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Andreas

Welche Erzählperspektive: Auktorial vs. Personal?

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Immer wieder wird von verschiedenen Erzählperspektiven gesprochen, davon, dass es für einen Einsteiger problematisch sein kann, mit der Ich-Perspektive zu beginnen, und dass man aufpassen soll, nicht zu sehr in den Perspektiven hin und her zu springen.

 

Was hat es nun damit auf sich? Hier die "üblichen Verdächtigen" mit jeweils einem (hoffentlich passenden und hilfreichen) Beispiel:

 

Auktoriale Erzählperspektive

Hier ist der Erzähler (Achtung: der Erzähler und Autor müssen unterschieden werden, da sie nur selten ein und dasselbe sind) allwissend. Da er die Szene als Außenstehender beschreibt, kann er in dieser Funktion mehr wissen, als die Protagonisten selbst, vielleicht tritt der Erzähler sogar deutlich in Erscheinung (im letzten Satz).

 

Joe und Mary schlenderten durch die Gassen der Hafenstadt. Sie schwelgten in Gefühlen, jeder aus anderen Gründen, und doch fanden sie darin einen gemeinsame Anknüpfung, wie Schiffbrüchige, die sich eine Treibholz teilen und sich auf der Suche nach einer Insel nicht nach ihren Namen fragen.

Allein: Bloße Worte und Papier reichen nicht aus, um zu beschreiben, wie grausam ihr Schicksal noch werden würde...

 

Personale Erzählperspektive

Hier wird die Handlung aus der Sicht einer Person beschrieben. So kann über das Innenleben der Person berichtet werden (soweit sich die Person darüber bewusst ist), und darüber, was diese Person erlebt, allerdings nicht allwissend, sondern nur aus ihrer Perspektive beurteilt. Diese Erzählform ermöglicht eine intensivere Identifikation mit den Protagonisten. Im Laufe einer Geschichte kann aus der Perspektive verschiedener Personen erzählt werden.

 

Joe spürte die Wärme von Marys Hand in seiner, als die durch die Gassen der Hafenstadt gingen. Auf eine Weise, die er sich nicht erklären konnte, hatte er einen Traumpartner gefunden, aber er zwang sich, den Gedanken abzuschütteln, bevor er sich einnisten konnte. Er sah zu Mary hinüber, die in ein stummes Lächeln versunken war.

Mary bemerkte Joes Blick aus dem Augenwinkel, aber sie entschloss sich, nicht darauf zu reagieren. Sie wollte sehen, wie lange es dauern würde, bis er sie ansprach - und was er sagen würde...

 

Ich-Perspektive (auktorial)

Über die Ich-Perspektive gibt es schon einen separaten Thread im Forum. Es lohnt sich aber, an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass auch diese Perspektive in auktorial und personal unterschieden werden kann.

In der auktorialen Ich-Perspektive berichtet der Ich-Erzähler aus einer allwissenden Position. Zu der (in der Regel) in der Vergangenheit erzählten Handlung hat der Erzähler einen gewissen Abstand, der es ihm ermöglicht, Dinge nachträglich in einem anderen oder weiteren Zusammenhang zu sehen.

 

So gut mich meine kurzen Beine trugen, rannte ich die Stufen zur Veranda hinauf, außer Atem und mit einem wilden Hämmern in der Brust. Es war der letzte Moment unbeschwerten Kindseins, den ich erlebte. Nichts bereitete mich darauf vor, was ich sah, als ich die Fliegengittertür öffnete. Die Zeit gefror zu einem grotesken Stillleben. Mein Schrei gellte durch die Nachbarschaft.

 

Ich-Perspektive (personal)

In dieser Erzählform identifiziert sich der Erzähler unmittelbar mit der erzählten Handlung. Der Erzähler verfügt nicht über erweiterte Informationen seiner Umwelt zum Zeitpunkt des Geschehens.

