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(Siberianchan)

Trapez

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(Siberianchan)

Es gibt nur ein, nur EIN einziges Buch, das mich regelmäßig zum Heulen bringt: TRAPEZ.

Und Warum? Es ist traumhaft schön, sehr sensibel und intensiv geschrieben, detaillreich und voller Kritik an einer Haltung, deren Restfragmente bis heute bestehen - leider.

 

Ein kurzer (?) Inhaltsüberblick:

USA 1944: Der 14-Jährige Tommy Zane Jr., seines Zeichens Sohn des Raubtierdompteurs Tom Zane, reist mit seinen Eltern im Zirkus Lambeth durch die Kleinstädte und Dörfer des Mittleren Westens und ist recht zufrieden mit seinem Leben, besonders, seit der Zirkus Zuwachs in Form der „Flying Santellis“, einer Luftakrobatengruppe bekommen hat.

Tommy, der schon immer lieber am Trapez fliegen wollte, als wie sein Vater wilde Tiere zu Kunststücken zu „überreden“ freundet sich recht schnell mit dem zweiten Flieger der Gruppe an, dem knapp zwanzigjährigen Mario Santelli (bürgerlicher Name „Matthew Gardner“). Mario hat ein hochgestecktes, wie auch gefährliches Ziel: der „Salto mortale“ ein dreifacher Salto, etwas, was damals als nahezu undurchführbar und tödlich bekannt war.

Nach einigen Auseinandersetzungen mit den Eltern lernt Tommy die Arbeit am Trapez, Ende der Saison wird er von dem altehrwürdigen Oberhaupt der Santelli-Familie, Papa Tony, unter Vertrag genommen und verbringt die Winterpause bei dem ganzen Clan in Californien.

Der Alltag ist vom Training und recht strenger Disziplin geprägt, Tommy findet sich, diese Dinge vom Zirkusleben gewohnt, schnell in die Familie ein und lernt recht schnell Marios Verwandschaft kennen: da wäre Lucia, Marios Mutter und Tochter von Papa Tony, ihr Bruder Joe, seine Kinder Barbara und Clay. Außerdem noch Jonny Gardner und Elissa Marios Geschwister, die jedoch nicht mehr aktiv am Trapez arbeiten, teils, weil sie mit der Disziplin nicht klarkamen(Jonny), teils, weil sie geheiratet haben(Elissa).

Tommy merkt durch den stetigen und engen Kontakt zu Mario eigentlich überhaupt nicht, dass er sich in ihn verliebt, bis dann in der nächsten Saison von Mario selbst angesprochen wird.

 

Wer denkt, hier wäre jetzt Happy End, der irrt sich: die Geschichte von Mario und Tommy spielt nicht umsonst im Amerika der End – und Nachkriegsjahre.

Die Beiden müssen immer mehr auf der Hut sein um nicht erwischt zu werden, was besonders bei Marios Onkel Angelo schwierig ist, da dieser einen recht starken Drang hat, seinem Neffen hin und wieder hinterherzuspionieren.

Diese Belastung zerrt stark an den Nerven, besonders bei Mario, der das typisch italienische Temperament von Papa Tony geerbt hat. Immer wieder kommt es zum Streit zwischen den beiden und immer wieder kitten sie es, weil sie fühlen, dass sie ohneeinander nicht können.

Zwei, drei Jahre geht das Spiel gut, bis sie erwischt werden...

 

Ende des ersten Teils, „Der Flieger“, der von 1944 –1947 spielt.

Im Anschluss kommt der gerade mal höchstens zehn Seiten lange Teil „Intermission“, 1947.

Mario und Tommy trennen sich im Streit...

 

Der letzte Teil „Der Fänger“ spielt in den Jahren 1952 – 1953. Die Personen sind älter geworden, erwachsener.

Tommy war einige Jahre bei der Armee, Mario hatte einige Jahre nach der Trennung nur noch Pech gehabt und ist in einem billigen Zirkus gelandet, der dieser Bezeichnung eigentlich spottet.

