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(PeterNa)

Rezension: Die Straße von Cormac McCarthy

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Das ist ein dunkler Roman - finster wie ein alt gewordenes schwarzweiß Foto aus Tagen, die wir nie sehen wollen.

Hier begegnen wir einem Mann und seinem etwa 10jährigen Sohn. Sie zählen sich zu den Guten, obwohl in dieser postapokalyptischen Welt nicht mehr genau festzumachen ist, wer gut und wer böse ist.

Der Junge wurde zur Zeit des Blitzes geboren, der den Himmel spaltete und die Welt in ein Aschenland verwandelte. Alles liegt darnieder, funktionslos, kalt und tot. Es gibt keine Tiere mehr, nur noch vagabundierende Menschen, die durch die riesige Einöde ziehen. Die "Guten" ernähren sich von dem, was sie finden - in vergessenen Sturmkellern, bei Toten am Strassengraben.

Was den Mann aufrecht hält, ist die unverbrüchliche Liebe zu seinem Sohn, was den Sohn weitergehen lässt, ist sein Wissen um die Liebe seines Vaters.

Die Bösen ernähren sich von Menschen. Manche fangen Vagabunden und sperren sie in Keller, halten sie als Lebensmittvorräte. Kinder werden am Spieß gebraten, halbwüchsige Mädchen werden als Schwangerschaftsmaschinen gehalten, männliche Jugendliche für den Notfall als Lustknaben.

 

Vater und Sohn gehen durch die verbrannte Welt, kämpfen sich durch Ascheschleier nach Süden, in der Hoffnung, dort am Meer Wärme und Lebensmittel zu finden - und andere "Gute".

 

Man erfährt im ganzen Roman nicht, was diese Apokalypse verursacht hat - es scheint auch nicht wichtig zu sein. Das ist über zehn Jahre her, was blieb, sind ausgemergelte Menschen ohne Hoffnung, die sich durch eine graue, kalte Welt kämpfen.

In diesem Buch gibt es keinen Trost und auch keine Moral außer der reinen Liebe des Mannes zu seinem Sohn, die in der Aussage gipfelt: Er ist Gott. Schon allein deshalb, weil ohne ihn nichts mehr Sinn macht. Alles was der Mann über Moral und Menschlichkeit weiß, gibt er an seinen Sohn weiter, weil ihm als Vater nichts anderes zu tun bleibt. Er erkennt darin vielleicht sogar ein edles Ziel - jene Werte weiterzugeben, die uns als Menschen prägten. Oder die uns hätten prägen sollen, bevor es zu spät für soetwas war.

 

Ein Vater und sein Sohn auf der Straße. Sie gehen durch eine verheerte Welt. Immer Tücher vor dem Gesicht, um nicht die wehende Asche einzuatmen, die die Welt einhüllt. Sie haben einen Revolver mit zwei Patronen, und einen Einkaufswagen mit Lebensmittelkonserven. Die Welt ist abgebrannt und niedergeschmolzen, verdörrte Leichen stecken hüfttief im erkalteten Teer der Straße. Und als sie in den Süden kommen sehen sie, dass auch jenseits des Strandes nichst ist. Nur ein langsames Meer, dass aussieht wie zähflüssiges Metall, auf dem Rußflocken treiben.

 

Das ist kein Roman für frohe Stunden und er lädt ein, weit über die Zeit, die man braucht um ihn zu lesen, nachzudenken, warum diese Welt so ist wie sie ist. Und was letzten Endes übrigbleibt, wenn alles darauf aufs Überleben reduziert wurde.

 

McCarthys Sprache ist spröde, beinahe unterkühlt. Er beobachtet, begleitet, ergreift nie Partei. Zeigt Hunger und Angst ohne Scheu, ebenso Szenen, die einem am eigenen Erbrochenen würgen lassen. Aber noch vielmehr verhilft er mit seiner Sprache der Geschichte zu höchster Transparenz und Glaubwürdigkeit. Nichts ist sensationslüstern oder skandalgeil.

 

Ein beunruhigendes und dunkles Buch. Mit einem hauchfeinen Streifen Licht am Ende.

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Danke für die einfühlsame Rezension. Das hört sich sehr interessant an, ist aber wohl ein Buch, dass man nicht in persönlich dunklen Zeiten lesen sollte. Ich merke es mir einmal vor. Heute Morgen las ich übrigens, dass McCarthy den Pulitzer-Preis dafür erhalten hat.

 

Viele Grüße,

Susanne

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Ging mir ähnlich - ich hatte Gänsehaut von dieser Rezension - und ich dachte auch- sieh an, der Peter, der könnte fürs Feuilleton schreiben.

Hat mich riesig verführt, mir das Buch zu kaufen... allerdings für etwas sonnigere Zeiten.

 

Schöne Grüße,

Petra

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Liebe Petra,

 

Vielen Dank für die freundliche Anmerkung :-)

 

Na sieh mal einer an, was gute Bücher bei mir so alles bewirken können. Beflügelt und trägt mich Richtung Feuilleton :D

 

lg/Peter

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