 

Ich rannte die Stufen zur Veranda hinauf und blieb dort keuchend Atem und mit einem wilden Hämmern in der Brust stehen. Aufgeregt stieß ich die Fliegengittertür. Und dann sah ich es. Überall. Ich war starr vor Schreck, konnte mich nicht bewegen. Ich versuchte, es zu verstehen, es zu begreifen. War das die Wirklichkeit? Ich dachte an Mama, die Schule, dann wieder an das Telefonat, meine Gedanken wirbelten durcheinander. Nach einer Weile merkte ich, dass ich schrie, obwohl ich selbst es nicht hören konnte.

 

Nun, meine Beispiele sind sicher nicht die Besten. Aber ich denke, die Idee wird klar.

 

Hier ist noch ein schöner Link zu dem Thema: (Link ungültig)

 

Wenn euch bessere Beispiele einfallen, dann gerne her damit, auch mit weiteren, hilfreichen Links zu dem Thema.

 

Gruß, Andreas

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So gut mich meine kurzen Beine trugen' date=' rannte ich die Stufen zur Veranda hinauf, außer Atem und mit einem wilden Hämmern in der Brust. Es war letzte Moment unbeschwerten Kindseins, den ich erlebte. Nichts bereitete mich darauf vor, was ich sah, als ich die Fliegengittertür öffnete. Die Zeit gefror zu einem grotesken Stillleben. Mein Schrei gellte durch die Nachbarschaft.[/i']

Verdammt, jetzt will ich wissen, was da zu sehen war...  :(

 

Nein, aber der Link ist super, danke Andreas.

 

Und, by the way, mit Wechseln in der Perspektive kann durchaus experimentiert werden.

Hab mal ein Buch von Koontz gelesen (weiß den Titel nicht mehr, die sind alle so austauschbar wie die Inhalte, könnte 'Das Versteck' gewesen sein), in dem wurde normal von einem auktorialen Erzähler im Präteritum erzählt, was der Protagonist so tat. Wenn dann der Antagonist seine Kapitel hatte, sprang die Perspektive in die personale Ich-Form im Präsens! Hat mich immer fast wahnsinnig gemacht, vor allem hatte man so am Ende einen besseren Draht zum Anta, als zum Prota...

 

Gruß, Marco! :s17

 

P.S. Ach ja: kann ich denn nicht auch fließende Wechsel zwischen einem auktorialen und einem personalen Erzähler haben? Also der allwissende Erzähler, der sich aber in die Charaktere hineinversetzen kann...?

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Und' date=' by the way, mit Wechseln in der Perspektive kann durchaus experimentiert werden.[/quote']

Als Profi, ja. Wer die Regeln kennt, der darf sie brechen. Aber als Grundlage sollte man die Prinzipien schon kennen, damit man sie bewusst und präzise anwenden oder verbiegen kann.

 

P.S. Ach ja: kann ich denn nicht auch fließende Wechsel zwischen einem auktorialen und einem personalen Erzähler haben? Also der allwissende Erzähler, der sich aber in die Charaktere hineinversetzen kann...?

In der Regeln fällt es nicht großartig auf, wenn ab und zu mal ein auktoriales Fragment aufblitzt, wenn der Rest des Romans eigentlich personal ist. Oder anders herum. Aber im Laufe des Lesen "fühlt" man sich in eine Perspektive ein, spürt quasi, ob die "Kamera" im Kopf eines Protagonisten sitzt, oder außerhalb. Wenn dies nun immer wieder zufällig hin und her springt, dann irritiert das. Dies nur in bestimmten Fällen zu tun, genau überlegt und behutsam umzusetzen, ist eine Kunst.

 

Wichtig scheint es mir zu sein, sich der Perspektive einfach immer bewusst zu sein, um das im Einzelfall zu entscheiden.

 

Beispiel: Das Kapitel ist personal beschrieben, aus der Perspektive (auch Gedankenwelt und gefärbte Sichtweise) von Tom. Nun sollen Susis Gedanken gezeigt werden. Geht aber nicht; woher soll Tom das wissen. Also: "Kameraschwenk" zu Susi, ein paar Sätze über sie, so dass der Leser dem Schwenk folgt, und dann folgen ihre Gedanken, ihre Sichtweise. So hat die personale Perspektive unauffällig gewechselt, ohne, dass der Erzähler auktorial in Erscheinung getreten ist. Aber Achtung: nun ist die Kamera in Susis Kopf. Nicht einfach wieder zu Tom hüpfen, sonden nun auch Susi "durchhalten" und ebenso behutsam wieder zurückschwenken, wenn es angebracht ist.

