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(Huutini)

Alternativer Schreibratgeber: Einführung in die Erzähltheorie

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Dieses Werk, das von den meisten Studenten nur 'Der Scheffel/Martinez' genannt wird, stellt eine meiner Ansicht nach erfrischende Ergänzung für Autoren dar.

 

Es ist kein Schreibratgeber im üblichen Sinne, also nichts, das man mit Frey, Stein und Co. vergleichen kann. Dennoch findet sich in diesem Büchlein eine ganze Menge lehrreiches Material für Autoren.

 

Ein Autor ist in erster Linie ein Erzähler, erst an zweiter Stelle ein Schreiberling. Jedenfalls der Autor, der erzählende Prosa verfasst.

Erstaunlicherweise konzentrieren sich viele Autoren lediglich auf die Frage: "Wie schreibe ich?" Da lehren einen Frey und Co, wie man packende Konflikte erstellt, wie man gute Charaktere erfindet, und die Spannung hoch hält. Dazu dann noch einige Grundregeln wie 'frische Metaphern', 'keine Wortwiederholungen' und 'Klischees' vermeiden und schon, so meint man schnell, sei man ein guter Autor.

 

Leider verschwenden nur wenige Autoren einen Gedanken daran, wie man 'erzählt', oder welche Kniffe, Möglichkeiten und überhaupt Arten es gibt, etwas zu 'erzählen'.

 

Auch die Erfahrungen in diesem Forum zeigen, dass längst nicht jeder Autor sich unbedingt ausgedehnt mit dieser Frage befasst: 'Wie erzähle ich?"

 

Für eben diese Frage ist dieses Buch geeignet.

 

Es ist, wie erwähnt, kein Ratgeber. Es ist ein Werkzeug für Leser, nicht für Autoren. Noch dazu für studentische Leser. Das zeigt sich in der Struktur des Buches, ganz selten in seiner Sprache, und vor allem leider in seiner Verbreitung.

Dennoch verfassen Autoren stets Geschichten für Leser, und jeder Leser nimmt die hier geschilderten Dinge automatisch wahr, da JEDE Erzählung automatisch immer in irgendeine der hier vorgestellten Kategorien fällt von daher kann es nicht schaden, sich als Autor darüber zu informieren, waroauf man beim erzählen überhaupt achten kann. Denn wenn man selbst weiß, in welche Kategorien die eignen Erzählmittel fallen, kann man bewusster damit spielen.

 

Im ersten Kapitel widmet sich der Scheffel/Martinez der Frage: Welche Merkmale besitzt fiktionales Erzählen? Welche Unterschiede gibt es zwischen Faktualem und Fiktionalem Erzählen? Und was unterscheidet das Erzählen vom Erzählten?

Dieses Kapitel ist zugegebenermaßen relativ trocken und wohl tatsächlich nur für Akadameiker und solche, die es werden wollen, geeignet. Es erklärt, was einen erzählenden Text von einem Sachtext unterscheidet, und gibt einen Einblick in die Entstehung der Erzähltheorie. Denn diese Entwicklung ist relativ lang unübersichtlich und hat, wie beinahe jede Theorie, viele verschiedene Schulen und Richtungen ausgeprägt.

 

Interessant und erheblich leichter zu lesen wird es ab dem zweiten Kapitel:

 

"Das 'WIE': Darstellung"

 

Zunächst behandelt das Buch hier die Zeit:

 

Die Ordnung: in welcher Reihenfolge erzähle ich? Chronologisch? Rückwärts? Querbeet? Welche Wirkungen hat das?

 

Die Dauer: Wie lange ist das, was ich erzähle? Einen Tag? Ein Jahr? Welchen Zeitraum schildert eine Geschichte, wo liegen da Stärken, Probleme?

 

Frequenz: Wie oft? Hier wird es noch einmal etwas abstrakter, indem die Frage gestellt wird: Wie oft wiederholt sich ein bestimmtes Ereignis innerhalb einer Erzählung? Eine Geschichte, in der sich nichts wiederholt hat eine geringe Frequenz. Eine Geschichte wie 'Und täglich grüßt das Murmeltier' hat hingegen eine recht hohe Frequenz.

 

Als zweites behandelt das Buch den Modus:

 

Distanz: Hier wird die Frage nach der Distanz des Erzählten zum Leser gestellt. Ein Icherzähler im Präsens ist sehr nah, ein Allwissender göttlicher Erzähler, der lange zurückliegende Ereignisse schildert, sehr entfernt.

 

Erzählung von Ereignissen: Meint eigentlich die Erzählerrede, alles ausserhalb der direkten Rede.

 

Erzählung von Worten: meint eigentlich die Rede. Die Wahl, ob man von Worten erzählt, oder von Ereignissen, wirkt sich ebenfalls auf die Distanz aus, die der Leser empfindet. Auch die Form der Rede, direkt, erlebt etc, wirkt sich auf die Distanz aus.

 

Fokalisierung: meint die Frage nach der Perspektive: Wie wirkt sich die Wahl einer (oder mehrerer) Perspektiven auf die Distanz aus?

 

Und als drittes: Die Stimme:

 

Zeitpunkt des Erzählens: Wann wird erzählt? Wie groß ist die zeitliche Distanz zwischen Zeitpunkt der Ereignisse und dem Zeitpunkt, wann erzählt wird?

 

Ort des Erzählens: Ein wichtiger, wenngleich unbekannter Punkt: Auf welcher Ebene wird erzählt? Was ist, wenn ich eine Geschichte von einem Mann erzähle, der innerhalb meiner Erzählung über einen langen Zeitraum aus der Ich Perspektive erzählt? Dann habe ich die Ebene gewechselt. Ganz zu schweigen davon, was passiert, wenn innerhalb der Erzählung des Mannes ein weiterer Ich Erzähler auftaucht. Die Frage nach der Ebene ist eine nicht zu unterschätzende, und man kann feine Sachen damit machen.

 

Stellung des Erzählers zum Geschehen: Wie stark ist der Erzähler in die Geschehnisse verwickelt?

 

Subjekt und Adressat des Erzählens: Beschäftigt sich mit der Frage: Wer erzählt eigentlich wem?

 

Es folgt ein kurzer Abschnitt über das unzuverlässige Erzählen, seine Formen und seine Wirkungen.