Sie treffen wieder aufeinander, gehen zurück zur Familie, die Mario verzweifelt per Vermisstenanzeige vier Jahre lang gesucht hat. Das Training wird wieder aufgenommen, die „Flying Santellis“ wollen wieder zurück, wo sie waren: an die Spitze. Alles geht weiter wie vor Jahren, doch Angelo ist leider immer noch recht misstrauisch gegen die Beziehung der beiden, obwohl er selbst ihnen nie ein sexuellen Verhältnis nachweisen konnte. An diesem Misstrauen ändern auch die Tatsachen nichts, dass Mario ein Jahr verheiratet war und eine sechsjährige Tochter hat und das Tommy zwei Jahre bei der Armee gedient hat, sie also beide theoretisch „normal“ sein müssten.

Und es kommt natürlich, wie es kommen musste: Angelo ertappt sie und spricht sie direkt darauf an. Tommy und Mario haben inzwischen die Nase endgültig voll vom Versteckspiel und geben geradeheraus zu, dass sie ein Paar sind.

Das, was folgt, ist eine Tortur sonders gleichen, Tommy und Mario werden von Angelo so streng bewacht, dass sie sich immer wieder wie im Gefängnis vorkommen (wo sie ja theoretisch auch hinwandern könnten), ganz

abgesehen von der Angst, dass Angelo auch der streng katholischen Lucia und dem Rest der Familie von seinem Wissen erzählt.

 

Das war die knappste Inhaltszusammenfassung, die bei einem so komplexen Buch überhaupt möglich ist, wer es noch knapper will, scheitert.

„Trapez“ wurde mit sehr viel Fingerspitzengefühl und Herz geschrieben, kein einziger Satz wirkt übertrieben, es sei denn, es war Absicht. Man fiebert mit den Charakteren, leidet und lacht mit ihnen, wenn sie es tun und an manchen Stellen wird es einfach nur so traurig, dass man einen großen Vorrat Tempotaschentücher zur Hand haben sollte.

Im Kontrastprogramm zu dem abgrundtief homophoben (und nach tommys Vermutung dennoch selbst ein wenig homosexuellen9 Angelo trifft man in „Trapez“ auch Menschen, die entweder selbst homosexuell sind oder nach dem Motto leben „Jeder soll glücklich werden, wie er will.“, wo besonders Stella Kincaid zu nennen ist Jonnys Partnerin und spätere Ehefrau. Genauso Papa Tony - gerade er ist ja der älteste und katholischste, Gott sei es gedankt aber auch mit der toleranteste.

Bei den Flugszenen stockt einem regelmäßig der Atem, man merkt, dass die Autorin (wie sie selbst sagt) wohl 500 Zirkusfilme gesehen hat, um die genauen Bewegungsabläufe zu studieren.

 

Marios "Wahn" den Salo Mortale zu schaffen, ist ein Sinnbild für sich: Leidenschaft, Suche nach Anerkennung und Respekt von Menschen die man liebt. Und die Zerstörungskraft dieser blinden Leidenschaft, wenn es irgendwann auf einmal aus ist (Barney Parrish). Das allein macht nachdenklich, so manchen auch leicht melancholisch.

 

„Trapez“ ist gesellschaftskritisch, schön und traurig zugleich; Menschen, die von jeher einen regelrechten Hass auf Homosexuelle haben, werden das Buch wohl nicht einmal mit den Fingerspitzen anfassen. Schade, sie wissen nicht, was ihnen entgeht.

Allen anderen ist jedoch ein Lesevergnügen wie kein zweites gegönnt, das sie nicht so schnell vergessen werden. Wenn sie überhaupt dazu kommen, das Buch wurde bereits bei drei verschiedenen Verlagen herausgegeben, zuletzt beim Heyne-Verlag und ist derzeit vergriffen.

Neuauflage leider nicht geplant - man muss Auktionswebseiten und Buchantiquariate bemühen.

Viel Glück an alle, die an das Buch herannwollen.  