 

Andreas

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Hallo Andreas!

 

Erstmal herzlichen Dank, dass Du meine angedrohte Frage zum Thema gemacht und so schön abgehandelt hast. :D

 

Die verschiedenen Perspektiven kenne ich aus diverser Fachliteratur, bloß ist mein Problem, sie entsprechend umzusetzen.

 

Ich schreibe so, wie die Handlung vor meinem geistigen Auge als Film abläuft (wie im Kino, aber ohne Popcorn und raschelnde Bonbontüten), und da gehören nunmal Kamerawechsel dazu. Ein Versuch, die Szene möglichst aus der Sicht einer einzigen Person zu erzählen, nimmt ihr in meinem Fall ziemlich die Spannung.

 

Grundsätzlich versuche ich, die personale, nicht allwissende Erzählperspektive beizubehalten.

 

Wenn ich Dich richtig verstehe, ist es also durchaus legitim, auch in einer einzigen Szene mehrmals die Perspektive zu wechseln, so lange man sich noch durchblickt, wer gerade etwas sagt oder tut? Damit kämpfe ich nämlich bei meiner Geschichte am meisten.

 

Gruß,

Ed

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Die Beispiele sind gut ... aber den gegebenen Umständen entsprechend kurz.

 

Vielleicht kann jemand bekannte Romane/Geschichten angeben zu den verschiedenen Stilen? Um das gegebene Bild noch emotionaler mit Verständnis zu untermauern.

 

Grüße

 

Roman

 

 

Edit:

muss mir endlich mal die Leerzeichen zwischen letztem Wort und Frage- oder Ausrufezeichen abgewöhnen >:(

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Ich schreibe so, wie die Handlung vor meinem geistigen Auge als Film abläuft (wie im Kino, aber ohne Popcorn und raschelnde Bonbontüten), und da gehören nunmal Kamerawechsel dazu. Ein Versuch, die Szene möglichst aus der Sicht einer einzigen Person zu erzählen, nimmt ihr in meinem Fall ziemlich die Spannung.

Grundsätzlich versuche ich, die personale, nicht allwissende Erzählperspektive beizubehalten.

Wenn ich Dich richtig verstehe, ist es also durchaus legitim, auch in einer einzigen Szene mehrmals die Perspektive zu wechseln, so lange man sich noch durchblickt, wer gerade etwas sagt oder tut? Damit kämpfe ich nämlich bei meiner Geschichte am meisten.

Hallo Ed,

 

ich habe kurz nach diesem Posting deine Katzengeschichte gelesen, und dort in der Tat eben dieses bemerkt: du springst sehr oft zwischen den Perspektiven, was dir ja auch in den Kritiken schon gesagt wurde.

 

Das Problem entsteht dadurch, dass bei dir diese Sprünge sehr häufig und sehr kurz sind, eben - wie du es beschreibst - als wenn man mit der Kamera in schnellen Schnitten verschiedenen Szene einfängt.

Aber: eine Kamera ist auktorial, nicht personal.

Deine schnellen Schnitte würden besser funktionieren, wenn du sie als allwissender Erzähler verwendetest, den Leser quasi hin und her scheuchst, besonders, wenn es actionreich wird.

In deinen Beschreibungen schneidest du aber nicht nur zu anderen Szenen, sondern dabei auch noch in die Sichtweise der Protagonisten, eben personal, und dadurch ist es sehr schwer für den Leser, sich "festzuhalten".

 

Andreas

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Hallo Andreas!

 

Dankeschön für die Analyse.

 

Ich habe also die Wahl zwischen häufigem Kamerawechsel, dafür aber keiner zu persönlichen Sichtweisen der Akteure, oder ich erzähle die Szene mehr aus der Sicht eines der Protagonisten, mit weniger Action, dafür so, dass sich der Leser besser in die Figur reindenken kann.

 

Hm. Mal ausprobieren, was ich besser kann.

