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(Petra)

Wechsel in der Dichte

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Liebe Leute,

in der Abteilung Textkritik kam es zur Erwähnung eines handwerklichen Themas: Wie wechsle ich "dichte" Stellen im Roman mit Ruhephasen ab? Wie schaffe ich es, den Leser nicht zu überfordern, aber auch nicht zu langweilen... sprachlich gesehen.

 

Ich mache das z.B. oft sehr extrem... da sind Stellen intensiver Bilder und Wortspiele... dann kommt mal wieder ein fast trivial wirkendes Gespräch.

 

Bluomo schreibt dazu:

Seufz. Ich erkenne gerade erst, dass man so einen Wechsel braucht. Und bin verwirrt, ein wenig überrascht, schreibblockiert,...

Vielleicht können wir ihm die Blockade ein wenig nehmen?

 

Ein Patentrezept habe ich auch nicht, für mich selbst ist es die hohe Kunst, an der ich am meisten herumdoktere. Ich gehe dabei total emotional vor. Ich werde zu meiner Figur und versuche, zu erspüren, wie es der geht. Und immer dann, wenn bei ihr die Emotionen sich verdichten, hochkochen... erlaube ich mir, poetisch und sprachlich sehr intensiv zu werden, weil ich mitkoche.

 

Weil kein Mensch das auf Dauer aushält, darf die Figur natürlich nachher auch mal was Alltägliches tun - Kaffee trinken oder quatschen. Ich denke in dem Moment also gar nicht so sehr an die Leser, sondern verschmelze mit der Figur... wie eine Schauspielerin. Bei mir ist das so extrem, dass ich gleichzeitig mit einer Figur auch Herzrasen bekommen kann oder wie kürzlich, nach einer erschütternden Geschichte, einen Tag lang völlig fertig war, schreibunfähig.

 

Bei mir fiel dieser Groschen tatsächlich im Austausch mit einem Schauspieler, der mir mal gesagt hat, ich könne die Leute nur dann durch ein Wechselbad der Gefühle treiben, wenn ich selbst meine eigenen Emotionen vollkommen freilassen kann und die im richtigen Moment textlich auch auslebe. Bei mir hat das geklappt - sobald der Kopf mitschafft, verliere ich das Gefühl für Tempi, den richtigen Zeitpunkt für Wechsel, für Dichte. Ich schreibe auch in einer Art Trance...

 

Was ich ebenfalls versuche: Wenn ich Personen entwerfe, will ich wissen, wie die reden, sich bewegen... sprachlich gesehen. Da kann es dann sein, dass ein gemütlicher Mensch mit seinem Auftauchen den Textfluss verlangsamt oder ein anderer immer wieder reinhackt.

 

Das dritte, das mir hilft... ich schreibe Film. Ich hab einen kleinen Zacken in der Hirnkrone, der bei mir Sinne verknüpft, weshalb sich Bordeaux wie Theatervorhänge anfühlt.  :s06

Der gleiche Zacken sorgt dafür, dass ich Leute im Roman mit Schnitt- und Kameratechniken verbinde. Ich sehe welche, die in Videoschnitten à la MTV denken... und dann kommt wieder einer daher und lebt vor sich hin wie die Kamera von Tarkowski... und ich armer Tropf muss genau das in Text umsetzen, in Worten nachmachen. Aber auch das passiert intuitiv, ohne nachzudenken.

 

Tja, Bluomo, letzteres wird dir nicht helfen ;-) aber vielleicht kommt ja von den Kollegen einiges zusammen, aus dem du Inspiration beziehen kannst?

 

Setz dich vor allem am Anfang nicht zu sehr unter Druck... meistens gelingt es durch Loslassen.

 

Schöne Grüße,

Petra

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(Peter_Dobrovka)

Das ist schon richtig, man muß dem Leser auch mal eine Verschnaufpause gönnen.

Am schnellsten nützt sich Humor ab, hab ich festgestellt. Wenn jemand versucht, über mehr als drei Seiten ständig witzig zu sein, beginnt es zu nerven.

 

Die Verschnaufpausen sollten allerdings nicht zu lang sein, und auf keinen Fall langweilig. Lieber auf eine ANDERE Weise unterhaltsam als die vorhergehende Passage.

 

Bei mir verschnauft der Leser von Actionszenen durch das Aufdecken oder Neueinführen von Geheimnissen, Beschreibungen ungewöhnlicher Dinge und durch Ereignisse, die nicht spektakulär sind aber die Handlung voran treiben.

 

Szenen, in denen weder etwas Relevantes passiert, nur banales Zeug plätschert, sind mir ein Dorn im Auge. Auch und vor allem als Leser.

 

Peter

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Hallo Peter,

um das klarzustellen... es ging bei Bluomo und mir nicht um Wechsel zu Banalem... eher um den Wechsel zwischen Abschnitten, die an "Literatur" grenzen und solchen, die den Leser dann wieder mit "normaler Sprache" entlasten ;-)

 

Am schnellsten nützt sich Humor ab, hab ich festgestellt. Wenn jemand versucht, über mehr als drei Seiten ständig witzig zu sein, beginnt es zu nerven.

Du machst mir Spaß... hab gerade einen Vertrag unterzeichnet für 120 Seiten Humor am Stück :s07

 

Gegruselte Grüße,

Petra

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Hab jetzt erst dieses Thema gelesen und erlaub mir, was zu sagen, auch wenn es nicht mehr aktuell ist (?).

 

Wie wechsle ich "dichte" Stellen im Roman mit Ruhephasen ab?
Indem Du den Kopf ausschaltest, war mein spontaner Gedanke, als ich diesen Satz las - und dann sah ich, daß Du ja genau das tust, auch wenn Du von "herumdoktern" schreibst.

