre, dass der Protagonist klein und blond ist, ich ihn bis dahin vor meinem geistigen Auge immer als groß und dunkelhaarig gesehen habe, wirft mich das ziemlich aus dem Lesefluss.

Die Perspektivfigur auf elegante Weise optisch einzuführen ist allerdings eine nette Herausforderung (wie Sysai schon schrieb).

 

Liebe Grüße

Ursula

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Hallo zusammen,

 

die Beschreibung der Hauptfiguren können bei einer Kurzgeschichte ausbleiben, bei einem Roman würde ich glaube ich vor Wut in den Buchrahmen beißen, wenn der Autor verzichtet.

 

Als Germanist habe ich eine Beobachtung gemacht:

Der Umfang der Personenbeschreibung (und Landschaftsbeschreibungen) nimmt ab. Niemand würde heute mehr eine Beschreibung lesen wie:

 

Beispiel von mir, unverwendet!

"Das flachsfarbene Haar von Marie war über ihren Scheitel sorgsam in einen französischen Zopf geflochten, sittsam war jedes Haar tief eingewebt. Ihre Augen hatten die Farbe von Birkenblättern, vielleicht etwas heller, umgeben von einem dünnen Rand braun. Es waren Augen, die viel gesehen hatten, wie man an den kleinen Falten unterhalb der Lider erkannte, an den kleinen Falten neben den Augen. Es waren aber auch die Zeichen einer gewissen Güte, einer Rechtschaffenheit, die man in diesen Falten erkennen konnte.

Die Nase war französisch, wie man gerne sagt, wenn die Nase ein wenig stubbsig ist, die Nasenspitze den ganzen Tag gen Himmel weißt, auch wenn die Person gar nicht gen Himmel sieht. Die hohen Wangenknochen, vermutlich das dunkle Erbe der Völkerwanderung, gaben ihrem fast kindlichen Gesicht eine etwas herbe, weibliche Note, vor allem weil Marie sie mit einem dezenten Kniff in ein Rouge getaucht hatte.

Die Lippen waren so voll, wie man es erwarten durfte, wenn man die lebensfreudige Art von Marie kannte. "

 

Dabei stört auch sehr der Umweg von Beschreibung zu Charakterzügen- meiner Meinung nach. Ich schreibe maximal drei Sätze Personenbeschreibung hintereinander, von Ausnahmen abgesehen, und verteile den Rest über den Text.

Dabei setze ich die Beschreibung in Bewegung, und lasse den Leser deuten.

 

Charakterisierung mache ich durch die Kleiderwahl, ein wenig über Frisur und Styling, dazu Wohnung, Dialog, Art der Bewegungen/ Körpersprache und vieles mehr.

Ein Beispiel aus einer meiner Erzählungen- wo ich die Beschreibung von Werner, dem Vater der Protagonistin in einen erzählenden Text verteile.

 

“ Im Leben gibt es viele letzte Male“, hast du mir gesagt, als wir uns getrennt haben. Ich war kein Kind mehr, noch keine Frau. Irgendwie dazwischen.

Dein Atem roch nach kaltem Rauch, nach Schnaps. Aber das gehörte schon immer zu dir, fast immer. Dieser Geruch, dieser Geschmack. Ich rieche ihn heute noch, manchmal.

„ Viele letzte Male gibt es nur für dich, Werner. Nur für dich.“

Das habe ich gesagt. Die Sporttasche an meiner Seite zitterte in meiner Hand. Deine Hand schoß nach oben. Ich wich zurück. Aber es war nur eine herrische Geste. Dir so eigen wie deine verwaschene Stimme.

Du hast meine Hände gepackt, ich habe sie dir für einen Moment geschenkt. Vergilbte Finger fuhren über die vernarbten Stellen an meinen Unterarmen. Es tat immer noch weh, aber deine Augen brannten stärker. Diese feindseligen Augen.

„ Du bist leck, Verena. Überall.“

Der Atem brennt in meinen Augen. Ich versuche zu lächeln. Weil ich nicht mutig genug war dich zu hassen.

„ Du wirst zurückkommen.“

Das hast du als nächstes gesagt. Deine rechte Hand strich unsicher deine wulstigen Haare zurück. Die wenigen, die dir geblieben waren. Deine linke schloß sich enger um meine. Ganz dicht kamst du mir, mit deinen dünnen Lippen. Fast hast du geflüstert.

„ Weil du schwach bist.“

Deine Worte schienen so sicher zu sein, über meine Schwäche. Doch du warst es nicht. Du warst auch besorgt. An der einen Falte an deinem Mundwinkel erkannte ich das. Weil ich dein Gesicht immer gelesen habe, um mich vor deinen Händen zu schützen.

„ Du wirst alleine sein, Vater.“

Ich war mir nicht sicher, ob ich in diesem Moment die Wahrheit sagte.

„ Ganz allein. Niemand wird um dich trauern.“

Ich wollte dir weh tun, aber nicht einmal das konnte ich. Ich war weder Kind, noch Frau. Und du nahmst mich nicht ernst. Du hast mich nie ernst genommen.

Ein dröhnendes Lachen, dann sahst du mich an. Dein Atem schlug mir ins Gesicht, dann deine Hand. Nur eine Ohrfeige, sie riß aber meinen Kopf heftig zur Seite. Sofort war die Wange taub, dein goldener Ehering riß die Haut auf. Sonst hast du auf solche Details geachtet. Wegen der Etikette. Heute prägtest du dein Etikett in mein Gesicht.

 

Gruss

 

Bluomo

 

 

 

 

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"Als meine Augen alles // gesehen hatten // kehrten sie zurück // zur weißen Chrysantheme". Matsuo Basho

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