 

Im dritten Kapitel schließlich geht es um die Frage:

 

"Das 'WAS': Handlung und erzählte Welt"

 

Zunächst geht es um die Elemente der Handlung:

 

Ereignis - Geschehen - Geschichte: Welche Unterschiede gibt es zwischen dem, was passiert, dem wie es aufgenommen wird, und dem, wie es erzählt wird?

 

Motivierung: Welche Motivierungen finden sich inerhalb von erzählungen? Sowohl für die Charaktere, als auch für den Erzähler, das Geschehen überhaupt zu erzählen?

 

Die doppelte Zeitperspektive des Erzählens: Ein etwas schwieriges Thema, für das ich den Einleitungssatz zitieren möchte: "Wer narrative Texte liest, tut etwas scheinbar paradoxes, denn er nimmt das dargestellte Geschehen zugleich als offen und gegenwärtig und als abgeschlossen und vergangen auf."

 

Als quasi letztes gibt es einen Einblick in die Erzählte Welt: Die Welt, die jeder Erzähler schafft und formt, kreiert und regiert.

 

Als Abschluss wird es noch eimnal etwas wissenschaftlicher, aber durchaus interessant, indem verschiedene Handlugsschemata vorgestellt werden, verschiedene Schulen und natürlich Ausblicke auf zukünftige Theorieentwicklungen. Wohl wieder eher von Interesse für Wissenschaftler. :)

 

Das Buch arbeitet mit einer wahen Fülle an Beispielen, so dass die vorgestellten Theorien und Unterschiede quasi sofort an einem Beispiel betrachtet werden können.

 

Sprachlich bewegt sich das Buch, wie erwähnt, auf leichtem Uniniveau. Das heisst, jeder, der die SZ oder die FAZ versteht, sollte das Buch verstehen können. Fremdworte werden zwar genutzt, meist jedoch nur solche, die inenrhalb des Buches bereits eingeführt worden sind. Hier und dort findet sich sicher auch mal eine kleine Häufung solcher Fremdwörter, oder ein etwas sperriger Satz, doch bleibt das eher die Ausnahme.

 

Fazit: Das Buch ist sicherlich keine Pflicht für Autoren. Viele haben, gelinde gesagt, keine Ahnung vom 'erzählen' und tun es trotzdem, ganz intuitiv. Dennoch halte ich das Buch für eine sehr wertvolle Ergänzung. Nicht nur verschafft es einem das Vokabular, die eigene Arbeit besser zu umschreiben, es öffnet auch die Augen für Probleme, Möglichkeiten und Orte, an die man gar nicht zu denken gewagt hat.

Wer sich also einfach mal ab von der Frage "Wie schreibe ich?" mit der Frage beschäftigen möchte: "Wie erzähle ich?" dem sei dieses Buch wärmstens ans Herz gelegt. Eine Bereicherung für das eigene Schaffen ist es in jedem Fall.

 

Lieben Gruß,

Marco! :s17

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Es ist kein Schreibratgeber im üblichen Sinne, also nichts, das man mit Frey, Stein und Co. vergleichen kann. Dennoch findet sich in diesem Büchlein eine ganze Menge lehrreiches Material für Autoren.

 

Ein Autor ist in erster Linie ein Erzähler, erst an zweiter Stelle ein Schreiberling. Jedenfalls der Autor, der erzählende Prosa verfasst.

Erstaunlicherweise konzentrieren sich viele Autoren lediglich auf die Frage: "Wie schreibe ich?" Da lehren einen Frey und Co, wie man packende Konflikte erstellt, wie man gute Charaktere erfindet, und die Spannung hoch hält. Dazu dann noch einige Grundregeln wie 'frische Metaphern', 'keine Wortwiederholungen' und 'Klischees' vermeiden und schon, so meint man schnell, sei man ein guter Autor.

Hallo Marco,

 

das finde ich witzig, ich habe das Buch auch gerade gelesen. Du hast recht, es ist sehr leichtverständlich geschrieben (vor allem wenn man bedenkt, dass es ein wissenschaftliches Buch ist).

 

Und es ist für Leser, nicht für Schreiber geschrieben. Da werden die verschiedenen Erzählformen aufgezählt. Die verwendete Zeit der Geschichte, die Perspektive, der Modus und natürlich die verschiedenen Erzähltheorien - schließlich richtet es sich an Studenten der Literaturwissenschaften (aber nicht nur).

 

Allerdings fand ich das auch das Problem. Sicher, es wird aufgezählt, wie man erzählen kann, Beispiele genannt, welcher Autor in welchem Werk welche Erzählmodi benutzt.

 

Dabei bleibt es aber auch. Denn es zerlegt vorhandene Texte, sortiert sie ein - welcher Modus wird wo benutzt - diskutiert aber eher nur am Rande, wie die einzelnen Modi auf den Leser wirken und gar nicht, wie man sie als Autor verwendet. Das ist natürlich auch nicht der Anspruch des Buches.

 

Was ich an deiner Rezi nicht verstanden habe: Was verstehst du unter "Wie schreibe ich?" und "Wie erzähle ich?"?.

 

Ich dachte erst, du meinst den Unterschied zwischen Stil und Erzählerischem, aber das meinst du offensichtlich nicht. Du beziehst dich auf Stein und Frey, auf deren Figurenentwicklung, Spannung, etc. Also meinst du mit "Wie schreibe ich?" nicht nur den Stil, sondern auch die Geschichte?

 

Was ist dann aber der Unterschied zur Frage: Wie erzähle ich? Denn Perspektive, unzuverlässiges Erzählen, zeitliche Abfolge, etc. findet sich sowohl im Martinez wie bei Stein etc., wenn auch natürlich mit ganz anderer Gewichtung und anderem Schwerpunkt?

 

Hans Peter

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Hallo Marco,

ich hab mir damit zufällig heute ein Wartezimmer versüßt und kann das Buch auch sehr empfehlen (nein, es ist wirklich kein Ratgeber) - für all die, die einmal hinter die Kulissen schauen wollen, wie Erzählen funktioniert und wirkt. Und genau das kommt mir in anderen Büchern immer zu kurz: das Erzählen von Geschichten. Lesbar finde ich es auch, ich habe nur an den Stellen überblättert, wo sich Wissenschaftler über drei Begriffe (ellenlang und lateinisch) zum selben Ding streiten... da überlese ich und nenn das Ding bei einem eigenen Namen.