 

Letzte Frage: darf die eventuell in der Anfangsszene verwendete auktoriale Erzählperspektive in einem folgenden Kapitel eine personale Erzählperspektive werden? Sprich, darf man im Roman mehrmals wechseln, so lange es nicht in einer Szene passiert? Oder sollte man tunlichst die einmal begonnene Perspektive über den gesamten Roman beibehalten?

 

Danke schon jetzt,

Ed

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Vielleicht kann jemand bekannte Romane/Geschichten angeben zu den verschiedenen Stilen? Um das gegebene Bild noch emotionaler mit Verständnis zu untermauern.

 

Hallo Roman!

 

Also, hier zwei Empfehlungen von mir für den auktorialen und den personalen Erzähler:

 

Auktorial: "Die Unendliche Geschichte" von Michael Ende

Der Erzähler erzählt 'nüchtern', wie Bastian das Buch liest, wie verschiedene Personen innerhalb von Phantasien sich verhalten etc. ohne konkret (oder nur sehr selten) auf das Innenleben seiner Charaktere einzugehen.

 

Personal: "Todesmarsch" von Richard Bachmann

Der Erzähler bleibt die ganze Zeit in der Perspektive des Protagonisten Garraty, weiß, was der weiß, und schildert seine Beobachtungen, Gedanken, Hoffnungen, Empfindungen.

 

Für die Ich-Form fällt mir gerade nichts ein, gehe aber gerne nochmal suchen! ;)

 

Gruß, Marco! :s17

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Danke dir, Marco.

 

Die unendliche Geschichte hab ich gelesen und "Todesmarsch" werde ich die Tage mal suchen gehen.

 

Musst dich nicht weiter bemühen - in Hinsicht auf mein eigenes Gestümpe sind diese beiden die mir naheliegenden Perspektiven (ich steh nicht so auf "ich-Erzählungen").

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Ich habe also die Wahl zwischen häufigem Kamerawechsel' date=' dafür aber keiner zu persönlichen Sichtweisen der Akteure, oder ich erzähle die Szene mehr aus der Sicht eines der Protagonisten, mit weniger Action, dafür so, dass sich der Leser besser in die Figur reindenken kann. [/quote']

Personal heisst für mich nicht zwangsläufig, dass es weniger Action gibt. Du beschreibst lediglich die Action aus den Augen und mit den Empfindungen einer Person. Diese Person kann die Action unmittelbar spüren und der Leser kann so intensiv mitfiebern. Zum Beispiel die Landung der Alliierten in "Saving Private Ryan". Durch die Handkamera wird eine personalen Sicht suggeriert, und man kann die Szene hautnah miterleben, Chaos überall, Schreie, Explosionen, Blut, Geschosse und Splitter, die an den Ohren vorbeizischen. Viel Action, oder?

In der Tat wird es aber speziell im Buch verwirrend, wenn das mit zu vielen Personen im schnellen Wechsel geschieht.

Alternativ wählst du speziell für eine längere, actionreiche Szene eine auktoriale Erzählweise, dann allerdings, ohne jeweils in die Tiefe der Personen zu gehen - das "Actiongefühl", das du dadurch erreichst, ist lediglich ein Anderes. Dann bist du eher Berichterstatter, man "hört" die Explosionen dann als Leser aber nicht aus der Sicht eines Einzelnen.

 

Letzte Frage: darf die eventuell in der Anfangsszene verwendete auktoriale Erzählperspektive in einem folgenden Kapitel eine personale Erzählperspektive werden? Sprich, darf man im Roman mehrmals wechseln, so lange es nicht in einer Szene passiert? Oder sollte man tunlichst die einmal begonnene Perspektive über den gesamten Roman beibehalten?

Ich würde das vom Kapitel oder der geschlossenen Szene abhängig machen, nur nicht verkrampfen ;)

 

Andreas

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An dieser Stelle nochmal eine Frage/Bemerkung in die Runde:

 

Wie verhält sich das mit 'Briefromanen'? Ich hab grade mal wieder in Dracula geblättert, das ja komplett aus Tagebucheintragungen, Briefen, Diktaten etc. besteht, also von mehreren personalen Ich-Erzählern erzählt wird...