 

 

Ach ja, momentan hab ich das englische Original in der Mache... fast noch besser als im Deutschen... *mein Sssssssssssschaaaaaaaaaatzzzzzzz*

 

[red]So eine Headline: "Trapez(persönlicher Sssssssssschaaaaaaaaaatzzzzzzzzzzzzz)" kannst du das nächste Mal bitte bei Toggoline.de posten - THOT[/red]

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Oh jeeee.... tut mir ja richtig leid, daß ich Deinen persönlichen Schatz ganz anders in Erinnerung hab :-/

 

Ich hab das Buch vor Jahren gelesen.... nein, angefangen zu lesen. Und es ist eines der wenigen Bücher, die ich beiseite gelegt hab.

 

Es mag an der Übersetzung gelegen haben (wenn ich mich recht erinnere, haben da mehrere Kollegen mitgemischt, was immer übel ist), aber genervt hat mich z.B. auch die Vielzahl der Namen.

Jeder hatte mindestens drei: den bürgerlichen, seinen Artistennamen, einen Kosenamen.... und bei dem Riesenpersonal war das nur endlos verwirrend.

 

Ich erinnere mich auch noch, daß ich es verblüffend plump und teils "triefend" geschrieben fand und mich gewundert hab, wie das einer gestandenen Autorin passieren konnte.

 

Mag sein, daß es zum Teil an der Übersetzung lag... aber sicher nur zum Teil.

 

Gruß

Jan

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Jedem das seine... ich fand es ehrlich gesagt nicht so schnulzig, wie du sagst, im gegeteil... sehr fließend geschrieben.

 

(ach ja, ich bin TRAPEZ-süchtig... aber nochnciht so schlimm, wie manch ander... denen solltest du DAS nciht unbedingt ins Gesicht sagen, sonst... naja... lassenwir das.. *hüstel* *versteck*)

 

Vielleicht lag es ja wirklich an der Übersetzung... die versaut des öfteren ein wirklich gutes buch. Falls du es mal auf Englisch erwischst, kannst du dich ja davon überzeugen.

 

An welcher Stelle hast du es eigentlich weggelegt?

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Ehrlich gesagt - ziemlich früh.

Es ist lange her, kann mich deshalb nicht mehr so genau erinnern.

 

Woran es nun genau lag - vielleicht schlicht an der Autorin? Auch "Die Nebel von Avalon" waren eine riesige Enttäuschung, danach hab ich mir kein Buch von Zimmer Bradley mehr gekauft.

 

Gruß

Jan

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"The Catch Trap"

 

Ach ja... ich hab mein bescheuertes Passwort vergessen(kann man sich fast denken, wenn ich andauernd als "Gast" auftauche) und schon ne E-mail geschickt... wann kommt mein Passwort an?

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(Siberianchan)

"Bescheuert" ist nicht geflucht. Das ist ein umgangssprachlicher und kein Kraftausdruck. 8)

 

@Jan: Falls es noch im "Flieger" war, als du aufgehört hast: es gibt einige Leute, die den ersten Teil regelrecht vergöttern, den zweiten jedoch nciht mehr ganz so toll finden. Vielleicht ist es bei dir genau umgekehrt.

 

Grundsätzlich ist es immer besser, ein Buch zu Ende zu lesen - vielleicht bessert es sich ja zum Ende hin.

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auch bei mir steht das buch, seit ich junge vierzehn war, im regal (fast 10 jahre jetzt, wen es interessiert).

damals hat mich die geschichte total mitgerissen. ich konnte mich nie entscheiden, ob ich nun in tommy oder in mario verknallt war, oder ob mich einfach nur die bittersüße athmosphäre, die tragische liebe oder das harte leben der beiden kerle zum heulen gebracht hat.  

ich hab das buch drei mal gelesen, das letzte mal vor fünf jahren.

ob ichs jetzt immer noch so gut fände?

jedenfalls hast du (siberianchan) mich inspiriert, den roman mal wieder in die hand zu nehmen - was ich heute abend wohl gleich tun werde.

Bei Droemer Knaur im März 2012:  Mondherz &&Meine neue Website

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