 

Ich habe mit dem Buch auch weniger Probleme als hpr (was ihm fehlt, entnahm ich den Textbeispielen), mir hat es einiges erhellt, das ich entweder so nicht wusste oder mir nicht bewusst gemacht hatte. So war mir z.B. die Wirkung in Sachen Distanz / Unmittelbarkeit bei den Erzählperspektiven so nicht klar. Ich habe darin einen Hinweis gefunden, warum viele Leser mit Ich-Perspektive nicht warm werden, warum ausgerechnet das, was einem so "nah dran" erscheint, so distanziert wirken kann, wenn man eine ganz besondere Ich-Perspektive erwischt.

 

Die ganz große Stärke des Buches liegt in diesem Zusammenhang in den zitierten Beispielen aus der Literatur. Zu all diesen doch sehr theoretischen Aussagen gibt es Textbeispiele. Und die zeigen mir als Autor doch sehr genau, welche Möglichkeiten ich habe - oder bisher nicht nutzte. Oft schreibt man ja aus dem Bauch heraus und liegt dann haarscharf neben dem Optimum.

 

Außerdem finde ich es gut, dass es ein Buch für analytische Leser ist. Denn als lernender Autor bin ich analytischer Leser. Ich lerne nicht aus Ratgebern, sondern aus der Literatur. Das Buch schärft mir den Blick für Techniken, die ich dabei anwenden kann. Es macht mich aufmerksam auf Texte. Und aus diesen Textzitaten und den Aussagen kann ich selbstständig Schlüsse ziehen.

 

Man kann das Buch auch mal als "Lexikon" für zwischendurch durchblättern. Ich war mir zB. nicht sicher, mit welcher Stimme und Dialogform ich eine bestimmte Passage gestalten sollte. Dann in den entsprechenden Rubriken noch einmal nachlesen... das hat mir eine Möglichkeit ins Blickfeld gerückt, an die ich gar nicht gedacht hätte.

 

Sicher kein Buch für jedermann... nicht für die, die das Erzählen einfach aus dem Ärmel schütteln und nicht nachdenken müssen, wie sie ein Buch formal gestalten. Und sicher hilfreicher für literarisches Schreiben als für Unterhaltungsromane.

 

Ich kann es aber für alle anderen empfehlen!

 

Schöne Grüße,

Petr

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Was ich an deiner Rezi nicht verstanden habe: Was verstehst du unter "Wie schreibe ich?" und "Wie erzähle ich?"

 

Hallo hpr!

 

Zu dem Thema werde ich bei Gelegenheit mal einen eigenen Thread starten. Weil das aber wieder unter Garantie eines von den Themen wird, bei denen mich Gott und die Welt nicht so versteht, wie ich es gerne hätte, arbeite ich noch an meiner Argumentation! ;)

 

Der Unterschied liegt (für mich) eigentlich auf der Hand, für Petra wohl auch, aber wie du mir zeigst, wird erzählen und schreiben von vielen noch in einen Topf geworfen. Und gerade weil die Unterschiede so fein sind, ich aber Grobargumentatierer bin, muss ich noch etwas dran feilen! ;D

 

Lieben Gruß,

Marco! :s17

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Ich habe mit dem Buch auch weniger Probleme als hpr (was ihm fehlt, entnahm ich den Textbeispielen), mir hat es einiges erhellt, das ich entweder so nicht wusste oder mir nicht bewusst gemacht hatte. So war mir z.B. die Wirkung in Sachen Distanz / Unmittelbarkeit bei den Erzählperspektiven so nicht klar. Ich habe darin einen Hinweis gefunden, warum viele Leser mit Ich-Perspektive nicht warm werden, warum ausgerechnet das, was einem so "nah dran" erscheint, so distanziert wirken kann, wenn man eine ganz besondere Ich-Perspektive erwischt.

[...]

Außerdem finde ich es gut, dass es ein Buch für analytische Leser ist. Denn als lernender Autor bin ich analytischer Leser. Ich lerne nicht aus Ratgebern, sondern aus der Literatur.

Hallo Petra,

 

wieder ein Beispiel dafür, wie unterschiedlich verschiedene Autoren Bücher über das Schreiben (oder hier:das Lesen) wahrnehmen.

 

Eigentlich bin ich wie du sehr analytisch geprägt, aber ich hatte mehr das Gefühl, hier wird eine (gute) Systematik entwickelt, die es erlaubt, Texte einzuordnen. Dagegen ist nichts zu sagen, nur tue ich mich mit solchen Systematik-Bestimmungsbücher immer schon hart. Weswegen mir bei der Lektüre nicht der Finger juckte, sofort zu schreiben, Techniken auszuprobieren. Boshaft und übertrieben formuliert: Es bietet eine Menge Schubladen, in die man Texte stopfen kann, die Auswahl der Schubladen ist sinnvoll und man kann damit Ordnung schaffen.

 

Was dem einen sin Uhl ...

 

Die Blickrichtung auf den Leser habe ich eigentlich erst im Kapitel "erzähltheoretische Handlungsmodelle außerhalb der Literaturwissenschaft" gefunden, dort wurde es für mich wirklich interessant, vor allem, wenn es dort um psychologische und andere Blickwinkel auf den Leser ging: Wie setzt sich eine Leser eine Geschichte zusammen? Das fehlte mir in den Kapiteln vorher eher, weil dort betrachtet wurde, wie ein Text auf einen Literaturwissenschaftler wirkt (mein Eindruck).

 

Natürlich ist es richtig, dass der Ich-Erzähler nicht notwendig Nähe schafft, sondern oft Distanz. Da korrigiert das Buch eindeutig ein weitverbreitetes Vorurteil, das Autoren, Schreibratgeber und Literaturwissenschaftler gerne pflegen (und dann die autobiografischen Anteile in Texten suchen ;-)), obwohl allein schon der Blick auf Klagenfurter Ich-Erzählungen das Gegenteil lehren sollte :-). Kameraeinstellung ist eben nicht gleich Perspektive. Nur war das für mich nicht neu. Der Martinez ist ja auch kein schlechtes Buch. Aber warm wurde ich trotzdem mit ihm nicht.

 

Jedenfalls hatte ich nicht den Eindruck, dass es die Frage "Wie erzähle ich?" im Gegensatz zur Frage "Wie schreibe ich?" behandelt. Aber der Gegensatz ist mir sowieso rätselhaft, da es sich nicht, wie erst vermutet, um den Gegensatz: Erzählen ./. Formulieren handelt.