 

Diese Form ist zwar eher die Ausnahme, hat aber einen gewissen Reiz!

 

Gruß, Marco!

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Personale Erzählperspektive

Hier wird die Handlung aus der Sicht einer Person beschrieben. So kann über das Innenleben der Person berichtet werden (soweit sich die Person darüber bewusst ist), und darüber, was diese Person erlebt, allerdings nicht allwissend, sondern nur aus ihrer Perspektive beurteilt. Diese Erzählform ermöglicht eine intensivere Identifikation mit den Protagonisten. Im Laufe einer Geschichte kann aus der Perspektive verschiedener Personen erzählt werden.

 

Joe spürte die Wärme von Marys Hand in seiner, als die durch die Gassen der Hafenstadt gingen. Auf eine Weise, die er sich nicht erklären konnte, hatte er einen Traumpartner gefunden, aber er zwang sich, den Gedanken abzuschütteln, bevor er sich einnisten konnte. Er sah zu Mary hinüber, die in ein stummes Lächeln versunken war.

Mary bemerkte Joes Blick aus dem Augenwinkel, aber sie entschloss sich, nicht darauf zu reagieren. Sie wollte sehen, wie lange es dauern würde, bis er sie ansprach - und was er sagen würde...

 

 

 

Hallo Andreas,

 

mir wurde es mal als 'handwerklicher Fehler' vorgeworfen, wenn ich von einem personalen Erzähler zum nächsten springe. Und das, obwohl ich wesentlich länger bei einer Figur geblieben bin und ich zusätzlich mit einem Absatz augenscheinlich einen Trennung gesetzt habe.

 

Frage also: Wenn dieses von dir angeführte Beispiel in einem Text vorkommt, gehen da die Kritiker nicht auf die Barrikaden?

 

Grüße

Quidam

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Hallo Quidam,

 

wie schon gesagt, die Beispiele sind sicher nicht perfekt. Aber grundsätzlich macht das Maß die Würze.

Mein Beispiel zeigt beispielhaft einen Übergang von einer in die andere personale Perspektive.

Das funktioniert, wenn es sparsam eingesetzt wird. Ich würde eine solche Überblendung zum Beispiel nur verwenden, wenn ich vorhabe, aus guten und wichtigen Gründen den Rest des Kapitels aus Marys Perspektive zu schildern - zum Beispiel, weil ich Joe nun glücklich nach Hause fährt und ich Mary folgen möchte, die danach in einen Swingerclub geht. ;) Dann ist dieser Übergang bewusst, zielgerichtet und einmalig.

Ich würde aber nicht innerhalb der nächsten Sätze wieder auf Joe zurückblenden, oder gar noch eine weitere Person ins Spiel bringen.

 

Andreas

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Was Perspektiven und ihre erzählerisch-sprachliche Umsetzung angeht, gibt es eine klare und verständliche Einführung in Ursula K. LeGuins Steering the Craft:

http://images-eu.amazon.com/images/P/0933377460.01.MZZZZZZZ.jpg (Link geht zu Amazon.de)

 

Ich persönlich mag das "mind-hopping" überhaupt nicht und empfinde es als phantasietötendes erzählerisches Defizit, wenn ein Autor mich in alle Köpfe reinschauen läßt. Solche Bücher fliegen schon nach wenigen Seiten in die Ecke -- vor allem wenn der Autor innerhalb einer Szene mehr als einmal die Perspektive wechselt.

 

Typische personale Ich-Erzähler finden sich in Haruki Murakamis Romanen Hard-boiled Wonderland und Das Ende der Welt, Wilde Schafsjagd, Tanz mit dem Schafsmann und Mister Aufziehvogel (das letzte ist leider eine nicht sonderlich gute Übersetzung der amerikanischen Ausgabe).

 

Puristische Grüße,

Iris :s17

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(Steffi (Ronya))

Ich denke es ist jetzt jedem klar, was personale und was auktoriale Erzählperspektive ist, deswegen hätt ich jetzt eine etwas andere Frage: Welche Perspektive bietet welche Vorteile? Was glaubt ihr, ist die einfachste Erzählperspektive? Sollte man anstatt in einem Buch verschiedene personale Erzähler zu verwenden, lieber einen auktorialen verwenden? Welche Perspektive verwendet ihr und warum?