Meiner Ansicht nach bezweckst Du damit nichts, oder eher wenig... wenn ein Text so "kopfgesteuert" aufgebaut ist, merkt man es ihm irgendwann an.

Aus dem Bauch raus schreiben - das wäre mein Rezept, und wenn Du in der Person, der Geschichte "drin" bist, paßt nachher alles - viel besser als wenn du Dir vor dem Schreiben so eine Art Schema zurechtlegst.

Manchmal ist man dann nachher selbst verblüfft - mir hat heute ein Testleser ganz begeistert davon erzählt, mit was für Kunstgriffen ich in meinem Text gearbeitet hätte... und ich wußte gar nix davon :D

 

Beim Nachsehen hab ich entdeckt, daß es stimmt - aber bewußt hatte ich das nicht so geschrieben, bloß aus dem Bauch raus.

Habt einfach Zutrauen zu Euren Gefühlen und Euren (erfundenen) Personen... die benehmen sich schon richtig - und gönnen sich nach einer philosophischen Grübelstunde ein simples Schaumbad.

Hmm, hoffentlich hab ich mich einigermaßen verständlich ausgedrückt ???

 

Gruß

Jan  

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In der Regel läuft es bei mir umgekehrt: Die Handlung steht im Vordergrund, keine Banalitäten, sondern halt der Plot. Und immer, wenn ich es für interessant halte, nehme ich mir Zeit für Beschreibungen, innere Monologe o.ä.

 

Gruß,

 

Tin

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(Peter_Dobrovka)
In der Regel läuft es bei mir umgekehrt: Die Handlung steht im Vordergrund, keine Banalitäten, sondern halt der Plot. Und immer, wenn ich es für interessant halte, nehme ich mir Zeit für Beschreibungen, innere Monologe o.ä.

Und das steht jetzt im Gegensatz zu was?

 

Peter

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(Peter_Dobrovka)

Meiner Ansicht nach bezweckst Du damit nichts, oder eher wenig... wenn ein Text so "kopfgesteuert" aufgebaut ist, merkt man es ihm irgendwann an.

Man soll den Leser nicht unterschätzen, wahr wahr, aber man sollte ihn nun auch nicht überschätzen.

Aus dem Bauch raus schreiben - das wäre mein Rezept, und wenn Du in der Person, der Geschichte "drin" bist, paßt nachher alles - viel besser als wenn du Dir vor dem Schreiben so eine Art Schema zurechtlegst.

Manchmal ist man dann nachher selbst verblüfft - mir hat heute ein Testleser ganz begeistert davon erzählt, mit was für Kunstgriffen ich in meinem Text gearbeitet hätte... und ich wußte gar nix davon :D

 

Beim Nachsehen hab ich entdeckt, daß es stimmt - aber bewußt hatte ich das nicht so geschrieben, bloß aus dem Bauch raus.

Habt einfach Zutrauen zu Euren Gefühlen und Euren (erfundenen) Personen... die benehmen sich schon richtig - und gönnen sich nach einer philosophischen Grübelstunde ein simples Schaumbad.

Hmm, hoffentlich hab ich mich einigermaßen verständlich ausgedrückt ???

Ob dieser Tipp so gut ist, weiß ich nicht.

Es gibt Leute, die können freihändig einen Menschen zeichnen, andere brauchen Vorlagen oder ein Lineal für die Proportionen. Oder eine Vorzeichnung.

Beim Schreiben ist das nicht anders. Wenn man gut und schnell schreiben kann, dann beherrscht man solche Kunstgriffe aus dem Effeff und braucht keine Planungsphase. Auf dem Level einer Kurzgeschichte würde ich sagen, daß man das mal machen kann (und sei es nur, um sich zu üben), aber bei einem Roman ... nee.

Wobei ein Kern Wahrheit schon drin ist, wenn es sich um einzelne Szenen handelt. Je flüssiger man sie runtergeschrieben hat, desto flüssiger lesen sie sich nachher. Unser Hirn ist beim "Senden einer Nachricht" auch automatisch Zuhörer und macht alles passend, sowohl sinngemäß als auch vom Satzrhythmus. Setzt man seine Szene hingegen aus Teilen zusammen, gibt es Bruchkanten. - Aber das ist eine andere Geschichte. Ich hab davon eigentlich nur angefangen, um Jan nicht allzu rigoros widersprechen zu müssen. ;)

 

Peter

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Beim Schreiben ist das nicht anders. Wenn man gut und schnell schreiben kann' date=' dann beherrscht man solche Kunstgriffe aus dem Effeff und braucht keine Planungsphase. Auf dem Level einer Kurzgeschichte würde ich sagen, daß man das mal machen kann (und sei es nur, um sich zu üben), aber bei einem Roman ... nee.[/quote']

Ich würde sagen, dass ist eine Sache von Professionalität, Feeling, Begabung und Übung? Man kann...

Schöne Grüße,

Petra

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Darfst mir gern widersprechen, Peter, auch rigoros ;D, allerdings glaube ich, wir sind gar nicht so weit auseinander.

 

Ich meinte nicht, ohne Plan drauflosschreiben (obwohl das auch geht, manche arbeiten nur so, die wären völlig blockiert, wenn sie sich an einem vorher gefertigten Exposé entlang hangeln müßten, aber das ist ein anderes Thema), sondern genau das, was Du gesagt hast:

wenn ich weiß, in diesem Kapitel passiert jetzt das und das und das - dann halte ich es für hinderlich, ja sogar für schädlich, sich vorher für die einzelnen Szenen ein Gerüst, ein Schema zurechtzulegen; was dann rauskommt, liest sich nämlich möglicherweise ziemlich konstruiert.

Da schreibe ich lieber aus dem Bauch raus und "folge" sozusagen den Personen.

 

Gruß

Jan  

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