 

Hans Peter

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Zu dem Thema werde ich bei Gelegenheit mal einen eigenen Thread starten. Weil das aber wieder unter Garantie eines von den Themen wird, bei denen mich Gott und die Welt nicht so versteht, wie ich es gerne hätte, arbeite ich noch an meiner Argumentation! ;)

 

Der Unterschied liegt (für mich) eigentlich auf der Hand, für Petra wohl auch, aber wie du mir zeigst, wird erzählen und schreiben von vielen noch in einen Topf geworfen.

Da du offenbar unter "Schreiben" was anderes verstehst, als ich, kann ich es schlecht in einen Topf werfen. Mein Problem ist, dass ich es in gar keinen Topf einpassen kann.

 

Also warte ich mal ab, bis dein neuer Thread kommt. Hoffentlich übersehe ich ihn nicht.

 

Grüße

 

Hans Peter

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Jedenfalls  hatte ich nicht den Eindruck' date=' dass es die Frage "Wie erzähle ich?" im Gegensatz zur Frage "Wie schreibe ich?" behandelt.[/quote']

 

Das tut es auch nicht!

Aber es ist geeigent für Menschen, die sich eben mit der Frage beschäftigen, eben weil das Buch nicht, wie andere 'Ratgeber' mit dem schreiben befasst, sondern mit dem Erzählen. (Also auch weniger mit dem lesen. Obwohl es sicherlich die Perspektive des Lesers gewählt hat, behandelt es halt doch die Techniken des Erzählens.)

 

Aber der Gegensatz ist mir sowieso rätselhaft, da es sich nicht, wie erst vermutet, um den Gegensatz: Erzählen ./. Formulieren handelt.

Auf eine gewisse Art ist das durchaus der Unterschied, aber das wäre dann auch wieder zu einfach, da Erzählen und Schreiben sicherlich miteinander verzahnt sind und die Grenzen fließend. Das liegt einfach dran, dass Schreiben natürlich eine FORM des Erzählens ist. (Andersrum ist Erzählen aber keine Form des Schreibens, was eigentlich schon deutlich macht, dass es Unterschiede gibt.)

Das macht dann aber auch wieder die Unterschiede deutlich. Wie gesagt, ich arbeite an meiner Argumentation. ;)

 

Dennoch schön, eine kritische Gegenstimme hier zu haben, endlich mal eine richtige, und wie ich finde, fruchtbare, Diskussion. ;D

 

Lieben Gruß,

Marco! :s17

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wieder ein Beispiel dafür, wie unterschiedlich verschiedene Autoren Bücher über das Schreiben (oder hier:das Lesen) wahrnehmen.

Eigentlich bin ich wie du sehr analytisch geprägt, aber ich hatte mehr das Gefühl, hier wird eine (gute) Systematik entwickelt, die es erlaubt, Texte einzuordnen. Dagegen ist nichts zu sagen, nur tue ich mich mit solchen Systematik-Bestimmungsbücher immer schon hart. Weswegen mir bei der Lektüre nicht der Finger juckte, sofort zu schreiben, Techniken auszuprobieren. Boshaft und übertrieben formuliert: Es bietet eine Menge Schubladen, in die man Texte stopfen kann, die Auswahl der Schubladen ist sinnvoll und man kann damit Ordnung schaffen.

Hallo hpr,

ich glaube, würde ich das Buch ordentlich und brav lesen, ginge es mir vielleicht wie dir. Ich lese solche Bücher aber frech und respektlos, eher in einem Dialog.

Ich lasse die Wissenschaftler auch mal stehen und sag mir: Erzählt das eurer Großmutter, ist für mich nicht relevant als Autorin. An anderen Stellen mach ich mich zur Großmutter und rede und rede... äh, denke Angefangenes weiter, denke mich auch mal in die Extreme. Experimentiere. Oder ich übertrage: Mach ich das auch in meinen Texten, wo wie und warum? Was würde passieren, wenn ich den jetzigen Text so umarbeiten würde, was verändert sich? Überhaupt bin ich da sehr praktisch orientiert... an den Textbeispielen im Buch und an Textbeispielen in meinem Kopf.

 

Ich benutze solche Bücher als Steinbruch. Werkzeug, um mir die Steine zu brechen, die für mich passen, bringe ich selbst mit.

 

Schöne Grüße,

Petra

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Ich lasse die Wissenschaftler auch mal stehen und sag mir: Erzählt das eurer Großmutter' date=' ist für mich nicht relevant als Autorin. An anderen Stellen mach ich mich zur Großmutter und rede und rede... äh, denke Angefangenes weiter, denke mich auch mal in die Extreme. Experimentiere. Oder ich übertrage: Mach ich das auch in meinen Texten, wo wie und warum? Was würde passieren, wenn ich den jetzigen Text so umarbeiten würde, was verändert sich? Überhaupt bin ich da sehr praktisch orientiert... an den Textbeispielen im Buch und an Textbeispielen in meinem Kopf.[/quote']

Ja, ganz genau. Für mich sind in solchen Büchern auch nicht die Thesen interessant, sondern die Fragen, die an Texte gestellt werden.

 

Die ganze Sache mit der Erzählhaltung z.B. habe ich bisher noch in keinem Ratgeber-Buch ordentlich erklärt gefunden. (Vielleicht ist es das, was Marco meint?) Schon die simple Tatsache, dass ich beim Erzählen einer Geschichte immer, unausweichlich, einen Erzähler miterfinde: Es gibt ein Buch von Sten Nadolny: "Das Erzählen und die guten Absichten" - darin redet er sehr ausführlich über diesen Punkt; und ich habe überhaupt nicht begriffen, was er meint. Bis es mir einmal "wissenschaftlich" erklärt wurde.

 

Es ist vermutlich wirklich eine Temperamentsfrage. Mir liegt diese Art, neutral meine eigenen Texte zu hinterfragen, eben mehr, als Rezepte auf ihre Tauglichkeit zu prüfen. (Aber das ist ein alter Streit, ich weiß ... :))

 

Schöne Grüße

 

Barbara

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Die ganze Sache mit der Erzählhaltung z.B. habe ich bisher noch in keinem Ratgeber-Buch ordentlich erklärt gefunden. (Vielleicht ist es das' date=' was Marco meint?) Schon die simple Tatsache, dass ich beim Erzählen einer Geschichte [b']immer[/b], unausweichlich, einen Erzähler miterfinde: Es gibt ein Buch von Sten Nadolny: "Das Erzählen und die guten Absichten" - darin redet er sehr ausführlich über diesen Punkt; und ich habe überhaupt nicht begriffen, was er meint. Bis es mir einmal "wissenschaftlich" erklärt wurde.