So, das reicht jetzt an Fragen :s01

Gruß Ronya

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Hallo, Ronya!

 

Ich denke, das hängt von deiner Erzählabsicht ab. Geht es dir darum, eine Abfolge spannender oder interessanter Ereignisse zu erzählen? Möchtest du eine stärker psychologische Komponente einbauen? Geht es dir vor allem darum, das Denken, Fühlen und Handeln einer bestimmten Person in einer bestimmten Situation zu zeigen?

Im ersten Fall ist m.A.n. der neutrale oder auktoriale Erzähler oder auch ein reflektierender Ich-Erzähler ("Scheinautobiographie") angemessen -- der neutrale berichtet nur, der auktoriale und der reflektierende Ich-Erzähler kommentieren die Ereignisse wie die "Stimme aus dem Off" im Film.

Im zweiten Fall empfiehlt sich eine personale Erzählweise; ein Ich-Erzähler wird vom Leser meist als direkter empfunden, was manche Leser sogar unangenehm finden -- aber diese Frage muß du dir wirklich nicht stellen! Es sei denn, du peilst von vornherein auf "das Massenpublikum"; in diesem Falle würde ich dringend von einem rein auktorialen, reflektierenden Erzähler (insbesondere in der Ich-Form) abraten!

Leser, die zum "Massenpublikum" gezählt werden, werden so eingeschätzt, daß sie sich aus sicherer Entfernung eines warmen Sessels Dinge "anschauen", die sie selbst nie erleben wollten. Dabei hilft eine Mischform der Erzählperspektiven: Ein Erzähler, der bei Bedarf in alle Köpfe reinschaut und anstelle von Reflexion oder Kommentar dem Leser durch die Verwendung deutender und wertender Adjektive und vieler Klischees und Wiederholungen das Denken erspart.

Tatsächlich scheinen viele Leser bei solchen Geschichten so richtig abtauchen zu können, wobei das auch mit der speziellen Lesesituation des mutmaßlichen reinen Konsumlesers zusammenhängt.

Ansonsten: Überlege dir, worauf dein Schwerpunkt bei der Umsetzung der Geschichte liegt.

 

Tip: Nimm dir ein paar Szenen heraus und schreibe sie aus den verschiedenen Perspektiven. Solche Übungen können sehr hilfreich sein.

 

Liebe Grüße,

Iris :s17

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Hallo Andreas,

 

auch wenn du mich gleich trittst: du hast hier einen Fehler in deinem Aufbau drin. Die von dir angegebenen Punkten sind nicht Perspektive- wenn man das anmerken darf. Eine gängige Unterteilung wäre:

 

Erzählform:

 

Ich-Erzähler:

Hier ist der Ich-Erzähler das erzählende Medium und berichtet über die Ereignisse. Er ist selber in die Handlung eingebunden, muss aber keine Hauptfigur sein.

 

Er/Sie- Erzähler:

Der Erzähler arrangiert die Handlung und weiß (zumindest theoretisch) alles. Er teilt dem Leser jedoch nud das notwendige und wichtige aus seiner Sicht mit. Dabei ist er keine Figur innerhalb der Geschichte.

 

Erzählverhalten:

 

auktorial: Ist ein Erzähler auktorial, so erzählt er die Geschichte und gibt dazu seine eigenen Standpunkte zu den Figuren und Handlungen klar zu verstehen.

 

personal: Hier kann der Erzähler in die Innenperspektive einer Figur hineingehen- also aus dem Blickwinkel einer Figur sehen.

 

neutral: der Erzähler berichtet aus einer relativen Distanz, gibt keine eigene Meinung vor und verzichtet auf Wertungen.

 

Erzählperspektive:

 

Innensicht: Der Erzähler kann in die Figur/ Figuren hineinsehen.

 

Außensicht: Der Erzähler kann nicht in die Figuren hineinsehen.