Das ist ganz zweifelesohne die Stärke des Martinez. Da diskutiert er Dinge, die sonst er am Rande beackert werden, wenn überhaupt. Das erste Mal hat Andreas Eschbach in einem Seminar über Spannung darauf hingewiesen, dass Nähe/Distanz etwas anderes ist als die Perspektive (das erste Mal für mich) und wie wichtig das für Spannung ist. Sonst wird beides gerne vermengt und kurz am Rande abgehandelt.

 

Ich habe mir mal überlegt: Worin unterscheidet sich Martinez eigentlich von Sol Stein? Ich möchte bewusst nicht fragen: Worin unterscheiden sich literaturwissenschaftliche Bücher von Schreibratgebern, da gibt es so viele unterschiedliche Bücher in beiden Kategorien, da gerät man viel zu leicht ins Schwätzen.

 

Also habe ich mir den Inhalt, das Inhaltsverzeichnis noch mal im Geiste angeschaut (Real konnte ich das nicht, weil ich im Moment nicht zu Hause bin).

 

Martinez fängt mit Perspektive an, erläutert das ausführlich, mit Distanz/Nähe, ob eine eigene Erzählerstimme vorhanden ist, wenn ja, wie, mit Narrativem/dramatischen Schreiben. Das ist sein Schwerpunkt.

 

Sol Stein beginnt mit den Figuren, dann mit Konflikt, Entwicklung des Konflikts aus den Figuren, Dialog.

 

Natürlich kommen auch bei Martinez Figuren, Konflikt, Dialog vor. Aber längst nicht so ausführlich wie bei Stein und nicht am Anfang. Und Stein schildert auch Perspektive, Erzählerstimme, narratives/szenisches Schreiben, aber längst nicht so ausführlich wie Martinez und nicht am Anfang.

 

Insofern haben beide unterschiedliche Blickwinkel und Schwerpunkte, behandeln aber gleiche Themen.

 

Beide verwenden viele Beispiele aus der Literatur (Stein auch Beispiele für misslungene Texte) und diskutieren anhand dieser Beispiele. Das ist leider nicht selbstverständlich, weder in Schreibratgebern noch in wissenschaftlichen Werken ;-).

 

Wo sich beide fundamental unterscheiden:

Martinez diskutiert verschieden Ansätze, Theorien zur Erzähltheorie. Stein diskutiert auch schlechte Texte, zeigt, warum sie nicht funktionieren und vor allem, wie man daraus gute macht (Korrektur, Überarbeitung). Dieser Unterschied folgt logischerweise aus der Zielsetzung ihrer Bücher.

 

Interessant für mich ist der Stellenwert der Figuren. Für mich sind Personen im Roman zentral, wenn der Autor da nur behauptet, Abziehbilder vorstellt, hat er mich schnell verloren. Möglicherweise ist das der Grund, warum mich der Martinez nicht so begeistert.

 

Ich bin auch nicht der Meinung, dass man nur aus literarischen Texten (also gelungenen Texten) lernen kann. Gerade misslungene Texte können ein Aha-Erlebnisse auslösen. Warum funktionieren sie nicht? Warum sind sie schlecht? Was fehlt, was könnte man besser machen? Das behandelt der Martinez nicht, das ist ja auch nicht seine Zielrichtung.

 

Das alles kann man sicher nicht dem Martinez vorwerfen, er wollte ja kein Buch schreiben, das Schreibanfängern weiterhilft.

 

Trotzdem ist er nützlich, weil er genau das behandelt, was sonst gerne unter den Tisch fällt. Was den Stein auszeichnet, ist die ausführliche Darstellugen der Figuren und ihrer Entwicklung, sowie die zahlreichen "schlechten" Textbeispiele.

 

Interessant: Für mich fällt Perspektive, Distanz, etc. unter „Schreiben“, Personen, Plot, Konflikt aber unter „Erzählen“. Ich würde eher sagen: Martinez beantwortet die Frage: „Wie schreiben literarische Autoren?“, Stein die Frage: „Wie erzähle ich?“. Wobei das sehr relativ ist, eher eine Frage der Gewichtung als des Prinzips. Welche Fragen generell „Schreibratgeber“ und literaturwissenschaftliche Bücher beantworten, will ich hier nicht diskutieren, dazu gibt es davon viel zu unterschiedliche. Und genügend, die gar keine Fragen beantworten geschweige denn stellen ;-).

 

Marco, da scheine ich ja eine ganz andere Auffassung von „schreiben“ und „erzählen“ zu haben. Bin ja mal auf deine Erläuterung gespannt.

 

Ja, ganz genau. Für mich sind in solchen Büchern auch nicht die Thesen interessant, sondern die Fragen, die an Texte gestellt werden.

 

Es ist vermutlich wirklich eine Temperamentsfrage. Mir liegt diese Art, neutral meine eigenen Texte zu hinterfragen, eben mehr, als Rezepte auf ihre Tauglichkeit zu prüfen. (Aber das ist ein alter Streit, ich weiß ... :))

Das ist überhaupt das Interessanteste. Wenn in einem Buch verschiedene Möglichkeiten diskutiert werden, Fragen gestellt werden. Wie wirkt ein Text, wenn man XX. verändert. Was wäre wenn ...

 

Hans Peter

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Interessant: Für mich fällt Perspektive' date=' Distanz, etc. unter „Schreiben“, Personen, Plot, Konflikt aber unter „Erzählen“.[/quote']

 

Das ist lustig, das du das so siehst. Es verhält sich nämlich ganz genau andersherum! ;D

 

Warum, und auch meine weiteren Erläuterungen zu den Unterschieden zwischen Erzählen und Schreiben findest du mittlerweile HIER (Link ungültig) (Link ungültig)!

 

Bin auf deine Ansichten dazu gespannt.

 

Lieben Gruß,

Marco! :s17

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Martinez fängt mit Perspektive an, erläutert das ausführlich, mit Distanz/Nähe, ob eine eigene Erzählerstimme vorhanden ist, wenn ja, wie, mit Narrativem/dramatischen Schreiben. Das ist sein Schwerpunkt.

 

Sol Stein beginnt mit den Figuren, dann mit Konflikt, Entwicklung des Konflikts aus den Figuren, Dialog.