 

Gruss

 

Thomas

"Als meine Augen alles // gesehen hatten // kehrten sie zurück // zur weißen Chrysantheme". Matsuo Basho

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(Steffi (Ronya))

so, jetzt hätt ich noch ne dumme Frage: was heißt m.A.n. (mit Ausnahme natürlich?)??

Je mehr ich darüber nachdenke, desto geeigneter kommt mir der autkoriale Erzähler vor bzw. der neutrale in Dialogszenen. Das mit dem Szenen mal so mal so schreiben, werde ich auf alle Fälle mal ausprobieren, ich denke aber, dass ich die Wirkung erst im Gesamten sehen kann.

Danke nochmal.

Gruß Ronya

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Hallo, Ronya!

 

so' date=' jetzt hätt ich noch ne dumme Frage:[/quote']

Es gibt keine dummen Fragen -- nur dumme Antworten. :-)

 

was heißt m.A.n. (mit Ausnahme natürlich?)??

m.A.n. = meiner Ansicht nach. Neudeutsch auch "im(h)o". :-)

 

Liebe Grüße,

Iris :s17

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Bin - mal wieder - in einer Phase der Selbstanalyse und lese nun zum wiederholten Male eure äußerst interessanten Beiträge zu diesem Thema.

 

Vorausschickend möchte ich sagen, dass ich zumeist autodiktatisch arbeite und damit auch für mich sehr zufriedenstellende Ergebnisse erziele. Den 'Background' hole ich mir meist erst im Nachhinein, um meine Arbeit zu perfektionieren.

 

Obiger Satz von Iris hat die Perspektive-Problematik für mich nun auf den Punkt gebracht:

 

Dabei hilft eine Mischform der Erzählperspektiven: Ein Erzähler' date=' der bei Bedarf in alle Köpfe reinschaut und anstelle von Reflexion oder Kommentar dem Leser durch die Verwendung deutender und wertender Adjektive und vieler Klischees und Wiederholungen das Denken erspart.[/quote']

Die Crux bei der Perspektive ist wohl auch, und ich bleibe hier bei Andreas' obiger Einteilung, den Grat zu erkennen, wann die Erzählperspektive noch auktorial ('richtig') ist und wann sie bereits ständig wechselnd personal ('zumeist weniger richtig') ist. Thomas differenziert dann ja weiter unten sehr schön nach Innen- und Außenansicht. Sprich: Die Perspektive kann sehr wohl von Person zu Person zu Person wechseln, wenn ich mich mit den jeweiligen Innenansichten zurückhalte.

Vergleichbar mit einer Kamerafahrt: Von außen draufblenden ist in Ordnung. Die Seh- und Lesegewohnheiten des Lesers sind dahingehend geschult. Wenn ich als Leser aber ständig zwischen den Gefühlswelten der Romanfiguren wechseln muss, so strengt mich das in der Tat an.

 

Seht ihr das auch so?

 

Liebe Grüße

 

Roy

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Hallo,

 

Wenn ich als Leser aber ständig zwischen den Gefühlswelten der Romanfiguren wechseln muss, so strengt mich das in der Tat an.

Diese Aussage von Roy kann ich bedenkenlos unterschreiben. Ich habe mal einen historischen Roman gelesen, in dem man beinahe on Absatz zu Absatz im Kopf einer anderen Romanfigur. Das hat mich lesen sehr gestört und wäre das Thema nicht so interessant gewesen, ich hätte es weggelegt. Diese ständigen Wechsel haben mich regelrecht wuschig gemacht, so dass ich häufig eine Pause machen musste beim Lesen. Hat natürlich auch dazu geführt, dass ich nicht richtig eingetaucht bin in das Buch.

 

Ich habe immer gerne die personale Erzählweise, die innerhalb der Szene nicht wechselt. So versuche ich es auch beim Selberschreiben, wobei ich zugeben muss, dass hin und wieder einige auktoriale Elemente einfließen.

 

Grüße

Aneirin

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Hallo, Roy!