Das finde ich sehr interessant, Hans Peter. Man könnte vielleicht sagen: Sol Stein befasst sich zuerst mal mit dem Aufbauen der Geschichte. Die Frage, wie man diese Geschichte erzählt - aus welcher Perspektive, welcher Distanz, in welchem Tonfall, zuverlässig oder nicht - das ist für ihn zweitrangig. Nicht unwichtig, aber weniger wichtig.

 

Für Martinez & Scheffel dagegen ist die Geschichte ja immer schon vorhanden, durch den Autor vorgegeben - und in gewisser Weise auch unantastbar: Die kämen nie auf die Idee zu fragen, ob es den "Stechlin" nicht etwas aufpeppen täte, wenn der Alte von seiner Schwiegertocher in spe vergiftet würde ;D

 

Auf die Art ist mir noch ein Grund klar geworden, weshalb ich persönlich Martinez & Scheffel vorziehe: Bei der Geschichte und den Figuren lasse ich mir sehr ungern reinreden. Die entstehen bei mir völlig anders, als von Sol Stein und anderen empfohlen wird.

 

Die Perspektive - die Veränderung des eigenen Blickwinkels - ist für mich dagegen DAS Spannende schlechthin an der Literatur. Da freue ich mich jedesmal, wenn ich etwas Neues dazulerne.

 

Interessant: Für mich fällt Perspektive, Distanz, etc. unter „Schreiben“, Personen, Plot, Konflikt aber unter „Erzählen“. Ich würde eher sagen: Martinez beantwortet die Frage: „Wie schreiben literarische Autoren?“, Stein die Frage: „Wie erzähle ich?“.

Für mich fällt das eigentlich alles unter Erzählen. Manches mehr unter "Was erzähle ich?", anderes eher unter "Wie erzähle ich?" (Um noch mal Martinez & Scheffel zu zitieren.) Unter Schreiben würde ich - ähnlich wie Du weiter oben - am ehesten noch das Formulieren, den Sprachstil, rechnen. Lange Sätze, kurze Sätze ... wobei schon da die Übergänge fließend sind, denn das ist die Sprache des Erzählers, und der gehört mit zur Geschichte ...

 

Schöne Grüße

 

Barbara

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Hallo Barbara,

mir geht es ähnlich wie dir. (Hans Peter, du hast wirklich die Sache mit dem Erzählen und Schreiben verwechselt).

Mir liegt sehr viel daran, eine Geschichte zu erzählen und ein Erzählen zu finden, das für diese meine Geschichte adäquat und angemessen ist. Das ist für mich der Grund, warum ich alle Schreibratgeber in die Tonne kloppen kann - sie reden vom Schreiben.

 

Schöne Grüße,

Petra

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Man könnte vielleicht sagen: Sol Stein befasst sich zuerst mal mit dem Aufbauen der Geschichte. Die Frage, wie man diese Geschichte erzählt  - aus welcher Perspektive, welcher Distanz, in welchem Tonfall, zuverlässig oder nicht - das ist für ihn zweitrangig. Nicht unwichtig, aber weniger wichtig.

 

Für Martinez & Scheffel dagegen ist die Geschichte ja immer schon vorhanden, durch den Autor vorgegeben - und in gewisser Weise auch unantastbar: Die kämen nie auf die Idee zu fragen, ob es den "Stechlin" nicht etwas aufpeppen täte, wenn der Alte von seiner Schwiegertocher in spe vergiftet würde ;D

 

Find ich sehr gut. Treffender kann man den Unterschied kaum beschreiben.

 

 

Unter Schreiben würde ich - ähnlich wie Du weiter oben - am ehesten noch das Formulieren, den Sprachstil, rechnen. Lange Sätze, kurze Sätze ... wobei schon da die Übergänge fließend sind, denn das ist die Sprache des Erzählers, und der gehört mit zur Geschichte ...

Hmm, das ist ein guter und wichtiger Punkt, den ich bisher tatsächlich übersehen habe, weil er zu dem Feld Schreiben/Erzählen wie ich es hier gerade angehe, nicht dazugehört.

 

Ich würde das tatsächlich weder als Schreiben noch als Erzählen bezeichnen, sondern als etwas eigenes. Ob man es nun Stil, Sprache, Rythmus o.ä. bezeichnen würde, weiß ich auch nicht.

 

Es ist wie mit Shakespeare: Dessen Rythmus ist ja sehr auffällig, beeinflusst aber in meinen Augen weder die Geschichte noch die Emotionen, es ist etwas ganz eigenes.

 

oder die, keine Ahnung, wie das exakt heisst, jambische(?) Versform von Homer: Auch die wirkt sich nicht auf Geschichte oder Emotionen aus.

 

Ich würde so etwas eher als 'Klang' einer Geschichte bezeichnen: Satzlänge, Satzrythmus, Wortwahl etc.

Auch das hat sicherlich eine Wirkung auf den Leser aber nur bedingt.

 

Lieben Gruß,

Marco! :s17

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Oh Vorsicht,

es gibt durchaus die Möglichkeit, allein durch Klang und Rhythmus (in Prosatexten und frei) Emotionen zu steuern, das behaupte ich als "Musik"schreiberin mal ganz frech. Wenn ich sprachlich da sehr aufmerksam bin, erreiche ich Emotionen wie in der Musik... stakkatoartige, womöglich konsonantenreiche Satzfragmente, mit Wiederholungen und Verbauslassungen rufen ganz andere Emotionen hervor als wenn ich die gleiche zu erzählende Szene in weiche, vokalreiche, metaphernreiche lange Sätze mit Schnörkeln setze. Der falsche Sprachton kann den Erzählton zunichte machen.

Natürlich funktioniert das weitgehend über den Inhalt und nur in Texten, in denen die Sprache nicht "zurücktritt", sprich, absichtlich so glatt gestaltet wird, dass der Inhalt wichtiger scheint.

 

Ich glaube aber, wenn man das wirklich gut macht, könnte man dir den Text in einer dir völlig fremden Fremdsprache vorlesen und du würdest im Idealfall die beabsichtigte Emotion fühlen ohne ein Wort zu verstehen.

 

Schöne Grüße,

Petra

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Ich glaube aber' date=' wenn man das wirklich gut macht, könnte man dir den Text in einer dir völlig fremden Fremdsprache vorlesen und du würdest im Idealfall die beabsichtigte Emotion fühlen ohne ein Wort zu verstehen.[/quote']

 

Du hast vollkommen recht, in Allem.

 

Nur sehe ich da dann wieder auch den Unterschied zwischen 'Schreiben' (Als handwerkliches Mittel zur Produktion 'guter' Texte) und 'Aufschreiben' (als dauerhafte Fixierung von verbalen Äußerungen mit Hilfe von Schriftzeichen).

 

Musik weckt ja auch Emotionen und kann in Noten festgehalten werden. Wenn man die Noten selbst nun liest, weckt das aber eher weniger Emotionen.

'Spielt' man die Noten aber...  ::) *schmacht*

 

Der Knackpunkt ist hier wieder das VORlesen: Da ist es natürlich der Klang der Worte, der Emotionen weckt, aber der Text selber ist ja nur eine Fixierung des Klangs und von daher wieder eine etwas andere Baustelle, als das was ich hier als Thema sehe, wenn auch eng verwandt und auch wenn alles ineinander übergreift.

 

Allerdings eine nicht weniger interessante Baustelle, die man eigentlich auch mal anschneiden sollte.  ;D

 

Lieben Gruß,

Marco! :s17

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Funktioniert hier nicht, die Trennung, Marco. Ein Musiker, der Noten lesen kann, schmachtet dir auch über der Partitur weg... ein Mensch der Text lesen kann, muss ihn nicht laut vorlesen, um Rhythmen und Klänge zu "hören"...

Schöne Grüße,

Petra

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Funktioniert hier nicht, die Trennung, Marco. Ein Musiker, der Noten lesen kann, schmachtet dir auch über der Partitur weg... ein Mensch der Text lesen kann, muss ihn nicht laut vorlesen, um Rhythmen und Klänge zu "hören"...

Schöne Grüße,

Petra

 

Ja, weil er sie immer noch 'hört'. Das ist ja grade der Unterschied, weshalb ich vom 'Klang' eines Textes rede, und nicht davon, wie er geschrieben ist.

 

Texte sind per Definition immer geschrieben, nur hat ihr Klang ja nichts mit dem zu tun, wovon übliche Schreibratgeber reden.

 

Jeder Text hat einen Klang, der, da Text, geschrieben ist, nur ist das ein anderes 'schreiben'. Darauf wollte ich hinaus.

 

Es ist kein 'Schreiben'. Es ist ein 'Klang festhalten'. Klang ist immer audio, ein Text aber nicht, der ist Video, der Text entsteht erst im Kopf. Ein Text als solches hat ja keinen Klang, sowenig wie Noten. Erst das 'vertonen', entweder im Kopf oder verbal oder sonstwie, lässt den Klang auferstehen.

 

Deshalb ist es eine andere Baustelle, ein anderes 'schreiben'.

 

Lieben Gruß,

Marco! :s17

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Marco, sorry, ich kann dir überhaupt nicht folgen. Aber das liegt nicht an dir, sondern an meiner Wahrnehmung, die da ganz anders läuft...

Schöne Grüße,

Petra

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Das finde ich sehr interessant, Hans Peter. Man könnte vielleicht sagen: Sol Stein befasst sich zuerst mal mit dem Aufbauen der Geschichte. Die Frage, wie man diese Geschichte erzählt  - aus welcher Perspektive, welcher Distanz, in welchem Tonfall, zuverlässig oder nicht - das ist für ihn zweitrangig. Nicht unwichtig, aber weniger wichtig.

 

Für Martinez & Scheffel dagegen ist die Geschichte ja immer schon vorhanden, durch den Autor vorgegeben - und in gewisser Weise auch unantastbar

Richtig, das ist vermutlich der wesentlichste Unterschied. Martinez (und jeder Literaturwissenschaftler) beschäftigt sich mit "fertigen" Geschichten. Den Stechlin gibt es.

 

Stein geht ja von Geschichten aus, die es noch nicht gibt, die erst entwickelt werden. Das ist ein Unterschied wie zwischen Physik und Maschinenbau. Im Maschinenbau willst du erst etwas entwerfen. In der Physik hast du es bereitst, geht es um die Theorie (den Weltraum kannst du schlecht umbauen).

 

Die kämen nie auf die Idee zu fragen, ob es den "Stechlin" nicht etwas aufpeppen täte, wenn der Alte von seiner Schwiegertocher in spe vergiftet würde ;D

 

Auf die Art ist mir noch ein Grund klar geworden, weshalb ich persönlich Martinez & Scheffel vorziehe: Bei der Geschichte und den Figuren lasse ich mir sehr ungern reinreden. Die entstehen bei mir völlig anders, als von Sol Stein und anderen empfohlen wird.

Du weißt auch bereits, wie du eine Person entwickelst - und dass das wichtig ist. Stein richtet sich an Leute, die es eben noch nicht wissen.

 

Wobei Stein auch nicht sagt: Deine Personen müssen die und die Eigenschaften haben. Sondern dass du sie kennen musst und den Leser mit Fragen zu der Person nervt. "was hat deine Person immer in der Hosentasche?" etc.

 

Mit festen Personengebilden zu arbeiten (Der Held muss immer altruistisch sein, der Gegenspieler egoistisch), da wären wir bei der "Heldenreise" von Vogler, bei Frey "the key". Das ist wieder was anderes.

 

Die Perspektive - die Veränderung des eigenen Blickwinkels - ist für mich dagegen DAS Spannende schlechthin an der Literatur. Da freue ich mich jedesmal, wenn ich etwas Neues dazulerne.

Also für mich sind die Personen das Spannende an Literatur. Die Perspektive sind für mich eher Mittel, die Personen deutlich hervortreten zu lassen, dass sie dem Leser lebendig vor Augen treten. Oder die Nähe/Distanz Mittel, die GEschichte spannend zu machen.

 

liebe Grüße

 

Hans Peter

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Marco, sorry, ich kann dir überhaupt nicht folgen. Aber das liegt nicht an dir, sondern an meiner Wahrnehmung, die da ganz anders läuft...

Schöne Grüße,

Petra

 

Ach herrje, ich vergaß. Für dich hat ja alles einen Klang, oder?

 

Ich wollte auf den unterschied zwischen bildlichen 'Texten' hinaus, und 'Klängen' die beim laut lesen entstehen.

 

Wenn ich das Wort 'Haus' schreibe, hat das ja auch einen gewissen Klang. Weil man das Wort im Kopf quasi vertont liest, man hat den Ton des Wortes im Kopf.

 

Wenn ich hier aber eine reihe chinesischer Schriftzeichen hinsetzen würde, würden jedenfalls die meisten Leute dabei keinen Ton im Kopf haben. Es wären nur klanglose Schrifteichen. Nichts, was im kopf des Lesers einen Ton auslöst, weil die Zeichen mit keinem Laut verbunden sind.