 

Vergleichbar mit einer Kamerafahrt: Von außen draufblenden ist in Ordnung. Die Seh- und Lesegewohnheiten des Lesers sind dahingehend geschult. Wenn ich als Leser aber ständig zwischen den Gefühlswelten der Romanfiguren wechseln muss' date=' so strengt mich das in der Tat an.[/quote']

Mich strengen Texte, die in der o.g. "trivialen" Erzählweise geschrieben sind, nicht an -- sie gehen mir fürchterlich auf den Geist! Sie engen mich ein, lassen mich nicht die Situation erfahren, sondern kauen mir vor, was ich zu denken habe. Es werden quasi absolute Wahrheiten über das Geschehen und die Figuren verkündet. Aber genau das will ich nicht! :)

 

Für meine Arbeit bedeutet das: Ich ziehe mich auf eine subjektive Perspektive zurück, beschränke mich meistens auf eine, maximal zwei Personen -- oder eine Person in verschiedenen Lebensaltern, wobei eine psychologische und kognitive Entwicklung zugrundegelegt wird. Was die Hauptfigur selbst betrifft, gebe ich kaum Außensicht (wie denn auch wenn nicht im Spiegel oder in der Reflexion -- und beides ist eine Brechung) und Innensicht vor allem als Selbstwahrnehmung.; d.h. die Figur errötet nicht, sondern kriegt heiße Ohren, sie ist nicht verlegen, sondern nagt an der Unterlippe.

Ich liefere also nicht die Deutung (Verlegenheit), sondern den körperlichen Ausdruck z.B. in der Gestik (an der Unterlippe nagen) bzw. die Wahrnehmung der entsprechenden physiologischen Reaktion (heiße Ohren).

Von den anderen Personen liefere ich entsprechend die Außensicht -- da kann dann auch mal jemand erröten, aber heiße Ohren wären ein (logisch ohnehin unerlaubter) Rückschluß.

 

Das ist, zugegeben ziemlich schwierig, denn ich als Autor kenne ja auch das Innenleben der anderen Figuren, obwohl ich es nur aus der Sicht des Perspektiventrägers niederschreibe. Allerdings ist das eben auch der kleine Unterschied -- in der Welt meines Romans bin ich eine Art Schöpfergott, der den Figuren einerseits und den Lesern andererseits eine perspektivisch verengte Sicht auf die Welt des Romans liefert, aus der sie sich dann ihre Sicht dieser Welt erschließen können. Ich glaube nämlich nicht an absolute Wahrheiten -- auch nicht in der Literatur. :)

 

Liebe Grüße

Iris :s17

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Hallo Roy,

Seht ihr das auch so?

Ich fürchte, ich kann da kaum mitreden. Ich selbst verwende mal wieder die absolut ätzende, einseitige, subjektive Ich-Perspektive ;-) Die ist zwar nicht so einfach, aber wenn man sich anstrengt, kann man dem Leser sehr viel bieten, ohne dass man alle Köpfe sezieren muss.

 

Und als Leserin hab ich was gegen Triviales, ich liebe Stringenz und Logik.

 

In Sachen Perspektive ist mir ein Roman besonders positiv aufgefallen: Jonathan Safran Foers: Alles ist erleuchtet. In dem Buch wird aus der Perspektive zweier Personen erzählt und ganz herausragend... in zwei völlig unterschiedlichen Sprachen. Foers wechselt außerdem nicht zufällig... er jongliert meisterhaft und bewirkt damit Dinge wie Spannung, aber auch Entlarvung. Gleichzeitig gibt es zur Handlungseben noch eine historische, auch die wieder mit eigener Sprache.

Wer das studieren will, dem sei das Buch ans Herz gelegt (und es lohnt sich nicht nur deshalb!)

 

Schöne Grüße,

Petra

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Schon unterwegs zu mir.... Der Postbote wundert sich eh nicht mehr, dass er beinahe täglich mit einem neuen Packerl von Amazon bei mir vorstellig wird :-)

 

@ Petra:

Belladonna und Stechapfel liegt schon neben meinem Bett - gestern frisch dem Postler aus den Händen gerissen :s17

 

Buchstabenversengte Grüße

Gabi

Schachzüge, Störfaktor, Grenzenlos nah, Infinity/ alle bei Thienemann, &&http://www.gabriele-gfrerer.at&&http://teamor61.blogspot.com/

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