 

Dabei könnte ich die Zeichen von 'Feuer' und 'Berg' nebeneinandersetzen, und dir sagen: Das heisst Vulkan.

Dann wüsstest du, was die Zeichen heißen, welche Bedeutung sie tragen, aber sie haben keinen Klang für dich. (okay, für dich halt wahrscheinlich schon. Aber für die meisten Menschen halt nicht.)

 

Gerade deshalb erscheinen uns Westlern ja solche 'Hieroglyphen' so fremdartig und 'unsympathsich': Es sind keine Laute damit verbunden.

 

Genau auf den Unterschied wollte ich hinaus:

Schreiben als aneinanderreihen von geschriebenen, optischen Zeichen, etwa chinesischen, die nur Bedeutung tragen, etwa 'Vulkan'.

Das ist eine Art schreiben.

 

Und Schreiben als aneinandereihen von Zeichen, die mit Tönen verbunden sind, Zeichen, die keine bloße Bedeutung tragen, sondern nebenher noch Töne. Noten sind das beste Beispiel: Schriftzeichen, die NUR dazu da sind, Töne festzuhalten. Aber auch ein Wort wie 'Haus' trägt noch einen Klang.

Das ist das andere Schreiben.

 

Mir ging es hier eher um die erstere Gattung: Das Schreiben als Informationsträger, nicht als Klangträger.

 

Wie gesagt, ob dir das nu weiterhilft, weiß ich nicht, weil ich nicht weiß, was du bei chinesischen Zeichen 'hörst'. :)

 

Aber so haben wir's in der Sprachlehrforschung mal erklärt bekommen.

 

Lieben Gruß,

Marco! :s17

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Hallo Marco,

ich versteh schon, was du meinst, ich bin ja nicht auf den tönenden Kopf gefallen ;)

 

Mir ging es hier eher um die erstere Gattung: Das Schreiben als Informationsträger' date=' nicht als Klangträger[/quote']

Ich hab nur jetzt wieder das gleiche Problem: das ist so derart hochtheoretisch und von jeder Autorenwirklichkeit abgehoben, dass es sich vielleicht ganz gut zum hochphilosophischen Wodkagespräch eignet... aber verrat mir bitte bitte bitte, was all das uns Autoren bringt, die wir schlichtweg hören und kein Chinesisch schreiben...

 

Schöne Grüße,

Petra

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Ich hab nur jetzt wieder das gleiche Problem: das ist so derart hochtheoretisch und von jeder Autorenwirklichkeit abgehoben' date=' dass es sich vielleicht ganz gut zum hochphilosophischen Wodkagespräch eignet...[/quote']

 

Das find ich jetzt wieder hochinteressant und fast einen eigenen Thread wert.

 

Ich weiß ja, dass vielen Lesern Klang, Rythmus und all das bei einem text sehr wichtig ist. Lyrikfans zum Beispiel.

Aber wirklich allen Lesern?

Ich selbst bin ziemlich resistent gegen Klang und Rythmus, bzw. gebe nicht viel drum. Als Leser jetzt. Mir ist der Plot wichtiger, ergo der Inhalt, die Information der Texte, als ihr Klang.

 

Für mich ist das daher ganz und gar nicht theoretisch und abgehoben sondern ganz alltägliche Autoren/Leser Probleme und Fragen.

 

aber verrat mir bitte bitte bitte, was all das uns Autoren bringt, die wir schlichtweg hören und kein Chinesisch schreiben...

Wie gesagt: ich schreibe ja nicht klanglich sondern vornehmlich informativ, von daher unterscheide ich da. Informelles Schreiben, und klangliches schreiben.

 

Für Leute, die klanglich schreiben, ist eine Diskussion über rein informelle Probleme natürlich so unwichtig wie die Garlänge von Fleischsorten für vegetarische Köche. ;)

 

Aber wie gesagt, man kann das Thema auch klanglich angehen, es war halt nur nicht mein Ansatz.

 

Lieben Gruß,

Marco! :s17

 

P.S. Entschuldige, ich wollte dir keine Fallbeulen am Kopf unterstellen. :D

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Ich weiß ja, dass vielen Lesern Klang, Rythmus und all das bei einem text sehr wichtig ist. Lyrikfans zum Beispiel.

Aber wirklich allen Lesern?

Ich selbst bin ziemlich resistent gegen Klang und Rythmus, bzw. gebe nicht viel drum. Als Leser jetzt. Mir ist der Plot wichtiger, ergo der Inhalt, die Information der Texte, als ihr Klang.

 

Entschuldige, wenn ich kurz einhake, aber das finde ich wirklich spannend.Diese ganzen Sachen wie Wortwiederholungen, ungelenke Formulierungen, dieses Handwerkszeug, die oft in den Textkritiken auftauchen, fallen für mich unter genau dieses Klang-Ding.

Wortwiederholungen sind ja zum Beispiel nicht aus Prinzip schlecht, sondern weil sie den Klang eines Satzes ruinieren können. Von daher glaube ich schon, dass du darauf achtest, auch wenn du andere Prioritäten setzt.

Gerade weil du neulich so schön für freiere Auslegung der Grammatikregeln in literarischen Texten plädiert hast. Das hat auch oft klangliche Gründe, sowas zu biegen.

Sogar viele der Holzhammer-Stilregeln, die man in jedem Schreibratgeber findet, sind im Grunde genommen "Klang"-Regeln, auch wenn sie selten so begründet werden, sondern meist mit in einem leicht alttestamentarischen Gewand ("Du sollst keine Wörter und Lautfolgen wiederholen!") daherkommen.

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Nur ein kurzer Einwurf:

 

 

Musik weckt ja auch Emotionen und kann in Noten festgehalten werden. Wenn man die Noten selbst nun liest, weckt das aber eher weniger Emotionen.

'Spielt' man die Noten aber...  ::) *schmacht*

Falsch, Marco! Völlig falsch!

 

Musiker lesen Musik wie wir Buchstaben lesen - und Komponisten ziehen sich auf einsame Almhütten zurück, um zu schreiben.

Da steht dann kein Orchester morgens an der Tränke, damit sich der gute Mann / díe gute Frau überzeugen kann, daß er/sie  "Emotionen" komponiert hat - das weiß er oder sie schon anhand der schwarzen Krähenfüße auf weißem Papier  ;D

 

Gruß

Jan

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